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Die herrschende Leid-Kultur

Kunst und Kultur sind links

11.07.2018

| Lesedauer: 5 Minuten
Gibt es in einer grünen und links dominierten Republik eine freie, oppositionelle Kunst? Nein, heute ist auch die Kultur von der herrschenden politisch korrekten Leitkultur geprägt. Aufmüpfigkeit war gestern, als Kunst noch Opposition war.

„Eine festgelegte Leitkultur richtet sich nur an unmündige Menschen, die der Leitung bedürfen. Sagt Jörg Scheller in seinem ZEIT-Artikel. Und genau so ist es, deshalb brauchen wir weder Belehrungspresse noch Belehrungskunst, die uns sagen, wo der moralische Barthel den grünroten Most zu holen hat. Wir brauchen keine Leitmedien, die in ihrer einheitlichen Beurteilung von Politik und Kunst öde Felder einer medialen Monokultur beackern, deren Früchte höchstens durch eine unterschiedliche Intensität von rot, grün und violett zu unterscheiden sind.

Wenn sich also „eine festgelegte Leitkultur nur an unmündige Menschen, die der Leitung bedürfen richtet, warum nur, warum installiert die politisch korrekte Klasse dann eine Leitkultur und setzt diese rigoros durch? Gender Mainstream, Multi-Kulti-Ideologie sind solche von oben verordneten Leitkulturelemente. Und offensichtlich sieht die Kaste, die dies in der öffentlichen Meinung bestimmt, die Bürger als unmündig, als „unmündige Menschen, die der Leitung bedürfen.

Scheller weiter: „Die Erfahrung mit autoritären und totalitären Staaten hat doch gelehrt, dass der Respekt für eine solche Kultur ein Gradmesser für freie Gesellschaften ist.

Sehr richtig, so stellt sich also die Frage, wie frei unsere Gesellschaft wirklich ist, wenn nur politische Kunst existiert, die sich als links sieht. Wie frei ist unsere Gesellschaft, wenn Stände und Lesungen „rechtskonservativer Schriftsteller“ und Verlage auf der Frankfurter Buchmesse  gestört und gesprengt werden  ?

Wie frei ist unsere Gesellschaft, die von einer rigide durchgesetzten ökolinken Leitkultur geprägt ist, die von der PC-Klasse vorgegeben wird? Wie frei ist sie, wenn der Widersprechende mit Mobbing oder seiner medialen Hinrichtung rechnen muss?

Ähnlichkeiten mit der DDR sind durchaus zu betrachten. So blöd waren die DDR-Ideologen nicht: Natürlich haben sie nur solche Journalisten eingestellt, die auf Linie waren. Und die durften dann mehr oder weniger schreiben, was sie wollten, eben auf Linie. Natürlich wurden an die Künstler Preise vergeben, die der vorgegebenen Linie zumindest nicht widersprochen haben.

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Genau in dieser Situation befindet sich heute die Bundesrepublik. Erst kürzlich sollte der WELT-Autor Henryk Broder mit einem Literaturpreis ausgezeichnet werden. Der politisch korrekte linke Entrüstungssturm fuhr selbstgerecht durch die Gazetten. Broder: „Da läuft eine Kampagne gegen mich, gegen die ich mich nicht zur Wehr setzen will“. So verzichtete Broder auf den Johann-Heinrich-Voß-Preis für Literatur und Politik. Was hatte man damit bewiesen? Dass der Respekt gegenüber anderen Ansichten nur denen gilt, die auf Linie sind. Die Anderen werden gemobbt. Dabei sind die Mobber stolz auf ihre „Zivilcourage“. Auf den Mut des guten Goliath im Kampf gegen den bösen David. Wer weiß, ob dieser nicht doch eine Schleuder in der Hinterhand hat.

Es gibt übrigens eine weitere Parallele zwischen der DDR und der Bundesrepublik. Auch heute gibt es oppositionelle Medien. Dort waren die wirkungsmächtigen BRD-Medien die mediale Opposition. Heute tummelt sich die Opposition im Internet. Erste Zeichen, auch dies zu kontrollieren gibt es aber mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) des ehemaligen Justizministers Maas.

In den USA und in Deutschland gibt es den Vorwurf: Zensur bei facebook unter linkem Vorzeichen. Bei der Senatsanhörung entlockte Senator Ted Cruz dem facebook-Chef Zuckerberg die Aussage, Silicon-Valley ein „extremly left-leaning place“. Zuckerberg gab in seiner Anhörung vor dem US-Senat gegenüber Senator Ted Cruz zu, dass die meisten seiner Mitarbeiter extrem links eingestellt seien. So ist es keine Wunder, wenn vor allem „rechte“ Beiträge gelöscht und Journalisten und Künstler gesperrt werden.

Das machte sich Maas zunutze. Er lagerte die Zuständigkeit darüber, ob Inhalte rechtens seien, einfach an die „linke“ Privatfirma facebook aus und drohte ihr, falls sie nicht spurt, noch mit finanziellen Sanktionen. Im Kampf gegen rechts kommt also die Zensur von links. Selbstverständlich als Mittel im Kampf für das Gute. Die Freiheit von Meinung und Kunst ist dann plötzlich nicht mehr gefragt.

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Scheller sieht nicht den Meinungsdruck von links. Er meint, Konservative verlangten Reduktion der Förderung für vermeintliche „Fremdkörper” oder die Ächtung und Entlassung von Querdenkern in der Kunst. Aber genau das macht das grünlinke Meinungsmonopol. „Fremdkörper” und Querdenker wie Sarazzin und Tellkamp werden geächtet und mit allen Mitteln angegriffen; selbst die Verlage distanzieren sich von ihren Autoren. Wenn schon einmal eine Jury die Zivilcourage hatte, jemand wie Broder auszuzeichnen, dann wird systematisch gemobbt, bis der Gemobbte aufgibt.

Wenn in Polen, wie Scheller schreibt, die Regierung einen nationalkonservativen kulturpolitischen Kurs eingeschlagen hat, dann hat das vielleicht einen Grund. Könnte der Grund darin liegen, die Kunst nicht mehr ausschließlich linken Kräften zu überlassen?

Musealisierte Leit-Kunst

Was macht die politisch korrekte Linke, wenn nun plötzlich wie beim Echo–Preis unerwünschte Kunst vom Publikum einen Preis verliehen bekommt? Richtig man schafft den Preis einfach ab. Könnte ja noch einmal passieren, dass das Publikum das Falsche wählt. Und auch hier haben wir die Parallele zur DDR, in der Brecht sagte: Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?

Wenn Scheller schreibt „Der Philosoph John Rawls schrieb in seiner Theorie der Gerechtigkeit (1971) zutreffend: „Die Extremität der Lehren von einem übergeordneten Ziel wird oft durch die Undeutlichkeit dieses Ziels verdeckt. So hat er auch hier unfreiwillig recht. Denn das politisch korrekte grüne und linke Meinungsestablishment verfügt ja über keine einheitliche Ideologie, wie dies im Kommunismus der Fall war. Sie ist vielmehr zersplittert in eine Unzahl von Unterideologien, es eint sie nur der quasireligiöse Heiligenschein des Gutseinwollens, der Anspruch des Rechthabens und der Wille zur Macht.

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Scheller kramt in der architektonischen Vergangenheit Europas, um die Bereicherung durch fremde Kulturen zu belegen. Doch das Wesentliche fehlt in diesen Argumentationen immer. Wer sich der Welt umschaut, findet produktive und weniger produktive Kulturen, er sieht entwickelte und im Mittelalter stehen gebliebene Kulturkreise. Immer haben produktive die weniger produktiven Kulturen bereichert. Wie sollte auch eine wenig entwickelte Stammeskultur eine Hochkultur bereichern?  Auf meinen Reisen durch die Welt konnte ich die Unterschiede zwischen Hightechkulturen und mittelalterlichen Stammeskulturen in Burma oder Ghana erleben. Wer in Afrika gelebt und afrikanisches Essen zu sich genommen hat, der weiß, warum das im Gegensatz zu Asien keine Kunst und keine Bereicherung des Speiseplans ist. Die Geschichte lehrt, dass wenig entwickelte Kulturen Hochkulturen zwar kaum bereichern, aber sehr wohl zerstören können.

Scheller schreibt auch ganz richtig über verordnete Leitkultur: „Anstelle lebendiger, zivilgesellschaftlicher Kultur setzt sie auf staatlich flankierte Musealisierung und Reglementierung. Bravo, das ist genau die Situation der Kunst in Deutschland. Nachdem sie reglementierend auf die richtige, nichtrechte Gesinnung überprüft wurde, wird sie nach bestandenem Test vom Steuerzahler bezahlt und musealisiert.

Wenn Scheller schreibt, die moderne Kunst sei dynamisch und hätte einen „Hang zu Selbstbefragung und Selbstkritik, dann frage ich mich, in welchem Bild von der Kunst er gefangen ist. Die heutige Kunst ist absolut beliebig und hat sich meilenweit vom Bürger entfernt. Die Konzeptkunst hat sich in vollkommen abseitige Theorien versponnen und nichts liegt ihr ferner als Selbstkritik.

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„Doch Gesellschaften und Staaten, die sich erst dann funktionstüchtig wähnen, wenn sie möglichst ohne Spannungen und Irritationen auskommen, sind solche der Angst, der Schwäche, ja des unterentwickelten Selbstwertgefühls.“ Wie wahr. Doch die Frage ist, warum hat die ökolinke Meinungskaste ein so unterentwickeltes Selbstwertgefühl, wo sie sich doch als Rettung der Welt begreift. Es ist die Angst vor dem Verlust der Macht. Es ist die tief innen wurzelnde Angst aller Ideologen, sich getäuscht zu haben. Es ist die Angst der Hypermoralisten, dass ihnen bei ihrer autoritären Durchsetzung der „Liberalität“ die Maske vom Gesicht gerissen wird.

„Kunst und Kultur sind das, was nicht wehtut und nicht anstrengt. Nicht Kritiker, sondern Schmeichler. Nicht Sparringspartner, sondern Pflegekräfte. Nicht Hofnarren, sondern Höflinge. Das ist die Lage der Kunst heute in der p. c. Gesellschaft. Sie ist nicht Opposition zur grünen/linken Meinungsdominanz, sie ist nur noch deren Höfling.

Irgendwie kommt dann Scheller doch nicht umhin, rechtkonservative Meinungen in Verbindung mit „kritisch“, „unangepasst“ und „avantgardistisch“ in Verbindung zu bringen. Aber das sind für ihn keine neuen interessanten Sichtweisen. Die herrschende Leitkultur ist jenseits ihrer routinierten Langeweile nur noch insoweit Kunst, als sie andere zum Schweigen bringt.

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25 Kommentare

  1. Für mich war es ein Schlüsselerlebnis, als Navid Kermani anläßlich der Verleihung des Friedenspreises in der Paulskirche (2015) an ihn am Ende seiner Rede zu beten anfing – und nicht einer ist schreiend aus dem Kirchlein gegangen und keiner hat gesagt: Es reicht jetzt, Kermani. Ich sah’s mit ungläubigem Staunen.

  2. Alles Schöne und Erhabene in der Kunst soll keine Bedeutung mehr haben Gleichmacherei strebt eine linke Gesellschaftspolitik an. Doch wenn alles nivelliert und relativiert ist, bleibt Durchschnitt übrig. Und:Wenn man alle Farben miteinander mischt, kommt grau heraus!
    Mit Hilmar Hoffmans Motto seinerzeit „Kunst ist für alle da“, begann der Siegeszug der Mittelmäßigkeit. Denn nun ging auch der Bürger ans Werk. Wer es sich leisten konnte, besuchte private Kunstakademien oder die Spätberufenen strömten in die VHS. Demokratisierung der Kunst hörte sich doch total vernünftig an, schließlich sei „jeder Mensch ein Künstler“.Dass diese Einstellung der Kunst nicht immer weitergeholfen hat, ist am blühenden Kitsch und farbigen Gefühlsexplosionen jener Kunstschaffenden zu erkennen. Man hat vielfach das Gefühl, das alles irgendwie ähnlich ist, und keine individuelle Formen und Werksprache mehr zustande kommt.Klar, auch die Themen sind ähnlich, denn auch diese Kunstschaffenden vermeiden Themen die dem Mainstream nicht entsprechen. Wenn ein Kunstverein/Kunstschule z.B. öffentliche (EU-Gelder)für ein Projekt anmelden möchte, ist doch klar, welche Themen dann auch bedient werden müssen!

    In den Kunstakademien, da wo junge Talente sich entwickeln sollten, kommt vielfach nur der weiter, wer sich Themen annimmt die im links-grünen gesellschaftspolitischen Spektrum verhandelt werden. Wer sich anpasst ,bekommt die Preise für die Karriereleiter und Einladungen zu den Ausstellungen in den ganz großen Häusern.
    Dass neomarxistisches Ziele an den Kleinsten und Empfindsamsten unserer Gesellschaft „ausprobiert“ werden, erleben wir gerade in Kindergärten und Schulen wo ein Gender-Sexkundeunterricht gefordert (eingeführt)wird. Dass Kunst zu diesen Zielen zum Handlanger wird, sei hier ein Beispiel genannt: Die landauf-landab viel besungen Wander-Ausstellung MUKA. Dies ist eine Ausstellung, die nur für Kinder gedacht ist.Für erwachsene Besuchern ist der Zutritt streng verboten! Warum? Was den Augen der Kinder zugemutet wird, ist teilweise verstörend und von abstoßender Obzönität. So beginnt der Niedergang einer Kultur.

  3. …und wenn man eine rot-grüne Regierung zusammenfügt mit einem hysterischen Pseudo-Feminismus, flankiert von vorauseilendem Gehorsam gegenüber muslimischen Befindlichkeiten, dann landet man ganz schnell da:
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/streit-um-kunstfreiheit-rathaus-koepenick-haengt-nacktfotos-ab/13483788.html

    Das fiel mir ganz spontan zum Artikel von Herrn Gadamer ein.

    Ich gehe davon aus, dass nur noch ‚politisch korrekte Kunst‘ (und damit ‚links‘) im Stadtbild genehm sein dürfte.
    Erinnert sich übrigens noch jemand an die Werbeplakate von H&M in den 90ern?
    Anna-Nicole Smith lag da mit ihren prallen Rundungen auf Plakaten in jedem Verkehrskreisel.
    Das war natürlich keine ‚Kunst‘, dennoch Fotokunst.
    Man stelle sich das im Jahr 2018 vor – was für ein Skandal!

    Galt es nicht mal irgendwann als Fortschritt, dass Frauen keinen Bock mehr darauf hatten, hinter irgendwelchen Schürzen zu verschwinden?
    Wollten Frauen nicht sexy sein, sich präsentieren, sich zeigen?
    War das nicht jahrzehntelang komplett normal und vollkommen außerhalb jeder Diskussion?
    Inzwischen scheint die Deutungshoheit des ‚Feminismus‘ wieder an linksdominierte Frauen zu gehen, die zwar Männer generell ‚bäh‘ finden, aber gleichzeitig eine gewalttätige, frauenverachtende Zuwandererschaft absolut tolerieren.
    Und Kunst… Ja! Hauptsache, sie ist nicht nackt und zeigt eben nur ein allseits gefälliges, keusches und in ihrem Sinne korrektes Abbild.
    Irgendwas läuft da verkehrt.

  4. Kunst spricht für sich selbst. Ihre vornehmliche Kraft ist es Grenzen zu überbrücken, die durch Dogmen errichtet wurden. Persönlich und Gemeinschaftlich. Sie tut dies in der Regel auf eine inspirierende Art und Weise. Nicht auf eine zynisch, provozierende Art.
    Die heutige, linke Kunst ist vor allem hässlich, absurd und teuer. Teuer, um den mangelden Inhalt mit zwanghafter Wichtigtuerei zu übertünchen. Stichwort: Des Kaisers unsichtbare Kleider.

  5. Sehr guter Artikel.
    Die Leitkultur ist längst installiert. Allerdings keine nationalkapitalistische, wie zu seligen Friedenszeiten, sondern eine globalsozialistische, die gerade massenhaft Kollateralschäden im eigenen Lager produziert.

  6. Die komplette Internetkultur ist stramm „for the lulz“ bis rechts. Da ändern auch die albernen Versuche eines Böhmermanns nichts dran. Wir alle wissen „the left can’t meme.“

    Nun kann man das als im Leben stehender Mensch bewerten wie man möchte, aber so zu tun, als gäbe es keine Gegenbewegung ist falsch. 😉

  7. Die komplette Internetkultur ist stramm „for the lulz“ bis rechts. Da ändern auch die albernen Versuche eines Böhmermanns nichts dran. Wir alle wissen „the left can’t meme.“

    Nun kann man das ales im Leben stehender Mensch bewerten wie man möchte, aber so zu tun, als gäbe es keine Gegenbewegung ist falsch. 😉

  8. Danke. Auslassungen der Art, eine Leitkultur oder auch eine spezifisch deutsche Kultur seien „nicht zu definieren“, verraten eine ininnige Denkferne und glücklich erwiderte Liebe zur Oberflächlichkeit. Es geht ja um einen historisch gewachsenen Kern unzähliger miteinander verwobener Erfahrungen und Traditionen, der sich dem Kundigen sozusagen zeigt oder erweist, ohne dass man ihn „definieren“ könnte (vgl. Wittgensteins klassische Diskussion der Spiele). Genau das macht „Integration“ so schwierig; man muss (a) bereit und (b) intellektuell in der Lage sein, sich mit mehr als dem GG zu „identifizieren“, und da sieht es bekanntlich eher düster aus, ex oriente nox. Selbstverständlich wird man, um das zu verstehen, geistig präsenter und potenter sein müssen als eine Frau Öz. oder ein Herr Hab. oder irgendein aufgeplusterter ZEITgeistschreiber, typischen Produzenten obiger purgamenta mentis.

    Kurios ist es in der Tat, wenn genau diese Leute selber ein rigides Denk- und Regelsystem, welches das gesamte Leben durchdringt, zu etablieren versuchen, u.a. mit Hilfe eines immer weiter ausgebauten Sprachsicherheitsdienstes (Sprasi). Das hat nichts mehr mit reflektierter Anleitung mündiger Bürger zu tun hat, wohl aber mit intellektuellen Rindertrecks Richtung Alter Osten, und die enden im Schlachthof. Auch erinnert es an die mittels Angst vor Strafe und Hölle durchgesetzten allgegenwärtigen Zwänge radikaler Religionen, heute vor allem des Islams. Vollends grotesk wird es, wenn man in der Familie Edler von Leitseil Kant im Munde wälzt oder unter Freunden des Bürgerschweinekobens von der „Offenen Gesellschaft“ Poppers fabuliert.

  9. „Es gibt keinen redlichen rechten Schriftsteller“
    Da sorgt Zaimoglu dafür, dass vorm ersten geschriebenen Wort die Schere im Kopf allzeit bewusst ist. Wie kann auch nur ein redlich freier Satz aus einem Schriftsteller kommen, der so etwas in der Eröffnungsrede zum Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt von seinem Skript abliest.
    Bin bei den Klassikern gelandet. Kästners „Fabian“, geschrieben 1930. Im Vorwort zur Neuauflage 1950 schreibt Kästner, dass sich an seinen Beschreibungen nichts geändert hätte.
    Schlimm.

    • „Es gibt keine redlichen rechten Schriftsteller.“ Dieser Satz von Zaimoglu ist nach Stegners Muster (anlässlich der linken Gewalt bei G20 in Hamburg) konstruiert: „Es gibt keine linke Gewalt.“ Beides so verlogen wie falsch. Wahr daran ist: Redliche rechte Schriftsteller werden in Publikumsverlagen nicht mehr veröffentlicht, weil in den Verlagen Angst vor grünen und roten Hetzern herrscht, die mitunter auch ihre Schlägerbanden vor Ort schicken. Ursächlich beteiligt an dieser Entdemokratisierung von Deutschland sind linke Regierungen wie die in Kiel/SH, die einen Zaimoglu hochgepäppelt haben, und Medien gleicher Gesinnung.

  10. Die DDR hat etwas anders funktioniert: Nur wer auf Linie (der Partei) ist, der kann entsprechende Ausbildungen machen. Das fing teilweise mit dem Abitur an, die erste Bewährung für Männer war der „Ehrendienst“ in der NVA. (3 Jahre und Grenzdienst waren wichtige Stolpersteine auf dem Weg zur „Kaderschmiede“) Sie nächste große Selektion gab es bei der Studienplatzvergabe und während des Studiums. Wer also einen Abschluss
    bekommen hatte, der war auf Linie und wußte, dass und wie er dort bleiben sollte.

    Wer später im Berufsleben von der Linie abwich, wurde erst in „Gesprächen“ bearbeitet und es gab berufliche Konsequenzen wie Benachteiligungen bei Weiterbildung und Strafversetzung. Sehr selten eine Kündigung, aber im Großen und Ganzen wurde die Karriere zerstört.

    Im Großen und Ganzen nicht anders als heute. Nur das damals SED und Stasi die Fäden zogen. Deswegen scherzen heutzutage manche von „IM Erika“ … 😉

    • Aus eigener Erfahrung: Als mein Vater in den Westen „abgehauen“ war, wurde ich zum Direktor meiner Oberschule zitiert, und er eröffnete mir, daß ich mir das Studium aus den Kopf schlagen könne, wenn ich mich nicht bewähre.. Meine Frage, wie ich mich bewähren könne, wurde mir gesagt: entweder auf dem Bau oder am besten bei der NVA. Zum Vergleich: die Diplomphysikerin konnte sogar in Moskau studieren, was ein unglaubliches Privileg seinerzeit war („Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen!“), das können sich die heutigen Bürger gar nicht vorstellen; die CDU-Führung offensichtlich auch nicht. Einige scherzen wohl ganz richtig „von IM Erika“.

  11. Ich denke, es ist wesentlich, zu unterscheiden zwischen der Kultur einer Nation, eines Volkes, die sich in Jahrhunderten herausgeprägt hat, und damit zu einer ‚Leitkultur‘ geworden ist, und einer gewollten, sogenannten, ‚Leitkultur‘, die von einem Regime von oben herab verordnet wird resp. implementiert werden soll.

    Ein Beispiel für das Letztere ist die vom ‚Regime-Merkel‘ verordnete De-Industrialisierungs- und Kollektivismus-Kultur , incl. Diversitäts- und Open-Borders-Paradigmen.

  12. Ja unsere staatlich finanzierten „Kulturschaffenden“.
    Nur die „politisch korrekte“ Meinungsäusserung im Interview oder der Talkshow bringt die lohnenden Engageement und die Einladungen in die einschlägigen (ÖR-finanzierten) Galas.

  13. Angesichts der hohen Wirkkraft der Kunst auf die Gesellschaft war es für diesen Artikel höchste Zeit. Vielen Dank, Herr Gadamer!
    Ein Blitzlicht: Ich hatte das Unglück, einigen Veranstaltungen der Theaterwissenschaften in Gießen beiwohnen zu dürfen. Das Ausbildungsziel dieses Studiengangs muss darin bestehen, den Studenten den gesunden Menschenverstand zu eliminieren, ihren Kontakt mit ihren wahrhaftigen Gefühlen und Emotionen zu kappen und dafür den Frontalkortex mit hanebüchenem, verquastem, wahrhaft künstlichen Irrsinn aufzufüllen, aus dem dann in Zukunft beliebig viele, entsprechende Kunst-Werke hervorgehen können. Nach Ende des Studienganges ist ein Mensch geprägt, dem die Fähigkeit zum tiefen Selbstausdruck (sei es im künstlerischen Schaffen oder in einem persönlichen Gespräch) verunmöglicht ist. Nicht zu wissen wer man ist und was man will, scheint die höchste Form der universitär gewollten Künstlerpersönlichkeit zu sein. Den Absolventen hat sich zudem auf ihnen selbst nie verständliche, schleierhafte, nebulöse Weise eingeprägt, dass alles, was man sagt und tut irgendwie „links“ sein muss, weil „rechts“ ist irgendwie böse, lächerlich und dumm und hat mit Kunst dann wahrscheinlich nichts zu tun. Das ist das einzige, was in der Kunst wirklich sicher ist. Auf die Idee, dass Kunst nicht links oder rechts, sondern geradeaus sein muss, kann nach einem solchen Studium niemand mehr kommen. Endlich ist es nun auch soweit, dass man bescheinigen kann: Du bist ein Künstler. Und mit dem Schein ist der Zugang zur staatlich subventionierten Kunst frei; die Gesellschaft glaubt dem Schein ja auch (und hat teuer für ihn gezahlt). Der Zeitgeist scheint zu meinen: a) „Wenn ich nicht verstehe, was ich sehe, muss es doch Kunst sein“, b) „Nur der kann Künstler sein, der die Gesellschaft auch wirklich ablehnt.“ – Es kommt mir vor wie eine Art Kunst-Trauma, in dem wir uns befinden.

  14. Linke Kultur…na klar…Nationaler- Roter- Grüner Sozialismus, Kommunismus, der große Sprung, RAF, CO2-Kernkraft Verteufelung, Markt- und Kapital Verteufelung, Bevormundung, Moral, Sozial, Gleichschritt, Einfalt statt Vielfalt, Marx, Engels usw.

  15. Guter Artikel. Unsere Gesellschaft wird wirklich seit Jahrzehnten zur unfruchtbaren Monokultur umgeformt. In „genehme“ Individuen und solchen, denen man ohne Reue „den Hahn abdrehen“ kann.
    Statt echter Vielfalt und damit Entwicklung und Kurskorrekturmöglichkeiten , wird nur der eigene alte Käse immer wieder wiederholt und die eigene gemütliche Wahrnehmungsblase verbissen verteidigt.

    Mir drängt sich die Ähnlichkeit mit einer gewissen „Religion“ auf, die das Individuum auch derart kontrolliert und es rabiat an seiner Entwicklung hindert.

    Bisher war der Westen doch so stolz auf die Entwicklungsmöglichkeiten des Einzelnen. Das linke Bevormundungsmaschinerie scheint mir mit seinem schmalen Meinungskorridor eher in Richtung Heringsschwarm zu gehen. Fragen Sie mal jemanden zu einem beliebigen Thema. Da kommen in den meisten Fällen vom Mainstream verabreichte Allgemeinplätze. Sehr schade.

  16. Bald werden Arbeitnehmer wie in der DDR leben mit einem kleinem Unterschied. In der DDR musste Jeder arbeiten, hier lohnt sich die Arbeit für viele nicht. Wie lange kann das gut gehen kann?

  17. Das sind schon schlimme Zeiten, durch die vor allem Deutschland aktuell wieder geht. Ich hätte nicht gedacht, dass ich so etwas erleben müsste… In meiner Gedankenwelt war „das Schlimmste“ bereits geschehen und nur in den Geschichtsbüchern nachzulesen.

    Als Jugendlicher hatte ich – ganz freiwillig und nicht im Rahmen schulischer Pflichten – Orwells „1984“ gelesen. Schaurig… und doch irgendwie „fern“… irgendwie unvorstellbar.

    Seit ca. 3 Jahren denke ich anders darüber. Es mag in Deutschland noch nicht so extrem sein, wie Orwell es sich vorgestellt hat (allerdings hatte er wohl mit dem Stalinismus der Sowjetunion die grds. passende historische Vorlage), aber im Wesenskern sind wir fast schon soweit: Die Menschen sind vorsichtig geworden, trauen sich nicht mehr ungeschminkt und spontan ihre Meinung zu äußern, vor allem nicht öffentlich oder gegenüber Medienvertretern. In „1984“ achtet der Protagonist Smith darauf stets einen „freundlich-optimistischen Gesichtsausdruck“ zur Schau zu stellen, um sich bloß nicht als Systemkritiker verdächtig zu machen.

    Bei mir persönlich hat der „gefühlte Maulkorb“ allen Ernstes dazu geführt, dass ich die „Erklärung 2018“ nur im ersten Anlauf noch mitunterzeichnet habe. Später sollte ich das auf einem Server des Bundestags wiederholen. Wie sicher konnte ich mir sein, dass nicht irgendein Angestellter des Bundestages diese Liste mit vollständigen Namen und Adressen „irrtümlich“ an die Schlägertrupps der Antifa weiterleitet?

    Mich können sie gerne anschreien, mit Farbe / Altöl beschmieren oder Schlimmeres! So ganz „kostenlos“ wird das Vergnügen für die Herrschaften nicht werden. Aber wie soll ich meine Kinder vor solchem Terror schützen? Vor Menschen mit viel staatlich bezahlter Tagesfreizeit, während ich fern der Familie arbeiten gehe?

    Ich habe beim zweiten Mal nicht unterzeichnet…. So müssen sich Menschen in einer Diktatur fühlen…. Und ich bin mir sicher: Genau das ist gewollt!!!!

    • Ich habe Orwell im Laufe meines Lebens mehrere Male gelesen. Und auch Fahrenheit 451. Weder Bradbury noch Orwell konnten sich freilich vorstellen, dass dieses totalitäre Gedankengut (das immer mit Sozialismus verknüpft ist) auch ohne körperliche Gewalt und sogar in einer Demokratie möglich ist. Wenn man die subtile Propaganda in ARD/ZDF sieht, die kaum jemanden auffällt, der nur diese Quellen nutzt. Wenn man die Gleichschaltung der Medien sieht ohne Lenkung von oben sondern durch Übernahme der Redaktionen durch Linksgrün. Wenn man die Zustimmung des gemeinen Volkes zu Zensur, Denunziation und Diskreditierung anders Denkender sieht samt Rechtsbruch (es ist ja für die „Guten“), Dann erschauert mich die Wirklichkeit mehr als bei „1984“.

    • Unsere Gedanken sind deckungsgleich. Vorsichtig sein, nichts über Minderheiten sagen, seien diese noch so unverschämt, dass gehört nun zum Deutschland der Tugendwächter. Allerdings sind die Minderheiten nicht so zimperlich und nutzen die Schwäche der Schweigenden schamlos aus.

    • Werter mein Herz schlug links, ich kann ihren Zweispalt nachvollziehen.
      Auf der einen Seite Mut zu zeigen ,seine Meinung auch öffentlich kund zu tun.
      Und gleichzeitig zu erkennen,daß es in einer grün-linken Belehrungsideologie keinen Sinn macht, sich Anfeindungen von verbohrten Moralisten auszusetzen.
      Niemandsagt dafür Dankeschön ,oder verleiht einen Orden.

  18. Kunst und Kultur benötigen freie Luft zum Leben. Ohne Freiheit in Gedanken, Worten und Taten werden Kunst und Kultur auf den Nullpunkt gebracht. Unserem Autor sei gedankt für diese lesenswerte Beschreibung der Verwandlung von Kunst in Korrektheit und Kultur in Beliebigkeit. Keine Achtung vor Wertvollem. Alles wird austauschbar und korrekt vereinheitlicht. Der links-grüne Sumpf ist immer und überall. Man könnte damit leben, wenn nicht dieser imperiale Gestus wäre, Andersdenkende und Andersschaffende zu dominieren und sie letztendlich zum Schweigen zu bringen. Der Vergleich mit der DDR ist sinnvoll, wenngleich die totalitären Vorgehensweisen in unserem Merkel-Land Methoden anwendet, die feiner und geschliffener sind, dabei gleichwohl auf den Antifa-Mob nicht verzichten können. Die von Gadamer aufgeführten Beispiele der Unterdrückung nach der Marke „Gutes Gewissen“ sprechen die Aufforderung zum Widerstand gegen den Verlust unserer künstlerischen und kulturellen Bestände.

  19. Wess Brot ich ess‘, des Lied ich sing und das Fressen kommt vor der Moral.

    Für keine Kohorte gilt das mehr, als für linke Staatskultur- und Staatmedienschaffende.

  20. „Doch die Frage ist, warum hat die ökolinke Meinungskaste ein so unterentwickeltes Selbstwertgefühl, wo sie sich doch als Rettung der Welt begreift. Es ist die Angst vor dem Verlust der Macht. Es ist die tief innen wurzelnde Angst aller Ideologen, sich getäuscht zu haben. Es ist die Angst der Hypermoralisten, dass ihnen bei ihrer autoritären Durchsetzung der „Liberalität“ die Maske vom Gesicht gerissen wird.“
    Bravo, Herr Gadamer!

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