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Die alternativen Fakten der Armutsforscher

Angeblich gibt es in Deutschland mehr Arme als in Tschechien

03.03.2017

| Lesedauer: 2 Minuten
Die Armutsgefährdungsquote, als "Armutsquote" politisch missbraucht, liefert denen Material, die aus egoistischen Gründen an möglichst vielen "Armen" interessiert sind: Je mehr "Arme", umso sicherer die Arbeitsplätze in der Armutsindustrie.

Wer sich über „Fake News“ oder „Alternative Fakten“ echauffieren möchte, braucht nicht auf Donald Trump zu zeigen. Bei uns liefert die deutsche Sozialindustrie jedes Jahr angebliche Daten, die mit der Wirklichkeit so gut wie nichts zu tun haben. Allen voran der Paritätische Wohlfahrtsverband mit dem Politiker der Partei Die Linke Ulrich Schneider als „Mastermind“. Jetzt hat er wieder zugeschlagen: Angeblich waren in Deutschland im Jahr 2015 15,7 Prozent der Menschen „arm“, mehr als jemals zuvor.

Gut für Schneider und sein Geschäftsmodell: Der linke Flügel der Sozialdemokraten, Teile der Grünen und Schneiders eigene Partei stürzen sich begierig auf die angebliche Hiobsbotschaft. Auch große Teile der Medien jubeln geradezu. Spiegel online meldete: „Neuer Höchststand – Deutschland wird flächendeckend ärmer“. Nun ja: Wer den SPD-Kanzlerkandidaten als „Sankt Martin“ hochjubelt, findet es naturgemäß gut, dass Deutschland auf einen wie Martin Schulz geradezu angewiesen zu sein scheint

Natürlich gibt es in Deutschland Armut. Nur: Was die Armutsforscher messen, zeigt vieles – aber nicht das Ausmaß an Armut. Die Armutsquote ist „Fake News“ par excellence – und zwar aus folgenden Gründen:

1. Die Armutsquote zeigt lediglich die Armutsgefährdung an.

Gemessen wird, wie viele Menschen über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens verfügen. Dieses Konzept unterstellt, dass Menschen in dieser Einkommenskategorie in Armut geraten könnten. Deshalb sprechen seriöse Wissenschaftler auch von der Armut-Gefährdungs-Quote. Aber Armutsquote klingt halt populistischer – linkspopulistischer.

2. Die Armutsquote misst nicht Armut, sondern Ungleichheit.

Würden hierzulande alle Einkommen verdoppelt – Hartz IV-Sätze wie Arbeitnehmerbezüge und Manager-Gehälter – hätten alle Deutschen doppelt so viel Geld wie heute. Nur: Auch dann würde der Linke-Genosse Schneider über eine „Armutsquote“ von 15,7 Prozent klagen. Ja, ist denn schon wieder Fassenacht? Für manchen offenbar schon.

3. Unsinn mit Methode.

Als arm gilt, wer 2015 als Single im Monat weniger als 917 Euro zur Verfügung hatte; bei einer Familie mit zwei Kindern waren es – je nach Alter der Kinder – zwischen 1.978 und 2.355 Euro netto. Was dabei völlig unter den Tisch fällt: Mit 917 Euro im Monat kommt jemand in München oder Frankfurt nicht über die Runden, auf dem flachen Land aber schon. Noch so eine Ungereimtheit: Von den 2,8 Millionen Studierenden haben die meisten weniger als 917 Euro im Monat. Alles Arme?

4. Die Armutsforscher machen uns bewusst arm.

Wie fragwürdig die Methode zur Messung von „Armut“ ist, zeigt der internationale Vergleich. Demnach gibt es in Tschechien, Slowenien, in der Slowakei oder auf Malta weniger Arme als im wohlhabenden Deutschland. Glauben das die Akteure und Profiteure der Sozialindustrie wirklich? Offenbar sehen die Deutschen, die nicht auf der Sonnenseite stehen, das anders. Jedenfalls gibt es keinerlei Hinweise auf Abwanderung in die erwähnten ehemaligen Ostblockländer. Ja, es gibt auch Arme bei uns. Aber sie sind nicht so dumm, wie die Arbeitsbeschwörer uns weismachen wollen; sie bleiben lieber hier in unserem Sozialstaat.

Fazit: Die Armutsgefährdungsquote, als „Armutsquote“ politisch missbraucht, liefert denen Material, die dieses Land gerne als Jammertal darstellen und aus egoistischen Gründen an möglichst vielen „Armen“ interessiert sind: Je mehr „Arme“, umso sicherer die Arbeitsplätze in der Armutsindustrie. Da fällt einem der Satz des früheren Deutsche-Bank-Vorstands Hermann-Josef Abs über den betrunkenen Seemann und die Straßenlaterne ein: Der brauche diese nicht zur Erleuchtung, sondern zum Festhalten. Für Ulrich Schneider ist die „Armutsquote“ ein fester Halt. Nur den tatsächlich Armen hilft das nicht.

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15 Kommentare

  1. Sie haben auch recht, aber Daniela bringt es auch auf den Punkt. Die bürgerliche Mitte fühlt sich politisch heimatlos. Zu spät begriffen, dass eine doch so in aller Welt beliebte AM so un-christlich handelt. Die Naivität – einem Scheinheiligen zu folgen, ist allerdings ebenfalls unbegreiflich. Dummheit, die Wurzel allen Übels. Alles Gute!

  2. Birte, ich beglückwünsche Sie, dass Sie sich so für ältere Mitmenschen engagieren. Das ist der größte Vorwurf, den ich unserem Polit-Personal mache. Dass seit gefühlten 20 Jahren sie uns nicht nur schleichend enteingnen, sondern mit unserem mühsam Erarbeiteten andere Völker unterstützen und wir zunehmend in Altersarmut dahinvegetieren müssen. Es gibt kaum noch ein Ort, wo keine Tafel etabliert ist. Diese Kanzlerin ist zynisch, handelt verwerflich und nimmt uns auch noch die Würde. Und so etwas hat auf die Bibel geschworen, dem Volk zu dienen.
    Weiterhin viel Kraft und Durchhaltevermögen!

  3. Der Kern der sozialen Marktwirtschaft waren einmal regelmäßige reale Lohnsteigerungen!
    Das Lohndumping der Agenda 2010 Politik zerstört die Eurozone.
    Somit muss Deutschland zu seiner sozialen Marktwirtschaft wieder zurück finden, damit die EU/Eurozone eine Zukunft haben können.

  4. Lieber Herr Müller-Vogg. Danke für Ihren Bericht, der leider zutrifft. Das Zitat von Josef Abs ist leider auch zutreffend. Zutreffend ist aber auch, dass während der vergangenen 20 Jahre die Leistungsanforderungen an die Bevölkerung stetig zu- und gleichzeitig eine zunehmende, schleichende Enteignung stattgefunden hat.
    Diese empfundene Ungerechtigkeit sitzt tief und wird nicht verbessert durch wachsende Armut mit zunehmendem Alter. Allerdings, um dies zu erkennen, brauchen wir weder Statistiken noch gar eine Armutsindustrie. Der Forist „hasenfurz“ hat u. a. auf Joschka Fischer hingewiesen, der seinerzeit gesagt habe „Hauptsache die Deutschen haben das Geld nicht, dann ist die Welt gerettet“.
    Sie, Herr Müller-Vogg, werden diese Anfangsträumereien der linksgrünen Paradiesvögel auch nicht vergessen haben. Wer hätte denn damals geahnt, dass diese Absurditäten Realität werden könnten. Und ich erinnere mich an ein Wandplakat von der IG-Metall unter Oskar Vetter, das die 36-Stundenwoche propagierte. Unvorstellbar damals. Und jetzt noch die Deutschen-Gutmenschen, die regelrecht eine Asylindustrie entwickelt haben für „Menschengeschenke“, die wir von unserem Erarbeiteten bezahlen müssen. Kein Wunder also, dass die, über uns wie ein böser Traum gekommene Ohnmacht, uns zu Wutbürgern werden lässt und politische Alternativen zu suchen gezwungen sind, weil denkende Menschen zu politischen Heimatlosen wurden. Dass AM noch immer die uns zustehenden Mittel verteilen kann, ohne zurücktreten zu müssen, ist von den konservativen Parteien CDU/CSU + FDP absolut unverständlich. Dennoch Danke für den klaren Bericht. Alles Gute.

  5. Herr Müller-Vogg im Absatz 3 schreiben Sie : Von den 2,8 Millionen Studierenden haben die meisten weniger als 917 Euro im Monat.
    Sie schreiben von Studierenden, früher hiess es Studenten, später Studentinnen und Studenten, bei den Grünen dann StudentInnen. Politisch korrekt lautet die neueste Form Studierende (analog: es heisst nicht mehr Flüchtlinge sondern Flüchtende). Meine Frage, haben Sie das unbewusst übernommen oder ist das nur als Ironie oder Sarkasmus zu sehen?

  6. Lieber Herr Müller-Vogg,
    die reale Armut in Deutschland ist m.E. sogar höher, wird aber nicht wahrgenommen, weil es den unteren Mittelstand betrifft.
    Die Sozialindustrie kümmert sich bevorzugt um Hartz 4-Empfänger und Migranten.
    Entscheidend ist doch das Verhältnis zwischen Einkommen und den Lebenshaltungskosten (ohne Luxus) und einer dem Einkommen angemessener
    Anzahl von Kindern und Ehefrauen.

    Bürger des unteren Mittelstandes bekommen keine Zuwendungen, wie Wohngeld
    oder GEZ-Befreiung. Auch bei der GKV, die auch noch immer mit Bruttoeinkommen rechnet, zahlen diese Bürger Zusatzbeiträge, Zuzahlungen und bekommen weniger Leistungen, als ein Hartz4 Empfänger oder anerkannte Flüchtlinge.
    Die u n s i c h t b a r e A r m u t betrifft den gesamten unteren, bis zum
    bürgerlichen Mittelstand, die mangels irgeneiner Lobby, weiter „ausgesaugt“
    werden.
    Dazu kommt auch noch, dass die bürgerliche Mitte politisch nicht mehr vertreten
    ist.

  7. der Armutsbericht kommt immer Irgendwem „ungelegen“; am meisten CDUSPDFDPGRÜNE, einigen Wirtschaftslobbyisten und natürlich auch der
    Meinungsfreiheit…

  8. das sind eben nebenwirkungen von immer mehr NGO’s, hilfs/umwelt/flüchtlings/menschenrechts/tierrechts …. – organisationen. die gieren alle nach aufmerksamkeit. aufmerksamkeit ist in diesem geschäft bare münze – auch wenn dafür immer mehr gelogen werden muss. kaum ein tag, indem nicht amnesty irgendwas zu meckern hat – nur um in den medien präsent zu sein. das steigert wiederum die spendeneinnahmen. meckern ja – lösungen nein. in vielen solcher organisationen oder besser gesagt „firmen“ wird übrigens im managment sehr üppig verdient….

  9. Mein Vorschlag:

    Der deutsche Armutsbericht sollte in Afghanistan, Irak, Somalia, Eritrea, Malawi, Mali, Gambia, Guinea, Sudan, Zentralafrika, Nigeria, Niger, Elfenbeinküste, Angola, Burundi, Ruanda,Tansania, Zimbabwe, Äthiopien, Angola, Mosambik, Ägypten, Tunesien, Algerien, Marokko, ……. veröffentlicht werden.

    Ich bin mir sicher, dass die verheerenden Zustände in Deutschland und unser grauenhaftes Sozialsystem abschreckend genug wäre die dortigen Fluchtursachen zu beseitigen.

  10. Herr Müller-Vogg, mich würde mal interessieren, was Sie schreiben würden, wenn sie mit 917 Euro im Monat auskommen müssten.
    Ihre „Landromantik“ ist doch etwas realitätsfern.

    Übrigens, auf meiner Uni waren seinerzeit fast alle Studenten, finanziell gesehen, „arm“.

  11. Die realen Löhne sind in Deutschland seit den 90 er Jahren kaum noch gestiegen.
    Selbst der neoklassische Ökonom Marcel Fratzscher beklagt als Chef des DIW eine rapide Zunahme der Ungleichheit bei der Einkommens- und Vermögensverteilung in diesem Land.
    Die Tafeln in Deutschland werden von immer mehr Menschen genutzt, um einfach zu überleben.
    Die Zahl der Obdachlosen ist stark angestiegen. Immer mehr Menschen sammeln Dosen und Flaschen, um an ein paar zusätzliche Euros zu kommen.
    In Sonntagsreden schwadronieren die „Eliten“ dieses Landes über die soziale Marktwirtschaft.
    Die soziale Marktwirtschaft wurde in diesem Land aber mit der Agenda 2010 Politik endgültig beendet.
    In einer Marktwirtschaft muss der Fortschritt in der Produktivität (Entwicklung des BIP) an die Arbeitnehmer ausbezahlt werden. Die Nachfrage fällt eben nicht vom Himmel, wie das von den neoklassischen Ökonomen immer vermutet wird.
    Das deutsche Lohndumping zerstört die Eurozone.
    In der Verdrängung der Realität war Deutschland schon immer Weltmeister.
    In diesem Land will man heute einfach nicht mehr die Funktionsweise der Marktwirtschaft verstehen und so werden auch in Zukunft die Exportüberschüsse und die Sparkünste des Bundesfinanzminister bejubelt werden.
    Deutschland wird noch einen sehr sehr sehr hohen Preis für seine bornierte Ignoranz zahlen müssen.
    Dann wird das Geschrei in diesem Land wieder groß sein!

  12. ach Herr Dr. Müller-Vogg, Sie als ausgewiesener Armutsforscher wissen offenbar genau worüber Sie reden. Glück im Leben gehabt zu haben und auf der Sonnenseite des Lebens zu stehen oder in Armut zu leben sind zwei Paar Stiefel. Wenn man selbst von einer Gegebenheit nicht betroffen ist läßt sich herrlich darüber schwadronieren. Beantworten Sie sich doch mal die Frage warum die Kosten für den Sozialhaushalt bei uns eine der höchsten sind. Vielleicht revidiert diese Erkenntnis Ihre Vorurteile etwas oder warum ist der Zulauf zu den Tafeln in Deutschland besonders hoch. Alles Anzeichen dafür dass es allen immer besser geht. Ich weiss. Alle sind faul und träge und es geht ihnen viel zu gut.

  13. Wie soll man eine „Armutsquote“ denn anders angeben als in Relation zum landesweiten Durchschnittseinkommen, vielleicht noch verfeinert durch regionale Unterschiede in Lebenshaltungskosten?
    Die Kritik des Autors leuchtet mir vollkommen ein, wenn wir „unsere“ Armen aber z.B. in Relation zum gesamt-europäischen Durchschnittseinkommen setzen, bekommen wir auch keine realistische Zahl (vielleicht nur noch 3 %?).
    Insofern passt das schon: es geht letztlich um die Vergleichbarkeit der Zahlen über die Jahre, die Entwicklung also. Die Prozentzahl alleine hat natürlich keine Aussagekraft.

  14. Richtig, Herr Müller-Vogg, die Sozialindustrie soll am Laufen gehalten werden.
    Wann schreiben Sie über die Asylindustrie?

  15. Natürlich ist Armut immer relativ. Ich war jetzt schon 30 Jahre nicht mehr in Tschechien, aber damals gab es durchschnittlich viele Häuslebesitzer (Häusle! Oder Hütte, aber gemauert), im Garten wurde Gemüse usw angebaut.
    Also ich wollte in D nicht mit 1500 Euro netto leben müssen (und das haben sehr viele nicht), Miete und die horrenden Abgaben bezahlen.
    Wie gesagt, alles ist relativ, aber für das, was in D erwirtschaftet wird, sind die meisten Deutschen verdammt arm.
    Auch, wenn die Wohnung der Staat bezahlt und man täglich ein Festmahl hätte. Das Leben ist mehr als wohnen und Ernährung.

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