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Besinnen

Real- statt Moralpolitik: Zu Ehren von Egon Bahr

von Gastautor

22.11.2018

| Lesedauer: 5 Minuten
Nur durch Wahrung und Stärkung nationalstaatlicher Souveränität, nicht durch ihre Negation, kann eine politische Gemeinschaftsbildung Europas gelingen, die auch Bestand und Zukunft hat.

«Ich möchte meine Werte und Ideale verwirklichen, darum gehe ich nun in die Politik!» – «Man sollte sie/ihn schleunigst davon abhalten und dorthin schicken, wohin sie/er gehört – in die Kirche oder ihre Ersatzbauhütten – die inter- qua supranationalen Institutionen, die den Schein einer alle Eigeninteressen transzendierenden, objektiven Macht an sich haben: den Gottesschein».

So könnte der spöttische Kommentar eines langjährig erfahrenen Realpolitikers wie Egon Bahr zu den neueren Versuchen menschenrechtlicher Moralpolitik lauten, nationalstaatliche Souveränität im Internationalen einer westlich geprägten Universalmoral aufzulösen. Wenn ein erfahrener und im politischen Handwerk langerprobter Sozialdemokrat, der über Jahrzehnte hinweg maßgeblich an der politischen Gestaltung der BRD mitwirkte, das Wort ergreift, dann sollte man ihm sehr genau und ernsthaft zuhören. Denn anders als das moralideologische Schwärmen des medialen Zeitgeistes schöpft er aus lebenslanger Sacherfahrung im Umgang mit politischen Realitäten. Allein ihr verdankt sich die Ausbildung politischer Vernunft; und begründet ihre Autorität, Maßstäbe politischen Handelns auch für die künftigen Generationen setzen zu können. Dass der SPD heute solche Köpfe fehlen, mag zur Katastrophe ihrer parteiinternen Ausbildungs- & Rekrutierungsverfahren gehören; die allgemeine politische Vernunft aber tut gut daran, sich die politischen Lehren Egon Bahrs noch einmal zu vergegenwärtigen.

Bahr läßt keinen Zweifel am Prinzip politischen Denkens: Politische Vernunft hat es mit Interessen und Machtverhältnissen menschlicher Gemeinschaften zu tun – nicht mit Moral, Werten und Menschenrechten. In dieser Versachlichung gegenüber moralideologischen Wünschbarkeiten liegt das pragmatische Realitätsprinzip politischer Vernunft. Politische Sachlichkeit ist außermoralisch: Anerkennung der Macht als politischer Grundtatsache. Politische Macht aber ist nationalstaatlich gebundene Macht, der Nationalstaat deshalb Kern aller politischen Tätigkeit. Was innenpolitisch ganz notwendig als bestimmtes moralisch-sittliches Ethos der Gemeinschaft wirksam ist, lässt sich nicht auf außenpolitische Verhältnisse anwenden. Alles «Internationale» gibt es nur als Verhältnis zwischen (inter) Nationen als den eigentlichen Machtzentren; und keine Supermacht wie die USA lässt sich ihr «nationales» Eigeninteresse durch internationalen Rechtsverhältnisse binden; sie versucht höchstens, damit andere ihrem Machtinteresse zu unterwerfen. Die romantische Illusion des «Internationalen», als vermöchte dieses etwas für sich jenseits und unter Aufhebung des «Nationalen», weicht damit der realpolitischen Einsicht in seine Machtförmigkeit: Internationale Rechtsverhältnisse sind «der Königsweg der Schwachen und Kleinen, Einfluß auf die Mächtigen zu bekommen» .

Die Verrechtlichung internationaler Beziehungen ist allein Sache ihrer Machtpraxis, sich gegenüber den Übermächtigen Gehör und Ansehen zu verschaffen. Mehr nicht. Der zur Internationalisierung des Rechts eingesetzte moralistische Universalismus ist deshalb nur der Ausdruck für das Machtdefizit «der Schwachen und Kleinen», die ihre nationalstaatliche Ohnmacht machtstrategisch zu kompensieren suchen – und dabei der metaphysischen Illusion verfallen, die Auflösung des Nationalstaates in ein «Internationales» könnte die Welt von ihren realgeschichtlichen Gegensätzen erlösen.

Die Verblendung ist konstitutiv – gerade für die Deutschen, die damit ihr mentales Schuldtrauma zu überwinden trachten: Ihr negatives Verhältnis zur eigenen Nationalität wird nicht als solches thematisch, sondern verschwindet in der universellen Negation der Nationalität als solcher. Dies aber verkennt das Wesen der realgeschichtlichen Welt und ihrer Machtzentrierung in sprachlich-kulturell differenzierten Gemeinschaften. Deshalb, so Bahr, müsse die BRD nun aus dem Schattendasein ihrer Nachkriegsgeschichte heraustreten: ihrer jahrzehntelangen Machtvergessenheit und Anpassungsmentalität, der vasallenhaften Haltung als US-Protektorat und dem bequemen Luxus sicherheitspolitischer Verantwortungslosigkeit.

Der wunde Punkt ist das deutsche Missverhältnis zur eigenen «Nationalität»: das im traumatischen «Nazikomplex» konsakrierte Unvermögen, sich die durch die Wiedervereinigung wiedererlangte staatliche Souveränität auch im politischen Handeln und Denken anzueignen – sie in Gebrauch zu nehmen als «Normalität» deutscher Machtpolitik, deutscher Interessen – des «deutschen Weges». Mental heißt dies: aus der Lähmung durch die Nazi-Vergangenheit heraustreten, die «Nation» im positiven Sinne als Kern der Identität wiedergewinnen. Denn ein negatives Selbstverhältnis – ob individuell oder kollektiv – kann nie produktiv Zukunft entwickeln: Ein positiv bejahendes Verhältnis zur eigenen Nation ist Grundlage und Voraussetzung aller Politik. Damit ist keiner «Verdrängung» das Wort geredet, auch keinem geschichtlichen Revisionismus oder gar Nationalismus, im Gegenteil: Bahr geht es um die perspektivische Neuausrichtung politischen Denkens auf die Zukunft Europas. Für sie ist jede rückwärtsgewandte Besessenheit schädlich und hinderlich – ein anachronistisches und retardierendes Moment, unfähig, die realgeschichtlichen Probleme der Gegenwart produktiv zu entwickeln.

Im gesamteuropäischen Rahmen sei es deshalb die «Bringschuld der Deutschen», ein normales Verhältnis zur Nation zu entwickeln, das Nationalbewusstsein – wie alle anderen auch, als «Normalität» zu beziehen, Abschied zu nehmen von der «Abnormalität» als Stigma schuldhafter Einzigartigkeit. Was für manche darin als Provokation liegen mag, ist nichts anderes als die Herausforderung diese Mentalität in realpolitische Vernunft zu überwinden und den Mut zu sich, zum eigenen Land zu entwickeln. Zur staatlichen Souveränität gehört die geistige Selbständigkeit – der Mut realpolitisch sachorientierten Denkens, das nur durch die nationalstaatliche Reflexion und Klärung deutscher Interessen seine autonome Selbstbestimmung wiedererlangen kann. Was konkret heißt: Beendigung der Dominanz Amerikas über die EU Außen- und Sicherheitspolitik. In diesem Sinne war Schröders Weigerung, sich durch die Bush-Administration in den Irakkrieg einbinden zu lassen, ein bedeutendes «Bahr-Zeichen» neugewonnener deutscher Souveränität.

Bahr ist damit im Zentrum seiner politischen Reflexion angelangt – dem Widerspruch von EU und NATO: Erfolgt die politische Konstruktion der Europäischen Gemeinschaft (EU) nicht zuletzt als Gegengewicht zur Vorherrschaft der USA, so untersteht sie doch andererseits: außen- und sicherheitspolitisch – ganz der US-geführten NATO und bleibt als US-Protektorat ohne jede Autonomie & Souveränität.

Die Finalität der EU, den Kontinent zu einem machtpolitisch eigenständigen Block herauszubilden, enthält in sich den Widerspruch, sich unter den Bedingungen der Weltmacht zu realisieren, gegen die sie sich formiert (USA). Ein Europa, das sich über die machtpolitische Interessendifferenz von USA und EU täuscht und dem Irrglauben an eine «transatlanische Wertegemeinschaft» anhängt, kann auch keine von den USA abgekoppelte Sicherheitspolitik betreiben, die den europäischen Raum «von Wladiwostok bis Lissabon», wie Bahr nicht müde wird, zu betonen, zu einem eigenen außenpolitisch abgesicherten Sicherheitsbereich entwickelt, im Gegenteil:

Die Osterweiterung der EU folgt dem geopolitischen Machtstreben der NATO gegen Russland, um beide – EU und NATO – deckungsgleich in die US-politische Gegnerschaft zu Russland zu verspannen. Damit wird die NATO «in letzter Konsequenz zum Gegner der gemeinsamen EU Außen- und Sicherheitspolitik» . Die Letztentscheidung der Außen- und Sicherheitspolitik liegt nicht bei der EU, sondern der US-geführten NATO, die mit der Ausdehnung gegen Russland hin ein zwischenstaatliches Vakuum als Gefahrenzone schafft, das inzwischen – mit dem Ukraine Konflikt – auch explodiert ist.

Ist «der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln», dann wird die EU auch für eine Außenpolitik in Haftung genommen, an der sie keinerlei Mitspracherecht hat. Souveränitätsverzicht der Europäer auch in Bezug auf die US-stationierten Atomwaffen in Deutschland: Auch hier liegt die Letztentscheidung über den Einsatz einzig und allein bei den USA. Wer aber Atomwaffen auf seinem Territorium stationiert, ist auch ein potentielles Angriffsziel anderer Atommächte: Der souveräne Staat sollte deshalb entweder autonom über ihren Einsatz verfügen oder ihren Abzug von seinem Territorium verfügen, da ihre Anwesenheit seine gesamte Bevölkerung dem Risiko der Totalvernichtung aussetzt. Aber die amerikanische Atomwaffen-Souveränität belastet weiterhin die Sicherheitssituation der BRD. Unter solchen Bedingungen ist eine eigenständige, den europäischen Interessen verpflichtete Außen- und Sicherheitspolitik, unmöglich; die NATO: «Konzeptionslosigkeit ohne Konzept» eine intellektuelle Zumutung, die jede Ausbildung eines kulturgeschichtlichen Gemeinschaftsbewußtsein auch noch durch die Aufnahme eines außereuropäischen Staates – der Türkei – boykottiert.

Das Defizit an nationalstaatlicher Souveränität durchzieht so die gesamte EU-Konstruktion: Mit der Einführung des Euro ist die Währungspolitik den nationalen Parlamenten entzogen und einem demokratiefreien Raum bürokratischer Herrschaft unterworfen, der sich ohne jede vorausgehende Neuordnung der Sozialsysteme und einer wirtschaftspolitischen Angleichung über fundamental divergierende Volkswirtschaften und Rechtssysteme ausdehnt, die durch den finanzpolitischen Zwang ins geopolitische Projekt ihrer gemeinsamen sicherheitspolitischen Absicherung durch die NATO genötigt werden. Der durchgängige Verlust an nationalstaatlicher Souveränität an ein transnationales Anonymat, das letztlich transatlantisch im Ungreifbaren verschwimmt, muss letztlich den Widerstand eines politischen Freiheitsbewusstseins wecken, das am Nationalstaat seine einzige Lebensgarantie hat. Mit dem Brexit beginnt die Auflösung der EU; neue Regional-Nationalismen gären; und gerade die osteuropäischen Staaten, die ihre erst kürzlich erfolgte Befreiung von der SU zu einem souveränen, selbstentscheidenden Nationalstaat feiern konnten, verspüren wenig Lust, diese nun umgehend wieder an einen neue transnationale Herrschaftsmacht EU abzugeben. Wie nun Ukraine-Konflikt und Brexit, die Opposition der Visigrad-Staaten Osteuropas und die Spannungen im Euro-Raum zeigen, hatte Bahr in weiser Voraussicht mit allem Recht.

Woraus wir lernen sollten: Politische Gemeinschaftsbildung und nationalstaatliche Souveränität sind keine Gegensätze, die sich ausschließen. Europa ruht auf den Säulen starker Nationalstaaten; sie zu schwächen oder gar aufzulösen, schwächt das Ganze und erzeugt Gegenreaktionen, die zu seinem Zusammenbruch führen. Nur durch Wahrung und Stärkung nationalstaatlicher Souveränität, nicht durch ihre Negation, kann eine politische Gemeinschaftsbildung Europas gelingen, die auch Bestand und Zukunft hat. Was sich damit wie eine politische Quadratur des Kreises ausnimmt, lässt sich nur auflösen, wenn Begriff und Selbstverständnis des «Nationalstaates» von ihren realgeschichtlichen Grundlagen her neu überdacht und geklärt werden.


Rudolf Brandner

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34 Kommentare

  1. Sorry….
    Egon Bahr….. eher ein Illusions-Politiker
    wie auch viele seiner Genossen.

  2. Bam! Ich fürchte nur, der Inhalt des Artikels ist für Pfarrerstöchter DDR-kommunistischer Sozialisierung nicht erfassbar.

  3. Sehr guter Artikel.
    Warum sollte man den Aufwand betreiben sich von der USA zu lösen wenn doch das höchste Glück unserer Politiker darin besteht uns über Verträge und „Pakte“ zum Befehlsempfänger von Jedermann zu machen. Souveränität „übertragen“.
    Das ist im Grunde ein Luxusproblem für Später, wenn man die sozialistischen Planwirtschaftler von Ihnen „bürokratische“ Herrschaft genannt, wieder durch pluralistische optimale Ergebnisfindung ersetzt hat. Bei der ab und an aufblitzenden Großmannssucht muss ich sagen, eine Armee in Händen dieser ideologischen Bürokraten, da graut es mir. – Wie übrigens wie vor dem meisten was diese produzieren.

    Es geht ja nicht nur um die Nationalstaaten. Vorrangig bestehen diese Nationen aus mehr oder minder erfolgreichen, effektiven Staaten. Die heutige Politik ruiniert die erfolgreichen Staaten.

  4. Der von jedem Kanzler unterschrieben werden muss/te. Sonst waere der gewaehlte Kanzler nicht Kanzler geworden. Wer hat/te hier das Sagen!?

  5. Schöner, hervorragend zutreffender Artikel.
    Und wer ist der Erste aus den Reihen der Linken der in soviel Worte der Vernunft und Zustandsbeschreibung hineingrätscht? Anstatt diesen Zustand und seine Erfordernisse als ersten Schritt evtl. heilend einfach anzuerkennen.

  6. Für was hat dieser Mann eigentlich gekämpft, wenn ausgerechnet eine von „Drüben“ sein nationales Vermächtnis mit Füßen tritt und seine Genossen nochmals nachtreten. Im Gegensatz zu den Nachfolgern innerhalb der Roten würde er ihnen vermutlich die Leviten lesen und alles was er in mühevoller Kleinarbeit zum Erfolg brachte, hauen sie heute mit Brachialgewalt zusammen und ihre Mitglieder fliehen vor Grausen bis sie merken, daß sie allein im Regen stehen und das kann man nur begrüßen bei dieser Truppe, die die Sozialdemokratie in ungeahnter Größe demontiert und dabei noch den Anspruch erhebt, sie würden etwas vom Geschäft verstehen, da kann man nur noch lachen oder weinen, je nachdem aus welcher Perspektive man es betrachtet.

  7. Wozu sind heute solche Reflexionen noch nützlich?
    Dieser Herr Bahr mit seiner SPD haben maßgebliche Verantwortung dafür, dass wir in einer Niedergangsgesellschaft leben. Diese International-Sozialisten haben dieses Land hinter den Point of no Return bugsiert. Siehe Prof. Bauch „Abschied von Deutschland. Eine politische Grabschrift.“
    Bahr hat mit dem mörderischen Sowjet-Kommunismus gekungelt (googeln: Bahr + KGB) und dessen deutsche Vasallen und Vollstrecker (Pick, Stofh, Ulbricht, Honecker) hofiert. Die Rechte meiner Eltern, aus Ostpreußen und Schlesien, mittels „Neuer Ostpolitik“ an Breschnjew verkauft.
    Souveränität? Nationalstaat? Wessen und für wen? Mal das lesen: https://www.bz-berlin.de/berlin/so-viele-schueler-sprechen-zu-hause-nicht-deutsch
    Das verdanken wir den Genossen – Bahr mittenmang.

  8. Herr Brandner,

    für meine Begriffe ein nicht zielführender Weg für Deutschland oder eine andere europäische Mittelmacht, den Sie bzw. Bahr da anmahnen. Ehrlicherweise muss konstatiert werden, dass es das heutige Europa ohne die USA nicht geben würde. Die Einmischung der nordamerikanischen Großmacht in die von europäischen Nationalstaaten angezettelten Weltkriege und das darauf folgende Entlassen der mithilfe der USA befriedeten „Streithähne“ (hier insbesondere die Bundesrepublik Deutschland) in eine eigenständig zu gestaltende Zukunft sucht seinesgleichen im historischen Kontext (s. z. B. die Behandlung der osteuropäischen Nationalstaaten durch die andere Großmacht). Dass die USA vor allem dank der demokratisch-kapitalistischen Gesellschaftsordnung die Supermacht dieses Globus sind wird ebenfalls geflissentlich unterschlagen. Und dass eine Supermacht seine Interessen wahrnimmt ist – wie Sie es ja auch beschreiben – als Normalität zu akzepieren. Nun fragt sich, ob die europäischen Nationalstaaten – insbesondere Deutschland – quasi in Eigenregie etwas „besseres“ (was könnte das denn sein und für wen besser ? ) auf die Beine stellen könnten ? Ich hätte da meine Zweifel und befürworte daher nach wie vor die enge Anbindung an die US-amerikanische Demokratie.

    • Dem wird hier ja gar nicht widersprochen.

    • Danke, für die Vervollständigung eines einseitigen Bildes.

    • Was Sie schreiben, Herr Hoffmeister, ist vollkommen zutreffend und ich möchte keines Ihrer Argumente in Abrede stellen. Dennoch sind die heutigen USA nicht mehr der Heilsbringer, der sie direkt nach 1945 waren. Und genauso wenig ist das heutige Russland noch die Bedrohung für Europa wie es die Sowjetunion nach dem zweiten Weltkrieg war. Wenn man sich (so ist zumindest meine persönliche Wahrnehmung) die heutige Sicht der US-Politik auf Europa, unabhängig davon, ob diese Sicht von Demokraten oder Republikanern kommt, betrachtet, so wird die EU in weiten Teilen lediglich als der „wirtschaftliche Arm der NATO“ angesehen. Dem Autor, so habe ich den Artikel verstanden, geht es um ein gewisses Maß an Emanzipation Europas von den USA, die auf ein Ablegen des Kadavergehorsams gegenüber Amerika abzielt. So sehr ich Ihre am Ende genannte enge Anbindung an die US-amerikanische Demokratie befürworte, so satt habe ich die Funktion Europas als treudoofer Pudel der USA, der zur Wahrung nationaler US-Interessen seine eigenen hintenanstellt. Zu dieser Emanzipation gehört aber auch, dass Europa nicht nur politisch, sondern auch militärisch dazu in der Lage sein muss, die Probleme vor der eigenen Haustür selbstständig zu lösen. So weit ist Europa jedoch noch nicht, was uns eindrucksvoll der Jugoslawien-Krieg Ende der 90er Jahre vor Augen geführt hat und wo Europa auf die militärischen Kapazitäten der Amerikaner angewiesen war. Es ist also für Europa noch ein großes Stück des Weges zu gehen.

    • Soweit alles korrekt, aber die „Nachkriegszeit“ atlantischer Prägung ist schon lange zu Ende und es muss unter einem neuen Paradigma „globale Wirtschaft, Erstarken des pazifischen Raumes mit China, Bevölkerungsexplosion in Afrika“ etwas Neues kommen (erarbeitet werden). Die EU sitzt da im Moment zwischen den Stühlen.

  9. ER GEHÖRT NOCH ZU JENER GENERATION, die Bodenhaftung hatte. Da gab es einen Helmut Schmidt, obwohl Sozialdemokrat realkonservativ, ein Pragmatiker, der die Interessen seines Landes gemäß seinem Amtseid an erste Stelle setzte und im In- und Ausland dafür höchstes Ansehen genoss. Da gab es einen Georg Leber, von Beruf ursprünglich Maurer, eine ehrliche Haut und innerlich immer Arbeiter geblieben. Da gab es einen Hans Apel, einen Klaus von Dohnanyi, einen Karl Schiller, alles ernstzunehmende und vielfach auch vom politischen Gegner geachtete Leute. Und wenn man sich die Luftnummern von heute ansieht: da überkommt einen als ehemaligen SPD-Wähler das kalte Grausen. Da gibt es Leute wie Miss Rolex oder Streichelzoo-Andrea (die Pferdeflüstererin), Luftpumpen Maddin oder Fischfilet-Francois.

    Am abgebobensten ist die auf Eiern laufende und über dem Boden schwebende, wohlstandsgeschädigte SPD von heute vor allem im Bereich Gender-Unsinn, den sie nach Kräften unterstützt. Die SPD von damals hatte fesche, minirocktragende Wählerinnen, die sich mit vollem Körpereinsatz für die sexuelle Befreiung stark machten. Die von heute hat miesepetrige, männerhassende und sinnenfeindlich-spießige Feminanzen, die am liebsten an den Werkbänken und überall da, wo typische Arbeiter tätig sind die obligatorischen Nacktfotos abhängen möchten. Von der Partei, die Arbeiter in der Führungsriege hatte (und daher wusste, wo diese der Schuh drückt) zu der der abgehobenen, weltfremden Moralschwafler. Die die ganze lächerliche Tugendprahler-Industrie mittragen statt diesen bourgeoisen Krampf als das zu outen was es ist: eine Kopfgeburt der müßiggängerischen Halbgebildetenschickeria. Ob Genderschwachsinn oder politisch korrekter Zwangsneurosenmüll-die SPD trägt den ganzen arbeiteruntypischen Bourgeoisiemüll mit, als ob es keine andere, dringenderen Aufgaben gäbe. Die gibt es zuhauf, von der ungelösten Rentenproblematik über die Asylkatastrophe (unter der vor allem die Schwächsten der Gesellschaft zu leiden haben), das €-Milliardengrab und die damit verbundene Nullzinspolitik, die vor allem den Druchschnittssparer trifft.

    Der einzige noch übrig gebliebene, echte SPD-ler ist Thilo Sarrazin. So wie Helmut Schmidt ist er der Meinung dass Multikulti nicht funktionieren kann. Wenn die SPD mehr auf ihn hören und sich um ihn herum gruppieren würde hätte sie vielleicht noch eine Chance. Als Moralpredigersammelbecken geht sie konsequent in Richtung 5% und weniger. Der Austritt von SPD-Urgestein Guido Reil, der mittlerweile im Bundesvorstand der AfD sitzt sollte für die SPD eine Lehre sein-sie denkt über sowas nicht mal nach. Ein Helmut Schmidt hätte besorgte Bürger (die wohl zumeist noch dazu Arbeiter sind) nicht zynisch als Pack beschimpft.

    Die SPD von heute kann man echt vergessen.

    • Es war mir ein Fest, Ihren Beitrag zu lesen, Harry Charles. Jetzt wuensche ich mir einen aehnlichen Beitrag ueber CDU und FDP 😉

      • Die FDP ignoriere ich, die sind es nicht es nicht wert, ihretwegen auch nur eine Sekunde zu verschwenden. Zur CDU und den Grünen (für mich dieselbe Bourgeoisie) wäre viel zu sagen, aber ich glaube nicht, dass man das hier freischalten würde.

    • Unter Georg Leber und Helmut Schmidt habe ich in einer funktionierenden Bundeswehr meinen Wehrdienst abgeleistet. Beide waren real konservativ. In welcher Partei würden sie wohl heuet Politik machen?

    • Helmut Schmidt war mehrfach in Bohemian Grove

      • Sie meinen aber nicht die Sichtweise von Sketch History?

    • Die Bemühungen um Heiligsprechung des Herrn Schmidt vermag ich allenfalls insoweit nachvollziehen, als die heutige Garde der Sozen ein derartiges Elend darstellt, daß er im Vergleich damit in der Tat wie ein Koloss aus längst vergangener Epoche wirkt.

    • Ein kerniger Vertreter der SPD ist auch Heinz Buschkowsky, der als Rektor einer Berliner Schule schon früh auf die mangelnde Integration aufmerksam machte und dringend alle Politiker mahnte, sich hier mehr anzustrengen.
      Seine Warnungen und Forderungen blieben weitgehend ungehört.
      Jetzt meinen sogar junge SPDler, die Partei müsste ihn rauswerfen.
      Buschkowsky gehört für mich auch zu einem Grossen der SPD, er war ein Ur-SPDler, die jetzt leider fehlen.

    • 10mal Daumen hoch ?. Dieser Matsch von wenig beeindruckenden Menschen ist in der großen Politik überflüssig. Wenn ich nur diesen Karl Lauterbach sehe…

  10. Sehr geehrter Herr Brandner,
    vielen Dank für diesen Artikel.
    Mir scheint , daß es in diesem Artikel Bezüge auf Schriften Bahrs oder Interwies gibt. Diese werden aber nicht genannt. Das ist etwas verwirrend.
    Könnten Sie da etwas Licht ins Dunkel bringen ?

    • Die gleiche Frage habe ich mir auch gestellt.
      Wobei der Verzicht auf indirekte Rede schon darauf hindeutet, dass die hier vertretenen Thesen die des Autors sind.
      So oder so, ein hervorragender Artikel.

  11. Gott sei dank haben wir die Osteuropäer in die EU aufgenommen. Sie haben einen meist gesunden Patriotismus, das nötige Misstrauen gegenüber Großmachtsphantasien der Kommission und eine realistische Einschätzung Russlands. Mit der alten kleinen EG wäre alles noch viel schlimmer.

    • So oder so in Bezug auf Russland. Ja, ich denke schon.

  12. Gewiß hätten, weder Brandt, noch Schmidt, die Ansichten des Herrn Bahr in Gänze geteilt. Einige seiner Argumente sind alt-bekannt, dennoch nicht zwingend logisch.

  13. Europa kann NICHT als Antipode der USA agieren, sondern muss mit der größten westlichen Demokratie zusammenarbeiten.

    Die größte Herausforderung ist China, aber auch die demografische Explosion des Nahen Ostens und Afrika die in einer biblischen Völkerwanderung zu münden scheint.

    • Die USA haben sich mit ihrer kleinlichen und ruecksichtslosen Ausdehnungspolitik Richtung Osteuropa total verzettelt. Sie hatten Angst vor selbst kleinstem Einfluss der Russen in Europa. Bei vernuenftigem Interessenausgleich haette es wahrscheinlich keine Krim Annexion gegeben und in Syrien haetten Amerikaner und Russen zusammenarbeiten koennen. So aber verschleissen sie ihre Kraefte zur Freude der Chinesen, der grossen Konkurrenten sowohl der Amerikaner als auch der Russen.

    • „…was jedoch durch die USA seit über 30 Jahren verhindert wird.“ Das kann man so nicht sagen. Donaald Trump selbst wollte doch eine ernstgemeinte Annäherung an und mehr echte Kooperation mit Russland. ** Ich bin zwar selbst grundsätzlich auf der Seite des Westens, denke aber auch, dass es dort viele Fehlentwicklungen gibt (die letztendlich wohl eine Form der Wohlstandsverwahrlosung sind, ich denke an Dinge wie politische Korrektheit oder Gender), die man durch mehr Hinwendung zu dem noch nicht überzivilisierten Russland besser hätte bekämpfen und der Gesellschaft damit mehr Ausgleich geben können. Russland ist noch nicht durch Überzuckerung übersäuert wie der Westen zum Teil.

    • Rußland hat ein Problem seines Selbstverständnisses und seines internationalen wirtschaftlichen Handel(n)s. Rußland besitzt keinen eisfreien Hafen für 365 Tage im Jahr. Die einzigen Wege in die seegängige Weltwirtschaft führen über Häfen im Pazifik, die Rußland bereits 1905 (Seekrieg mit Japan) nicht erreichen konnte, und über den Atlantik. Der Atlantik ist von russischen Küsten aus nur auf dem Wege Krim/Schwarzes Meer – Dardanellen/Bosporus – Mittelmeer/Gibraltar zu erreichen. Nur aus diesem Grunde gehören die Erzfeinde Griechenland und Türkei zur NATO. Russlands Ziel heißt darum von jeher Lissabon – auf dem Landweg!!! Wer das nicht erkennt, kann Russlands Politik seit Peter I. (Zar und Zimmermann/Schiffbau) nicht verstehen. Wenn der erste Russe am Atlantik an Bord eines russischen Schiffes in einem russischen Hafen geht, haben alle europäischen Verbündete – Deutschland als nützlicher Idiot vornweg – nur als Steigbügelhalter gedient, mit der Zukunft einer abgehalfterten russischen Provinz. Die Russen (der Kreml) sind im Kern asiatische Despoten. Eine Kooperation mit Rußland ist darum tödlich.

      Grüße aus Unterpannonia.

    • Russland hat aber ausser Rohstoffen nicht viel zu bieten. Oder kennen Sie irgendwelche nennenswerten russischen Industrien?
      Ich habe wirklich nichts dagegen, mit Russland sicherheitspolitisch und wirtschaftlich enger zusammenzuarbeiten, aber man sollte sich davon nicht zu viel versprechen. Die USA waren letztendlich immer ein verlässlicher und stabiler Partner und sind es auch noch unter Trump. Bei allen Unterschieden, muss man doch konstatieren, dass sich nach dem Krieg eine gemeinsame westliche Kultur herausgebildet hat. Und diese Kultur der Freiheit ist momentan sehr bedroht, durch innere und äußere Feinde. Wir befinden uns mitten in einem Kulturkampf und der Versuch der Spaltung des Westens ist ein Teil dieses Kampfes. Russland hat kein strategisches Interesse an einem Westen, der seine Strahlkraft zurückgewinnt. Alleine deshalb sollte man hier sehr vorsichtig agieren und den grassierenden Antiamerikanismus als das erkennen, was er ist: Nämlich antiwestliche Propaganda, die uns letztendlich allen schadet.

    • Ja, man muss auch über bisherige Tabus nachdenken. Vor nicht allzulanger Zeit sprach man bis Moskau gerne französisch.

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