Die zeitgenössische Taktik für das Erlangen von ultimativem Beifall ist das Anpreisen seiner eigenen Tugend in der Öffentlichkeit. Man sagt populäre Dinge wie „Donald Trump ist ein Monster“ oder „Hatespeech muss verboten werden“ und das Applausometer schlägt aus wie bei einem Justin Bieber-Konzert. Virtue Signalling, zu Deutsch „Tugend signalisieren“, heisst der moderne Begriff für die Höherstellung seiner eigenen moralischen Werte, mit dem Ziel, seinen gesellschaftlichen Status aufzuwerten.
Den typischen Hollywoodstar kann man sich heute ohne Virtue Signalling kaum mehr vorstellen: George Clooney, Meryl Streep, Robert de Niro, die „Guten“ setzen ihre Verachtung für den bösen Trump bei jeder Gelegenheit dramatisch in Szene, und werden dafür mit dem ersehnten Beifall belohnt. Der Oscar für die „beste Moral“ geht wohl aber an die Moderatorin einer Talkshow auf MSNBC: Als vor etwa zwei Jahren ein Diskussionsteilnehmer den Begriff „Hard worker'“ verwendete, mahnte sie ihn vor laufender Kamera, man müsse „besonders vorsichtig“ sein mit dem Ausdruck. Sie habe ein Bild von Leuten, die auf Baumwollfeldern arbeiten, in ihrem Büro. Das sei eine Erinnerung, was harte Arbeit wirklich ist. Und „arbeitende Mütter ohne Krankenversicherung“ würde man ja auch nicht „Hard worker“ nennen.
Vergangene Woche dann ein klassisches Virtue Signalling im Deutschen Privatfernsehen ProSieben. „Taff“-Moderator Thore Schölermann fühlte sich berufen, dem Publikum kurz vor der Bundestagswahl seine persönliche Empfehlung abzugeben: „Leute, geht wählen – nur nicht die AfD“, forderte der 32-jährige seine Zuschauer auf – immerhin 720.000 Menschen (Ø-Reichweite pro Folge, Quelle: Quotenmeter.de). Die Äusserung hatte er nicht mit dem Sender abgesprochen.
„Ein grober Schnitzer für einen eigentlich objektiven TV-Mann“, urteilte Focus.de. Eine ganz so unbedachte Äusserung war es vermutlich nicht gewesen – vom journalistischen Neutralitätsprinzip dürfte auch Schölermann schon gehört haben – eher der wohlkalkulierte Ausdruck von eben jener Tugendhaftigkeit; für die Aussage, die er später auf Facebook wiederholte, gab es jede Menge Publicity und über 30.000 Likes. Das sind ziemlich viele Likes für jemanden, der seine Job-Plattform missbraucht und sich ungefragt ein moralisches Urteil anmasst, mit einer Selbstgefälligkeit, die wohl von einem Prominentenstatus getragen wird.
Als News-Moderatorin hatte ich mir einmal eine ähnliche, wenn auch nicht so folgenschwere Anwandlung von Hochmut erlaubt, als ich aufgrund einer verlorenen Wette den Begriff „scharfe Schnitzelstreifen“ in meine Abmoderation einbaute – von den Zuschauern war es kaum bemerkt worden, ich fing dafür aber zurecht eine Rüge des Chefredaktors ein. Auch Schölermann wurde vom Sender gerügt und entschuldigte sich für seine „verlorene Neutralität“ – ganz nach Promi-Art – wenig später in den sozialen Medien, die sind ja so etwas wie der moderne virtuelle Rechtfertigungs-Joker geworden für gebauten Mist im realen Leben. Weil ein Zuschauer Klage gegen den populären Moderator eingereicht hat, ermittelt jetzt die Medienanstalt Berlin-Brandenburg. Dort heisst es, man könne grundsätzlich sagen, dass „Aussagen eines Moderators im Rahmen eines Lifestyle-Magazins unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen“.
Selbstverständlich fallen solche Äusserungen unter die Meinungsfreiheit, und das ist auch gut so. Ein Moderator darf sich natürlich gegen die AfD aussprechen. Oder gegen die SPD, für den Klimawandel und gegen den Kauf von „Braun“-Doppelschlitztoastern. Er darf sein Mitteilungsbedürfnis ungezügelt von der Leine lassen – auf privater Basis oder in einem dafür vorgesehenen, angemessenen Rahmen. Wie die Berliner Zeitung schreibt, haben die Privatsender diesbezüglich strenge Vorgaben: „Sowohl die RTL-Gruppe wie auch die ProSieben-Sat1-Gruppe verbieten aus Gründen der journalistischen Unabhängigkeit alle öffentlichen und parteipolitischen Engagements ihrer Moderatoren“. Indem Schölermann als Journalist sein eigenes Boulevard-Magazin benützt zur Verbreitung von persönlicher Politpropaganda, verstösst er nicht nur gegen die Regeln und entwertet seine eigene Glaubwürdigkeit, er schadet unserer ganzen Branche. Warum wohl begegnen die Leute den Medien zunehmend mit Misstrauen? Beschweren sich über „Lügenpresse“ und über eine Berichterstattung, wo Voreingenommenheit Neutralität immer mehr verdrängt?
Das Publikum, wir haben es bei der Trump-Wahl gesehen, reagiert heute sensitiv, wenn es von Prominenten gesagt bekommt, wen es zu wählen hat und wen nicht. Und je mehr alle zusammen einen einzelnen dämonisieren, wie es derzeit in Deutschland Medien, Prominente und Politiker mit der AfD tun, umso mehr tendieren Sympathien unbewusst zu dem Aussenseiter, das nennt sich „Underdog-Effekt“. In einem SPON-Artikel von 2007, der sich mit Underdog-Forschung befasst, wird beschrieben, wie sich die Sympathien für eine von zwei Parteien mit Leichtigkeit manipulieren lassen – selbst, wenn es um ein ernstes Thema geht. „Die Unterstützung nimmt zu, wenn jemand oder etwas als seinem Widersacher gegenüber benachteiligt dargestellt wird“, so der Psychologe Joseph Vandell. Anhand von Experimenten mit Sportmannschaften hat er laut SPON herausgefunden, dass Leute vermeintlichen Favoriten zwar grössere Fähigkeiten zugestehen, den Aussenseitern aber mehr Anstrengung und „Herz“ attestieren.
Natürlich sind Sportteams nicht direkt vergleichbar mit Parteien, aber das Prinzip bleibt ähnlich. Die Gruppen-Bemühungen gegen den Underdog scheinen dermaßen Over the top, dass es sich eher kontraproduktiv auswirkt: Laut einer INSA-Umfrage vom 18.9.2017 liegt die AfD bei 11 Prozent.
Schölermanns Fans mögen ihn für seine Äußerung feiern. Ob sie sich langfristig auszahlt, bleibt offen. Denn im Zuge seiner Tugend-Signalisierung hat er etwas Wesentliches vergessen: Die von ihm abgelehnte Partei wird auch von Bürgern gewählt, die als Teil des Publikums mitverantwortlich sind für den Erfolg seiner Arbeitgeber „Taff“, „Verbotene Liebe“, „The Voice of Germany“ und „The Voice Kids“. Sich mit seiner Meinung etwas zurückzuhalten, kann eben auch eine Tugend sein.
Eine kurze Version des Beitrags erschien zuerst in der Basler Zeitung.
Virtue signalling heißt zwar übersetzt Tugend signalisieren, doch dieser Ausdruck kommt einfach zu positiv rüber, verglichen mit dem Englischen. „Signalling“ heißt ja auch „blinken“, also das ständige Wiederholen des Gleichen, um nicht übersehen zu werden. Ich finde den Ausdruck „Moralpose“ aus einem anderen Blog, also die inhaltsleere Zurschaustellung der eigenen Moralität, wesentlich treffender.
Virtue signalling heißt zwar übersetzt Tugend signalisieren, doch dieser Ausdruck kommt einfach zu positiv rüber, verglichen mit dem Englischen. „Signalling“ heißt ja auch „blinken“, also das ständige Wiederholen des Gleichen, um nicht übersehen zu werden. Ich finde den Ausdruck „Moralpose“ aus einem anderen Blog, also die inhaltsleere Zurschaustellung der eigenen Moralität, wesentlich treffender.
ich kenne diese kleingeistige Witzfigur nicht, DAS HAUPTPROBLEM dieser msm Zombies stellt sich aber folgendermassen dar:
aufgrund ihres „Erfolges“ meinen diese Kasper, dass sie besonders schlau seien. Ihre fans ebenfalls.
Tatsächlich sind sie aber aufgrund ihrer Dummheit eingestellt worden (es gibt ja unendlich viele mit gleichen Qualifikationen & Qualitäten) da sie als nützliche Idioten missbraucht werden sollen, diese das aber nicht merken dürfen! Genau, sogar dafür zu dumm, zu merken, missbraucht zu werden…
Üppige Bezahlung & der „star“-status tun das Übrige.
Alles Gute nachträglich und Respekt vor Ihrer Lebensleistung.
Die eher unbekannte Schauspielerin Silvana Heißenberg bekannte sich zwar nicht offen zur AFD, wagte es aber, die Politik Merkels öffentlich zu kritisieren. Konsequenz daraus: RTL und Sat1 kündigten die Zusammenarbeit mit ihr auf. Im NDR bezeichnete man sie als die „falsche Frau der Woche“ und es folgte der übliche Shitstorm mit den bekannten Diffamierungen.
Ich hoffe, der gemeine Bürger merkt sich, wie sich diese Personen in Zeiten der Umwerfungen benommen haben, und behandeln sie dementsprechend, wenn der Wind sich final dreht…
Dank zurück für´s Danke, hab mir auch aber auch Mühe gegeben 🙂 Vor 2 Jahren wär mir sowas noch nicht rausgeflutscht. Wie sich die Zeiten so schnell ändern können……vielleicht muss ich mal zum Doc – Reizüberflutung 😉
Ein sehr guter Kommentar Frau Wernli. Anstatt die Schwadroneure ,egal welcher Partei, mit klaren Fragen und deren klarer Beantwortung zu stellen, tumbes Draufhauen. Dümmer geht nimmer.
Ich glaub auch, dass der letzte Teil ihres Kommentars daneben ging. AfD-Wähler schauen so einen Quatsch eher nicht.
Jetzt kommt auf, wer die letzten 8 Jahre die Regierung gestellt hat – die AFD…….
Wieviel Geld man da verdienen kann, wissen wir ja seit neuesten und wenn man sich dann noch zur Quotennutte machen lässt und sich bis zum Intendanten hochgebummst hat, steht nach 10 Jahren harter Arbeit einem gesicherten sechsstelligen Renteneinkommen nix mehr im Weg.
Aber bitte,man kann doch von C-Promis wie diesem Moderator, oder einer U.Glas, keine Intelligenz erwarten.
Cloony hat ja wohl nach den Anschlägen in England Grossbritanien verlassen und ist nun mit seiner Familie wieder in den USA (trotz Trump).
Ich las, dass unsere edlen ach so anständigen Clooneys 1 Mio. Dollar an die linke Soros Organisation Souther Paverty Law spendeten. Eine Organisation, die u.a. eine Liste gegen Islamkritiker und Andersdenkende erstellt hat. In der Liste auch Ayaan Hirsi Ali !!! Unfassbar, diese verlogenen Heuchler.
Ich hoffe, Sie bleiben TE erhalten. Allein schon wegen ihres glaubwürdigen (leichten) schweizerischen Akzents. Ich bin ja Fan von 10 vor 10.
Riefenstahl, Rühmann, Albers, Rökk, Gründgens, George, Schmeling – die Liste der Vorbilder der heute Medienschaffenden ist lang. Nur die Motive sind noch hehrer. Ich frage mich wo sind heute die Langs und Dietrichs, die sich nicht zum persönlichen Vorteil vor den Karren spannen lassen?
Max Schmeling gehört nun wirklich nicht in Ihre Aufzählung.
„In der Reichskristallnacht 1938 versteckte er zwei jüdische Jugendliche in einem Hotelzimmer, in das er sich eingemietet hatte.
Dem Wiener Schwergewichtsboxer Heinz Lazek, dessen jüdische Freundin ein Kind erwartete, half Schmeling, indem er bei den Nazioberen vorsprach. Statt wegen Rassenschande weggesperrt zu werden, kam die Frau frei und Lazek wurde zur Wehrmacht eingezogen.
Schmeling selbst hat derlei Hilfsaktionen nie öffentlich gemacht. Er wollte nicht, dass man darüber spricht. „Wo ich kann, stelle ich mich eben vor Schwache, Unterdrückte und Verfolgte. Aber die Nazis haben mich nicht für sich vereinnahmen können, und dann sollten das die Juden jetzt auch nicht tun“, begründete er gegenüber einem Freund einmal, warum er nicht von der jüdischen Raul-Wallenberg-Stiftung geehrt werden wollte.“
http://www.spiegel.de/jahreschronik/a-389234.html
Erst denken, dann diffamieren.
Also, Hans Albers hatte eine jüdische Frau Hansi Burg. Goebbels verlangte die Scheidung aber Albers widersetzte sich. Arbeiten wurde für ihn zunehmend schwierig und Hansi Burg flüchtete für ihren Mann 1939 alleine nach London. Nach dem Krieg fanden sie wieder zusammen. Bei Rühmann, Rökk und Heesters gebe ich Ihnen recht.
… die Intendanten der ÖR Sendeanstalten wird man unter der Kritikern wohl eher nicht finden…
Hatespeech ist laut obersten Verfassungsrichtern in den USA durchaus zur freien Meinungsäußerung zuzuordnen.
Ich persönlich verstehe, wenn ich jemanden beleidige oder wenn ich aufrude zum Mord, dass dies auch bestraft werden kann und sollte, aber dass man mir verbietet zu sagen, wen ich hasse (ob den Klavierlehrer oder den nervigen Nachbarn) oder bloß sogar nur eine Religion (was ja nicht mal eine Person direkt beleidgt) ist für mich ehrlich schon ein klares Gesinnungsverbot.
Es ist grausam zu sehen, wie applaudierend die Meinungsfreiheit zu Grabe getragen wird.
(und im Übrigen: Donald Trump ist ein Monster ist beinahe eine Entmenschlichung, das ist eher Hatespeech als alles wofür man sonst heutzutage „moderiert“ wird).