Gut einen Monat ist es her, dass der türkische Präsidialdiktator Recep Tayyip Erdogan seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg im Nordosten Syriens startete. Angebliches Ziel des „Friedensquell“ genannten Überfalls: Einrichtung einer Sicherheitszone gegen die syrisch-kurdischen Milizen, die in Südkurdistan/Rojava eine demokratisch organisierte Selbstverwaltung aufgebaut hatten und dort den Frieden sicherten. Tatsächliches Ziel des Neo-Osmanen: Erweiterung des türkischen Staatsgebiets nach Süden um ehedem osmanische Territorien, Verhinderung der Bildung kurdischer Selbstverwaltungsstrukturen, Vertreibung der Ethnie der Kurden und Neuansiedlung syrischer Araber und Turkmenen, die vor den Wirren des Syrischen Kriegs in die Türkei geflohen waren.
Möglich wurde der türkische Überfall, weil die USA als bisherige Schutzmacht der mit ihnen verbündeten Kurden der YPG-Selbstverteidigungskräfte und den von den USA selbst erschaffenen Syrian Democratic Forces syrisch-arabischer Einheiten ihren Rückzug eingeleitet hatten.
Was nun aber hat Erdogan tatsächlich erreicht?
Syrien – Staat, Föderation oder Nichts
Infolge des US-Rückzugs hatten die kurdisch-arabischen Kräfte eilends die Fühler in Richtung Damaskus ausgestreckt. Motto: Lieber einen alawitischen Präsidenten, als einen türkischen Schlächter. Wie schon in der Region Afrin, die Erdogan Anfang 2018 okkupierte, bildeten sich zwischen Kurden und Syrern Zweckbündnisse. Zweckbündnisse, die weit davon entfernt sind, Liebesheiraten zu sein. Denn zwischen syrischer Zentralregierung und kurdischer Verwaltung steht immer noch die Grundsatzfrage, ob ein Nachkriegssyrien, welches irgendwann einmal kommen wird, ein zentralistisch geführter Staat, eine Föderation mit autonomen Gebieten oder aber überhaupt nicht mehr sein wird.
Erdoğan hilft Merkel beim Fallen
Der Traum von der türkischen Sicherheitszone ist geplatzt
Dieses führte dazu, dass alawitisch-syrische Einheiten nun in bislang von Kurden und Amerikanern kontrollierte Gebiete vorgestoßen sind. Im südlichen Zentralafrin, wo sich nach der türkischen Okkupation bislang Kräfte der YPG halten konnten, stehen jetzt auch Assads Einheiten. Gleiches gilt in der von Erdogan beanspruchten Region um Manbij, westlich des Oberlaufs des Euphrats. Die Übernahme des Westufers der nahöstlichen Lebensader war von Erdogan immer wieder als eines seiner wichtigsten Ziele deklariert worden. Nun sind dort Assads Einheiten.
Ähnliches gilt für die Hauptverbindungsstraßen im noch nicht türkisch besetzten Rojava. Die wichtige M4, Ost-West-Verbindung zwischen dem syrischen Aleppo und dem kurdischen Qamishli, befindet sich ebenso weitgehend unter Assads Kontrolle wie die Verbindungsstraße zwischen der ehemaligen IS-Zentrale A’Raqah und dem jüngst durch die SDF zurückeroberten Ayn Isa am derzeit türkisch besetzten Grenzstreifen. Auch haben die Syrer die Gebiete zwischen dem türkischen Ceylanpinar und dem kurdischen Qamishli besetzt. Auch das kurdische Kobane, für Erdogan immer eine zentrale Position bei seinem Kampf für einen türkislamischen Staat, befindet sich derzeit in syrischer Hand. Damit ist Erdogans Traum von einer türkisch kontrollierten „Sicherheitszone“ nicht nur hier erst einmal ausgeträumt.
Russen ersetzen Amis
Großer Gewinner des Erdogan’schen Überfalls ist sein Moskauer Kollege Wladimir Putin. Ohne einen einzigen Schuss konnten die Russen zahlreiche Stützpunkte der US-Armee übernehmen. Neben der rein militärstrategischen Dimension ist dieser Erfolg in seiner Symbolik von nicht übersehbarer Kraft und Deutlichkeit. Möglich wurde Putins erneuter Etappensieg dadurch, dass er dem Diktator aus Ankara dessen militärische Grenzen aufgezeigt hatte. Konfrontation mit der Schutzmacht Assads – oder Kooperation. Erdogan blieb nichts anderes, als dem Moskauer Vorschlag zuzustimmen, dem friedlichen Abzug der von ihm als „Terrororganisation“ diffamierten kurdischen Kräfte und gleichzeitig gemeinsamen russisch-türkischen Patrouillen zuzustimmen. Damit sind jetzt faktisch die Russen Herren in dem bislang von den USA kontrollierten Gebieten.
Einzige Ausnahme aktuell: Die Region südlich der türkischen Orte Ceylanpinar und Akcakale. Hier stehen türkische Einheiten und deren radikalislamische Hilfstruppen bis zu 30 Kilometer tief auf syrischem Territorium. Doch an der Ostgrenze dieses Gebietes kommt es seit dem Ende des Waffenstillstands zu ständigen Gefechten zwischen der türkischen Armee und der SDF. Mit im Geschäft sind auch syrische Artillerie- und russisch gelenkte GRAD-Raketeneinheiten, die südlich des Kampfgebietes stehen und die türkischen Hilfstruppen unter Beschuss nehmen. In dieser Gemengelage ist es in den vergangenen Tagen auch zu Übergriffen gegen medizinisch-ärztliche NGO gekommen. Die teils tödlichen Angriffe wurden seitens der Betroffenen der Türkei angelastet, welche umgehend dementierte.
Auch die USA sind wieder im Spiel
Nicht nur, dass Trump und Erdogan durch ihr unabgestimmtes Vorgehen den Russen die Tür geöffnet hatten – nun sind auch die Amerikaner selbst wieder auf dem Feld. Hinter verschlossenen Türen wird gemutmaßt, dass hierfür ein Brandanruf des saudischen Prinzen Muhamad bin Salman ausschlaggebend war. Der soll seinen Verbündeten in Washington angefleht haben, nicht die mühsam den Radikalmuslimen des IS abgerungenen Ölfelder im Osten Syriens Türken oder Russen in die Hände fallen zu lassen. Trump, so wird erzählt, soll daraufhin aus allen Wolken gefallen sein, weil er die Region offenbar für wertlose Wüste gehalten hatte. Prompt ordnete er den Teilrückzug vom Rückzug an – jetzt stehen US-Einheiten wieder östlich von Qamishli und errichten seit Montag am Nordrand der Ölfelder von Dair A’Zur im Süden des vom IS befreiten Gebiets eine neue Militärbasis. Die Standortwahl ist insofern bemerkenswert, weil syrisch-russische Einheiten jenseits des Euphrat südlich der Ölfelder stehen. Von Norden wäre eher ein Versuch der Türkei anzunehmen, die Quellen zu übernehmen. Gleichwohl erbost die amerikanische Rückkehr die Russen, welche aus ihrem Selbstverständnis darauf beharren, dass es sich hierbei um syrische Ölfelder handelt, deren Erlöse nach Damaskus fließen müssen.
Erdogans Schlag in die Wüste
Blickt man insgesamt auf die Gemengelage, so bleibt die Feststellung, dass Erdogan hinsichtlich seiner militärischen Ziele auf breiter Front versagt hat. Handelte es sich nicht weitgehend um Trockengebiete, so müsste von einem heftigen Schlag ins Wasser gesprochen werden.
Für die nationalfaschistischen Ausfälle von Nationaltürken nicht nur in deutschen Stadien und anderswo besteht nicht der geringste Anlass. Statt den USA – immerhin noch proforma Verbündete unter dem Dach der NATO – hat Erdogan nun die Russen vor der Tür. Dass Putin ähnlich Trump das Feld widerstandslos räumen wird, ist kaum zu erwarten. Die von Erdogan als Einstieg in die territoriale Übernahme geplante 30-Kilometer-Zone steht ebenfalls in den Sternen. Kobane und Qamishli werden von syrisch-russischen Truppen kontrolliert. Will Erdogan hier seinen Traum erfüllen, riskiert er den großen Krieg, den er nicht gewinnen kann. Lediglich jenen zwischen Akcacale und Ceylanpinar gelegenen, rund 140 Kilometer langen und 30 Kilometer tiefen Grenzstreifen auf syrischer Seite konnte der kleine Sultan bislang unter seine Kontrolle bringen. Zumeist unbesiedeltes Gebiet, auf das YPG und SDF vorerst verzichten konnten.
10.200 „Neusiedler“ aus Afrika und einige unbeantwortete Fragen
Mit Erdogan hat erstmals ein Türke die Einkreisung durch Russland erreicht
Kurzfristig mag Erdogan in den Reihen seiner religiösfaschistischen Nationalisten eine Welle der Begeisterung ausgelöst haben. Mittel- und langfristig jedoch deutet vieles darauf hin, dass er damit vor allem jene Kräfte gestärkt hat, die er eigentlich schwächen wollte.
Eines zumindest hat er ohne jeden Zweifel bereits erreicht und sich damit einen fragwürdigen Ehrenplatz in den Geschichtsbüchern der Türkei gesichert: Sein kleinosmanisches Reich ist erstmals in der langen Geschichte des islamischen Imperiums geostrategisch von russischen Truppen eingekreist. Wenn die Türkosmanen schon in der Vergangenheit außerstande waren, ohne westliche Hilfe gegen die sich in der historischen Nachfolge des christlichen Byzanz fühlenden, aus Norden andrängenden Russen zu bestehen, bekäme es Erdogan im Ernstfall nun gleichermaßen im Norden und im Süden mit russisch geführten Einheiten zu tun. Putin hat etwas erreicht, von dem Generationen von Zaren nur träumen konnten: Die reale Möglichkeit, die gefühlten Nachkommen jener Horden, die 1453 unter dem Schlächter Mehmed II. das christlich-oströmische Reich vernichteten, gleichzeitig von Norden und Süden in die Zange nehmen zu können.
Mit dieser aus türkischer Sicht mehr als fragwürdigen Leistung hat sich Erdogan unter allen osmanischen Herrschern nun tatsächlich eine einmalige Position gesichert. Sie wird ihn zwingen, Putins Wünschen künftig noch intensiver als bislang zu folgen. Und Putin, das hat der KGB-gestählte Russe wiederholt bewiesen, wird seine Position zu nutzen wissen, um die Türkei Stück für Stück aus der Westbindung zu lösen – oder über sie in EU und NATO einzudringen. Deutschlands Außenministerdarsteller darf derweil auch weiterhin unbedarft nach Ankara reisen und dem türkischen Außenminister die Füße küssen, weil deutsche Wirtschaftsunternehmen im Vertrauen auf die EU-Beitrittszusagen Milliardenbeträge in Anatolien investierten und darum fürchten, spürbare Verluste in ihre Jahresbilanzen schreiben zu müssen, sollte ein abschließend von der Kette gelassener Erdogan in seinem persönlichen Endkampf auch noch die letzten Hemmungen fallen lassen.
Wenn sich Dinge plötzlich genau so entwickeln, wie man sie sich ursprünglich vorgestellt hat, ist das ein sehr erhebendes Gefühl.
Aus Trumps Perspektive: US-Geld und -Soldatenblut gespart, die seit dem 14. Jahrhundert (als Tataren auf der Krim Pestleichen über die Mauern schossen und damit den Schwarzen Tod auslösten) alles Türkische zuverlässig hassenden Russen als Schraubzwinge um Erdoğans Reich installiert und gleichzeitig dafür Sorge getragen, dass sie keine weitergehenden Pläne entwickeln können, während die Weltöffentlichkeit die gleichermaßen antitürkischen wie antirussischen Kurden feiert – in anderen Worten: Spiel, Satz und Sieg. Wenn es einen Weg zur Stabilisierung im Nahen Osten gibt, dann ist es dieser.
Die Türkei hat 80 Mio. Einwohner und ich schätze, 60-70Mio. davon sind echte Türken. Ihre Zahl wächst dank hoher Fertilität weiter und in 50 Jahren dürften es wohl lässig 120 Mio. sein. Griechenland („die Byzantiner“) hat etwas über 10 Mio. Einwohner und eine ähnliche negative Demographie wie Deutschland (zumindest die Bio-Deutschen). Allein deshalb halte ich es für ausgeschlossen, dass die „Byzantiner“ da jemals wieder zum Zug kommen. Die Byzantiner, und wir (Deutschland wie Europa) werden einfach demographisch erdrückt und marginalisiert, nicht nur, aber auch von den Türken. Hinzu kommen dann noch so ein paar Politiker wie Merkel, die die Grenzen öffnen und die Sache damit noch beschleunigen. Erdogan muss gar keine gute Politik betreiben oder eine gute Strategie haben. Zum finalen Sieg des Islam gegenüber Europa genügt die Demographie. Die stärkste Waffe des Islam ist die Gebährfreudigkeit seiner Frauen.
Die Türkei wächst in Anatolien, in der Westtürkei liegt die Geburtenrate je Frau schon unter der Erhaltungsrate von 2.1 Kinder. Im Moment wächst die Bevölkerung der Türkei auch bei fallender Geburtenrate, weil es durch die geburtenstarken Jahrgänge der jüngeren Vergangenheit sehr viele Frauen im gebärfähigen Alter gibt.
Den Artikel kann ich nicht ganz nachvollziehen. Nach einem Monat ist es viel zu früh über den Gesamterfolg der Mission zu schreiben. Das ist in etwa so, als würde man heute über den Ausgang der laufenden Bundesliga Saison berichten.
Am ende wird der Artikel etwas arg historisch und verkennt die russischen Schwächen, die es ja auch gibt. Die doch eher schwachen Truppen Moskaus in Syrien dann gleich als Einkreisung der Türkei in Nachfolge des oströmischen Reichs umzudeuten, ist doch etwas weit hergeholt. Eine militärische Gefahr sind die Russen für das Noch-NATO-Land Türkei nicht, wollen sie wohl auch gar nicht sein. Putin denkt wohl eher daran, die Türkei aus der NATO zu lösen. Er hat sicher einige Erfolge in Syrien erzielt, aber gewaltig stark ist seine Position auch nicht. Russland leidet unter seiner demographischen Schwäche (wie wir) und seiner doch eher schwachen Wirtschaft (anders als im Moment noch wir). Das Syrienabenteuer kostet einiges und bringt wirtschaftlich wenig Ertrag, wenn auch etwas mehr politischen Einfluss und Bedeutung. Ob das mittel- und längerfristig anders wird, kann man bezweifeln.
Wie immer ein vorzügliche, historisch umrahmte, politisch neutrale Analyse zum Ausdrucken und Abheften in den „Best-Of-Ordner“. Sollte sich der „Maas-Anzug“ -Träger im Außenministerium auch mal anlegen, damit er noch mitbekommt, was da draußen so alles vor sich geht.
Für die Mehrheit der Deutschen war auch Adolf Hitler der beste Herrscher seit Kaiser Barbarossa. Geholfen hat es wenig. Ganz im Gegenteil.
Was Byzanz betrifft: Ich kenne nicht nur zahlreiche Griechen, die Anatolien als zeitweise islamisch besetztes Territorium betrachten. Schaut man sich die dortige Geschichte an, ist das nachvollziehbar. Nur gilt auch dort: Die Macht kommt selten aus Betrachtungen und historischen Reminiszenzen.
Lieber Herr Fisch – da muss man nicht staunen. Erdogan hat bereits wiederholt deutlich gemacht, dass er die griechischen Inseln sowie große Teile Bulgariens für ur-türkisches Territorium hält. Seine Grenzvorstellungen basieren letztlich auf dem Stand von 1914. Sollte ihm in Syrien Erfolg beschieden sein, wären dort die nächsten Aktionen zu erwarten – und Stoltenberg könnte immer noch die gute NATO-Partnerschaft mit der Türkei loben.
Hinter den Mauern des Pentagon dürfte das noch so sein. Ob hinter den Mauern des Weißen Hauses auch, wird allerdings zunehmend fragwürdig.
Richtig, …., Trump hat doch alles erreicht, was amerikanischen Interessen nutzt, und das alles ohne Einsatz von Waffen und Menschenleben. Da kann man nur sagen: chapeau claque …
Warum so feindselig gegenüber Putin und Russland, Herr Spahn? Ist das ein deutscher Beißreflex?
Putin und Assad waren und sind zusammen mit den Kurden die einzigen kalkulierbaren, verlässlichen und rationalen Player in dem ganzen heillosen irakischen-syrischen Gemenge. Und dazu sind sie die einzigen, die dort auf dem Boden internationalen Rechts stehen.
Der Jahrhundertkampf Bushs und Obamas gegen den Terror des IS was war der anderes als der versteckte Krieg gegen Assad, den einzigen laizistischen und rationalen Regenten in der Region, der zumindest eine relative Stabilität garantierte. Stattdessen unterstützten die USA die über Nacht „gemäßigten“ und aus aller Herren Länder importierte Guerilla der sunnitischen Terroristen. Es ging ja gegen den Schlächter von Damaskus. Für dessen angeblichen Giftgasangriffe gibt es bis heute keinen Beweis – für dessen freiwillige Zerstörung seiner Giftgasarsenale allerdings.
Der einzigen Player, die der neuosmanisch-nationalistisch-islamistischen Expansion des Kleinsultans Erdogan Einhalt geboten haben, sind Kurden Russen und Syrer. Damit wurde ein irrsinniger Krieg mit Millionen von Toten und Flüchtlingen verhindert. GottseiDank kann man nur sagen und Danke an Putin und Assad.
Wir im Westen und in Deutschland sollten endlich unser Licht im Oberstübchen einschalten, um zu erkennen, wo unsere wahren Interessen liegen. Aber mit einer Regierung unter Merkel, Maas und Steinmeier versteigen wir uns lieber in ideologische Dumpfbackigkeit. Oh Herr, lass Hirn regnen.
Komisch – ich empfand meine Darlegungen zu Putin hier überhaupt nicht feindselig. Schlicht beschreibend, ja sogar sachlich-positiv seine Erfolge darlegend. So, wie man das als Journalist machen sollte. Oder erwarteten Sie Hofberichterstattung? Das ist weniger mein Ding.
Na ja, vielleicht habe ich Ihre Ausführungen zu „Großer Gewinner des Erdogan’schen Überfalls ist sein Moskauer Kollege Wladimir Putin.“ und zu „Putin, das hat der KGB-gestählte Russe wiederholt bewiesen, wird seine Position zu nutzen wissen, um die Türkei Stück für Stück aus der Westbindung zu lösen – oder über sie in EU und NATO einzudringen.“ etwas zu einseitig auf durch die deutschen „Qualitätsmedien“ geeichte Goldwaage gelegt.
Dennoch, wenn Sie Putin als den „Moskauer Kollegen“ des „Erdogan’schen Überfalls“ bezeichnen ist das bereits sehr suggestiv und wenig sachlich. Wessen „Kollegin/e“ wäre dann Frau Merkel oder Herr Obama, um von dessen Vorgänger ganz zu schweigen?
In die gleiche konnotative Richtung zielt das Epithet „Putin, … der KGB-gestählte Russe“. – Dass der seine Position und Interessen zu nutzen und zu schützen weiß, das ist nur sein gutes Recht und staatsmännische Pflicht und klingt in Ihrem Kontext wie ein Verstoß gegen die political correctness. Gleiches würde man sich von – mit Verlaub – ideologischen Hohlpfosten wie Merkel, Maas und Steinmeier nur wünschen.
Schließlich dass Putin darauf hinarbeitete sozusagen Tag und Nacht, um die Türken aus dem Westbündnis herauszuwinden … dazu braucht es offensichtlich keinen Putin, das schafft der Größte Sultan aller Zeiten gerade noch alleine.
Damit ist der einseitige Ausschlag meiner Goldwaage doch deutlich erkennbar.
Erdogan hat vor allem seine eigene Bevölkerung hinter sich gebracht….das war ihm nach der verlorenen Wahl in Istanbul wichtig…..das hat er geschafft….ein Krieg schweißt zusammen….alles andere ist Kollateralschaden. Wenn er es noch schaffen sollte die 3 Mio. Syrer aus dem Land zu bekommen, ist seine nächste Wahl gerettet.
Solche Kurzfristerfolge bedürfen jedoch ständiger Eskalation, damit die eigene Bevölkerung nicht auf die Idee kommt, nachzudenken. Erdogan wäre nicht der erste, der sich dabei überhoben hat.
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus.
🙂
Ich liebe Artikel wie diesen. Danke!
Putin hat schon lange erkannt, was eigentlich auch dem Westen klar sein müsste: Die Alawiten unter Al-Assad sind die wenigen einigermaßen normalen player da unten. Jede Schwächung des Sunniten-Islam ist gut auch für uns. Bahnt sich da womöglich eine Allianz des „Nordens“ unter Einbezug Russlands an, um die islamische Zumutung ab zu wehren? Den Konflikt Sunniten-Schiiten sollten wir nutzen zu demselben Zweck. Hier gilt divide et impera. Die Amis müssen ihr Verhältnis zu Iran klären, die sich derzeit klugerweise zurück halten. Die Saud tun, was ihnen die Amis sagen, sonst sind sie schnell weg vom Fenster, es gärt dort seit Langem. Auch in Iran hat die Bevöölkerung den grausigen Islam zunehmend satt – die Zeit arbeitet für den Westen und für die Russen gleichermaßen. Wir müssen es bloß zulassen und nutzen. Dass die Ladies und der BM des äußersten Falles da in Berlin nix begreifen, geschenkt.
Für mich als außenpolitischem Laien stellt sich die Lage etwas anders dar, wenn man mal einen Schritt zurücktritt und die Gesamtlage betrachtet, gestern und heute, und sich nicht in Detailkonflikten verliert. Europa profitierte von hart und unnachgiebig geführten nahöstlichen und afrikanischen Ländern.
So lange die Despoten in Nahost und Afrika ihre Länder mit gnadenloser Härte unter stabiler Kontrolle hielten (Hussein, Ghaddafi, Assad usw.), blieb Europa weitestgehend verschont von archaischen Kulturen, Gewalt und Kriminalität. Erst die Interventionen und Einmischungen der Welt zur Absetzung dieser Herrscher hat das Chaos ausgelöst, welches wir nun nicht mehr in die Büchse zurückdrücken können.
Putin als starker und strategischer Machthaber hat nach Amerikas Rückzug eingegriffen.
Und dann stellt sich mir die Frage, ob Putin wirklich der Beelzebub ist, als der er in der deutschen Presse und Politik immer dargestellt wird, die wissen ja anscheinend immer alles besser. Ich habe da meine Zweifel.
Top-Artikel, lieber Herr Spahn. Ich fände ihn gar erheiternd, wenn wir Deutschen aktuell nicht selbst von einer geschichtlich einmalig tollpatschigen Person regiert würden.
Und das alles nur, weil keiner auf die Annegret gehört hat. Die wollte sofort zur Tat schreiten und Erdogan in Syrien eine Zone sichern, wo er die ganzen radikalen syrischen Sunniten, die er in Deutschland nicht unterbringen kann, ansiedeln kann. Und niemand ist mitgeschritten.
Aus deutscher Sicht bleibe ich interessierter, aber passiver Zuschauer in dieser Affäre. Rußlands Ziel mag es sein, zumindest den Osten Anatoliens den Osmantürken zu entreißen, um endlich eine Landverbindung vom Kaukasus zum Mittelmeer zu bekommen. Würde Moskau aber die Türkei nachhaltig destabilisieren, so daß sie kollabierte, so würde es nicht so sehr militärisch übernehmen (für Istanbul riskieren weder die USA noch China einen Atomkrieg) als vielmehr wirtschaftlich, denn Moskau ist ökonomisch zu schwach, ein größeres Kolonialreich zu verwalten.
Tatsächlich glaube ich daher, daß es das realistische Ziel der Russen ist, die Türken aus der NATO zu treiben – Griechenland könnte sie ernsthaft nicht ersetzen. Im Big Game stünde ihnen dann der Weg bis nach Wien offen.
Die Türkei ist der einzige potentielle Kriegsgegner für die Russen, der sich demographisch Kriegsverluste leisten könnte. Ist die Türkei erst einmal weggeräumt, stehen die kinderarmen und feige gewordenen Dekadenzstaaten Europas ziemlich einsam da. Was für ein Wandel, mein Urgroßonkel sprang 1941 noch über Kreta mit den Luftlandetruppen der Wehrmacht ab.
Aber, wir haben ja die Moral, da kann uns keiner. Ist doch auch was.
Ja, ich denke auch es war Eric Ciaramella, der Whistleblower aus dem Weißen Haus!
Der petzt ja gerade alles, was Trump schaden könnte, ob es nun wahr ist oder nicht.
Letztens sagte er doch glatt, „Epstein didn’t kill himself“…
Ich finde, für eine Beurteilung der türkischen Lage ist es noch etwas zu früh. Da kann militärisch schon noch etwas kommen, aber Ihre Einschätzung hat was.
Die Ahnungslosigkeit von Aussenminister und Verteidigungsminister in Deutschland toppen allerdings jede Satire. Dagegen ist Angela Merkel geradezu Realistin und das will bei dieser Dame wirklich eine Menge heissen.
Nun, was wäre denn gewesen, wenn die US-Truppen geblieben wären? Die Situation wäre viel gefährlicher geworden. Man frage sich einmal, mit wem die US-Truppen hätten zusammentreffen können. Ich hätte auch die Kurden geopfert. Alles andere wäre sehr unwägsam geworden. Dass die Ölquellen gesichert worden sind, ist gut für uns alle gewesen. Hat Moskau wirklich gewonnen? Moskau hatte vorher schon genügend Einfluss an Assads Seite. Es ist oft klug, anderen einen irgendwie gearteten Sieg zu schenken, aber die Situation dadurch gerettet zu haben, dass man sich zurückzog. Für mich eine gute Taktik.
„Trump, so wird erzählt, soll daraufhin aus allen Wolken gefallen sein, weil er die Region offenbar für wertlose Wüste gehalten hatte.“
Na, immerhin fiel Trump allein zu Haus schon vor zwei Wochen aus allen Wolken, und das auch noch gegen den Protest der Kurden!
https://www.youtube.com/watch?v=fQaQRiK8LRg
US may leave troops in Syria to guard oil fields
6,983 views•Oct 21, 2019
So einer aber auch!
Das hat ihm doch wieder keiner was gesagt!
Wer hat das denn erzählt?
Die ARD? Das ZDF?
Gut unterrichtete Kreise?
Die üblichen Verdächtigen?
Lieber Mayor Quimby, Trump reiht sich damit lediglich in die endlose Reihe jener US-Amerikaner ein, die von der Welt null Ahnung haben – weshalb auch regelmäßig die US-Weltpolitik kräftig daneben greift. Das gilt auch für die Berater – vor allem, seitdem Trump so ziemlich alle Experten in die Wüste geschickt hat. Möglich, dass es sich bei der Darstellung nur um eine gut gedachte Anekdote handelt – gleichwohl gibt es durchaus Indizien vor allem in Saudi-Arabien, die die Geschichte glaubhaft werden lassen. Und wenn doch nicht, dann ist sie zumindest gut weil treffend erdacht.
Lieber Herr Spahn,
mir ging es vor Allem darum, daß DJT, in seiner mäandernden Art, bei jeder seiner öffentlich verbreiteten Äußerungen zum da gerade stattfindenden „Truppenabzug“ aus Syrien *bereits vor zwei Wochen* erstens stets betonte, daß nur 50 Soldaten abgezogen würden (er oder das Pentagon war sich offenbar nicht ganz klar, ob es nun 28 oder 50 waren, oder wollten es nicht sein) und zweitens geradezu darauf herumtrampelte, daß die ’syrischen Ölfelder‘ im Osten weiter unter amerikanischer – nun, Bewachung stünden. Im Koma wird er’s nicht gesagt haben.
Also war ihm spätestens zu dem Zeitpunkt schon mal klar, daß sie existieren – seine Militärs werden es ihm verraten haben. Und die werden es anderseits nicht gerne sehen, wenn ihr ‚ahnungsloser‘ Chef in aller Öffentlichkeit militärische Erkenntnisse, Strategien und Einsatzplane verrät. Jedenfalls nicht, bevor sie möglichst erfolgreich durchgeführt wurden. Scharping läßt grüßen.
Natürlich ist alles, was Trump sagt, (auch) massive Propaganda und dient dazu, Gegner wie Anhänger zu beruhigen, abzulenken oder sonstwas zu erreichen. Aber gerade deshalb kann man wenig auf das geben, was aus seiner Umgebung verlautet – das besteht nämlich fast nur aus Propaganda, meist ihm feindlicher, und hat sich bisher selten als wahr erwiesen.
Das letztere macht den Spaß ja gerade aus.
Wenn Erdogan unter Druck gerät, wird es für uns wegen der Politik unserer Regierung richtig teuer. Der bisher schon geäußerten Drohung, Millionen von Migranten gen Europa zu schicken, wenn nicht genug Geld fließt, kann man mit offenen Grenzen nichts entgegensetzen. Da kann man nur zähneknirschend hoffen, daß man das Lösegeld bezahlen kann. Danke, liebe Groko!
Ich hoffe, dass Sie recht behalten, Herr Spahn. Dem Staatsmannlaiendarsteller Erdogan würde ich diese Schlappe gönnen. Auf dass er in einem ähnlichen Erdloch verschwindet wie andere Grossko… dieser Region.
Lieber Herr Spahn,
an wem wird sich Recip Taliban Erdowahn nun schadlos halten, um wenigstens doch noch einen Sieg vermelden zu können?
Wird er die Grenzen öffnen und seinen Deal mit Merkel aufkündigen?
An dieser “Front“ wäre ihm ein sicherer Sieg beschieden, trifft er doch auf strategisch-militärisch, mental-intellektuell und psychisch-emotionale Total-Loser wie Merkel, Steinmeier oder Maas und Konsorten
Hätte Deutschlands Regierung was in der Hose, könnte man die Aufenthaltserlaubnis aller Türken aussetzen und die Zahlung aller Sozialleistungen in die Türkei beenden. Natürlich bräuchte man dann auch wieder eine eigene Grenze. – Man wird wohl noch mal träumen dürfen.
Von diesem geopolitischen Strategiespiel mit den Teilnehmern, Syrien/Assad, Russland, Türkei, Kurden, Restbeständen des IS, syrischen Oppositionellen, Iran, USA ,den einflussnehmenden Saudis und Israel, kann man, wenn man denn wollte, außerordentlich viel lernen, wie Interessenpolitik mit Einsatz von militärschen Mitteln geht.
Die Europäer stehen davor wie die Ochsen vor dem Scheunentor. Ochsen sind bekanntlich kastrierte Stiere. Mehr ist nicht zu sagen zur Rolle des EU.Europas in dieser Gemengelage.
Der „böse Wladimir Putin“ zeigt immer wieder, das die Politiker in Deutschland, EU und NATO nur dilettantische Laienschauspieler sind. Wie sagte doch der Herr Erdogan: Du bist ein Dilettant der von Politik keine Ahnung hat. Zu Putin oder Lawrow hat er das nicht gesagt.
Aus Richtung Osten könnte er den Sultan noch zusätzlich in die Zange nehmen. Armenien ist ein enger Verbündeter der Russen und aus bekannten Gründen alles andere als ein Freund der Türken.
„im Ernstfall blieb dem armenischen Katholikos immer nur die Schicksalsgemeinschaft mit dem Patriarchen in Moskau“ (aus einem Buch von Peter Scholl-Latour, aus dem Gedächtnis zitiert)