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Die Nachricht des Jahrzehnts

Sensation: Saudi Aramco geht an die Börse

23.02.2017

| Lesedauer: 3 Minuten
Die US-Investmentbanken JPMorgan und Morgan Stanley organisieren nach Finanzkreisen den voraussichtlich weltgrößten Börsengang, nämlich der Ölfirma Saudi-Aramco. Diese Nachricht ist eine wirkliche Sensation der positivsten Art. Eine erste Analyse.

Der saudi-arabische Energiekonzern Aramco, eigentlich „Saudi Arabian Oil Co“ geht an die Börse. Dass diese gestern nachmittag von den Agenturen gemeldete Nachricht noch nicht alle News inklusive des stündlichen Wetterberichtes verdrängt hat, zeigt, wie unerwartet diese Meldung ist.

Zunächst einmal zur Dimension: So sehr waren die Spielbabys, auch unter den Wirtschaftsjournalisten, in ihr IPhones verknallt, dass sie unter Druck standen, ununterbrochen Apple als das wertvollste Unternehmen der Welt zu preisen. Sie ärgerten sich über die Samsungkonkurrenz und über andere Techfirmen, die sich an Apple heranpirschten oder Apple Konkurrenz machten. Allerdings: Gegen Saudi-Aramco ist Apple wirklich nur ein Apfel.

Gegen Saudi Aramco ist Apple aber wirklich nur ein Apfel

Die Wertschätzungen gehen weit auseinander, an denen möchte ich mich hier nicht beteiligen. Es geistern Zahlen bis 10 Billionen Dollar durch die Gegend. Was eine bislang unverkäufliche Öl-Supernova wert ist, lässt sich seriös gar nicht schätzen. Gewiss aber ist Aramco ein Dutzendfaches dessen wert, was Apple und Co. auf die Waage bringen.

5 % des Kapitals wollen die Saudis auf den Weltmarkt bringen, wie es heißt, um Liquidität zu schöpfen, die sie dringend für die Modernisierung der kaum existierenden Volkswirtschaft Saudi Arabiens benötigen.

Wer 5 % seines Unternehmens verkauft, kassiert zukünftig 5 % weniger vom Gewinn. Insofern erschließt sich das Liquidationsziel der Saudis in der verkündeten langfristigen Perspektive nicht von sich aus. Viel entscheidender als der Hype, an dem sich die ersten Reaktionen („größter Börsengang der Weltgeschichte“ o.Ä.) festmachen, ist ein ganz anderer Aspekt:

Saudi-Arabien, das weithin unbekannte Land, wagt nämlich einen öku-kulturellen oder ökonomisch-politischen Schritt einer kaum überschätzbaren Dimension. Dieser Schritt wird dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, der die treibende Kraft hinter dem Börsengang sein soll und dem eine Bewertung von mindestens zwei Billionen Dollar vorschwebt, zugeschrieben.

In dem extrem verschlossenen und rückschrittlichen Land Saudi-Arabien erweist er sich damit als ein erstaunlich weitsichtiger und weltoffen orientierter Mann, der sein Land nicht nur ökonomisch an die Welt, die es mit Öl beliefert, heranführen will. Denn offensichtlich ist, dass die Firma Aramco, die bis dato eher fiktiv eine Firma im westlichen Sinn war, auch als Aktiengesellschaft zu einem Global Player werden wird und dies mit Einfluss auf die westlichen Märkte, aber auch mit Einfluss der westlichen Märkte in das Wirtschafts-und Finanzsystem Saudi-Arabiens.

Die Nachricht dieses Börsenganges ist ein wahres Feuerwerk, eine Kulturrevolution im positivsten Sinn.

Sicherlich gab es innerhalb Saudi-Arabiens Widerstände von den Ultrakonservativen und sicher wird es auch noch in Zukunft solche Widerstände geben. Dass sich aber offenbar das Königshaus diesem Schritt positiv angeschlossen hat, ist ein schönes Moment von mondialer und epochaler Bedeutung.

Ob sich der Wert des Öls angesichts der weit größeren Ölreserven dieser Welt, als gemeinhin gedacht, auf längere Sicht wird halten können, darf bezweifelt werden. Die technischen Fortschritte zur Substitution des Öls (Sonnenenergie, effiziente Energiespeicherung, Elektroauto, Energiespartechnik und vielleicht irgendwann neue Techniken wie Kernfusion) sind rasant.

Der Börsengang hat die Chance den seit Jahrzehnten viel beschworenen Clash der Kulturen im positiven Sinne zu beeinflussen, da Saudi-Arabien bisher eine eher undurchsichtige Rolle in diesem Zusammenhang gespielt hat. Eine gewisse Westöffnung des Landes, die sicher noch sehr lange braucht, könnte damit zumindest im Königshaus Saudi-Arabiens beschlossene Sache sein.

Klar, dort gibt es auch die Hardliner und die Männer des Landes müssen an die Emanzipation der Frau erst noch gewöhnt werden, aber bis in solche kulturrevolutionären Dimensionen muss dieser Schritt Saudi-Arabiens in Gestalt des heute verkündeten Börsenganges, in dem es zuerst einmal nur um 5 % des Kapitals gehen soll, gedacht werden.

Die Frankfurter Börse und die deutschen Banken sind nicht so global, dass die Saudis sich ihrer Hilfe vergewissert hätten. Das Management übernehmen die üblichen Kandidaten aus den USA, England und vielleicht aus China. Das zeigt, dass das Gerede von der deutschen Kanzlerin als der mächtigsten Frau der Welt ziemlich neben der Wirklichkeit ist.

Deutschland nur Provinz?

Der Brexit, der von den deutschen Medienrednern als Katastrophe für England und ein bisschen für die EU herbeigesehen wurde, nachdem dieselben Pappenheimer zuvor einen Austritts Griechenlands aus dem Euro jahrelang als Katastrophe für die Weltwirtschaft an die Wand gemalt hatten, dieser Brexit hat der englischen Wirtschaft erst einmal einen Wachstumsschub verpasst, jedenfalls lassen sich die aktuellen Zahlen vernünftigerweise nicht anders interpretieren. Und dieses beim deutschen Establishment ungeliebte England, das den Kontinentaleuropäern wiedermal gezeigt hat, was britische Unabhängigkeit im Denken und britische Gelassenheit zu tun imstande sind, haben jetzt die besten Chancen mit ihren finanzmarkttechnischen Fähigkeiten den Börsengang von Aramco mit zu orchestrieren.

Da ist Deutschland dann Provinz. Auch das lehrt uns der Börsengang, den die Saudis gut vorbereitet aus dem Hut zaubern. Chapeau!

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1 Kommentar

  1. warum auch? Hat noch „etwas“ Zeit…

    IPO/’WSJ‘: Umstrukturierung von Saudi Aramco könnte Riesen-Börsengang verzögern
    20.02.17, 13:14 dpa-AFX

    RIAD (dpa-AFX) – Der bisher wohl größte Börsengang der Welt droht sich laut einem Pressebericht zu verzögern. Unter anderem wegen Komplikationen bei der Umstrukturierung des Unternehmens sei es unwahrscheinlich, dass Saudi-Arabiens staatlicher Öl- und Chemiekonzern Saudi Aramco vor Ende 2018 den Sprung aufs Parkett wage, schrieb das „Wall Street Journal“ („WSJ“) am Montag unter Berufung auf mehrere mit der Sache vertraute Personen. Sollten sich ausländische Berater durchsetzen, könnte es sogar erst 2019 so weit sein, hieß es.

    Im April letzten Jahres hatte Vize-Kronprinz Muhammad bin Salman noch die Jahre 2017 oder 2018 für einen Börsengang genannt. Jüngst hatten dann saudi-arabische Offizielle laut „WSJ“ 2018 als Datum ins Spiel gebracht.

    Bereits in den letzten Monaten hat sich der Zeitung zufolge herauskristallisiert, wie schwer es sei, einen „Koloss“ wie Saudi Aramco schnell in ein den Aktionären verantwortliches Unternehmen umzuwandeln. Einige Offizielle wollten nun eher dem Rat von Bankern folgen und erst einmal überzeugende Strukturen schaffen, die den Vergleich mit börsennotierten Ölkonzernen wie etwa ExxonMobil oder Royal Dutch Shell erlaubten. Diese seien in der Regel eher höher bewertet als staatliche Ölgesellschaften.

    Bislang aber seien wesentliche Aspekte wie die Führungsstruktur und die Fragen der Offenlegung der finanziellen Verhältnisse noch nicht geklärt, schrieb die Zeitung. Beratern zufolge sind Saudi Aramco und die Regierung finanziell noch derart verwoben, dass es viele Monate dauern dürfte, die Verflechtungen zu entwirren.

    Saudi Arabien will zunächst weniger als fünf Prozent der Anteile des weltgrößten Öllieferanten in private Hände überführen und rund 100 Milliarden US-Dollar (94 Mrd Euro) einnehmen. Damit würde Saudi Aramco den bislang weltweit größte Börsengang (IPO – initial public offering) aus dem September 2014 locker in den Schatten stellen. Seinerzeit hatte die chinesische Handelsplattform Alibaba bei Investoren rund 25 Milliarden Dollar eingesammelt.

    Die Börse in Riad lockt derzeit mit der Aussicht auf eine boomende Wirtschaft, die nicht mehr allein vom Öl oder vom Staat abhängt. Passend dazu soll Saudi Aramco auch in ein Industriekonglomerat umgewandelt werden.

    Mit dem Börsengang von Saudi Aramco würde sich die Volkswirtschaft Saudi-Arabien für Investoren weit öffnen. In der Folge könnte sogar die Aufnahme des Landes in weltweit wichtige Aktienindizes anstehen. Dann kommen die großen Fondsgesellschaften kaum noch an Saudi-Arabien vorbei, weil deren Anlagerichtlinien mehr oder weniger zwingend Investitionen in diese bedeutenden Börsenbarometer vorschreiben./la/men/fbr

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