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Ökonom Ulrich Blum über die Deutsche Einheit

Nach 30 Jahren: Statt Mythenbewältigung neue Perspektiven für den Osten

von Gastautor

15.10.2019

| Lesedauer: 9 Minuten
Die neuen Bundesländer wachsen auf einem Pfad, der dem der DDR aus den fünfziger und sechziger Jahren entspricht; der Aufschwung Ost in den neunziger Jahren glich nur die von Honecker verursachte Wachstumsdelle aus. Der Osten muss aber keine Zwei-Drittel-Ökonomie bleiben, wenn Chancen aufgenommen werden.

Narrative sind sinnstiftende Erzählungen, deren Aufgabe es ist, in Gruppen Identität zu erzeugen. Oft sind sie weit von der Wahrheit entfernt, von Mythen durchdrungen, und wenn gleiche Narrative und Mythen von verschiedenen Gruppen völlig unterschiedlich interpretiert werden, dann sind massive Konflikte vorprogrammiert. Der sogenannte Aufbau Ost mit der Metapher der blühenden Landschaften zählt hierzu.

Wichtig ist es gerade vor dem Hintergrund einer Verklärung der Aufbauleistung zu verdeutlichen, was deren Referenzmaßstab aus gesamtdeutscher Sicht sein sollte: Mitteldeutschland zählte vor dem Kriege zu den drei reichsten Regionen der Welt; sein Einkommen lag etwa 1/3 über dem des Reichs. Heute zählt die Region zu den abgehängten – 30 Prozent unter dem Durchschnitt der Republik. Im Jahr 1972 erreichte die DDR knapp diese Vorkriegswirtschaftsleistung. Vor allem der gewerbliche Mittelstand zog diesen Durchschnitt nach oben – er war ausweislich der DDR-eigenen Statistik knapp 50 Prozent produktiver als die übrige verstaatlichte Industrie (BLUM 2013, Literaturhinweise am Ende des Beitrags) und damit etwa so wettbewerblich wie die seinerzeitige englische Industrie – danach ging es bergab. Durch Erich Honeckers Verstaatlichungen verfiel die Konkurrenzfähigkeit der DDR, insbesondere ihre Exportmärkte gerieten unter Druck, und im Jahr 1982 konnte der Zusammenbruch nur durch den sogenannten Strauß-Kredit verhindert werden.

30 Jahre nach der Wende kann man die wirtschaftliche Leistungslücke zwischen Ost und West Erich Honecker nicht mehr in die Schuhe schieben. Aus wirtschaftshistorischer Sicht war der Aufschwung Ost nur die Kompensation einer desaströsen Zentralisierungspolitik Anfang der siebziger Jahre. Tatsächlich wachsen die neuen Länder im Trend der alten DDR weiter. Strukturell grundlegende Pfadabhängigkeiten wurden durch den Aufbau Ost offensichtlich nicht durchbrochen, die vor allem in der Eigentumsordnung und dem Unternehmertum angesiedelt sind. Sätze von bekannten Politikern – „Es ist nur wichtig, dass es Eigentum gibt, nicht aber, wem es gehört“ – waren damals schon und sind heute noch töricht. So bleibt wirtschaftliches Aufholen zum Westen eine Illusion.

Abbildung 1: Entwicklung der pro-Kopf-Wirtschaftsleistung in Deutschland, 1900 bis 2016

Infolge fataler Fehleinschätzungen wurde eine falsche Transformationspolitik gewählt, welche die Strukturprobleme einer ehemaligen Zentralverwaltungswirtschaft nicht beseitigte. Hierfür trägt aber nicht allein die westdeutsche politische Führung Verantwortung – viele ökonomische Grundbedingungen für einen notwendigen Bruch lagen nicht im Interesse der neuen ostdeutschen politischen Eliten, zumal dies beispielsweise eine Schicht begünstigt, die sich dadurch selbst Vorteile verschaffen konnte und im Bereich der Landwirtschaft als „Rote Barone“ apostrophiert wird. Um diese Bedingungen zu verschleiern und einer Diskussion auszuweichen, werden gerne eine Reihe von Mythen bemüht:

Mythos 1: Die wahre wirtschaftliche Lage der DDR war nicht bekannt.

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Stimmt nicht! Sie war bekannt. Der Krebsatlas und aus dem Land geschmuggelte Bodenproben waren erfasst und erlaubten es, auf Umweltbelastungen und den Stand der Technologie zu schließen. Satellitenaufnahmen zeigten, wie nachts – scheinbar unbeobachtet – Kraftwerksfilter abgeschaltet wurden, um die letzten Prozente der Kraftwerksleistung nutzen zu können. Deutsche Importeure von industriellen Vorleistungen, beispielsweise Siemens, vor allem auch die Transporteure, waren bestens über die Tatsache informiert, dass der Kapitalstock sukzessive verfiel. Der Bericht einer Arbeitsgruppe um den DDR- Industrieministers Schürer vom Spätsommer 1989 war eine Bestätigung (SCHÜRER ET AL. 1989). In ihm wurde belegt, dass die DDR zwischen 20 und 25 Prozent der westdeutschen Produktivität besaß, was schon eine Arbeitsgruppe um den Chef der kommerziellen Koordinierung ein Jahr vorher bestätigt hatte (SCHALCK-GOLODKOWKSI ET AL. 1988) und nicht 70 Prozent, wie einschlägige Forschungsinstitute des Westens die Öffentlichkeit wissen lassen wollten. Drei Lösungswege wurden angeboten: den Lebensstandard um ein Drittel abzusenken, die Exporte zu vervielfachen oder das System aufzugeben, was schließlich geschah.

Mythos 2: Die kommende Einheit war nicht abzusehen.

Zumindest für vorausschauend Denkende gilt das nicht! Man lege bitte die Erinnerungen von Franz Josef STRAUß (1989) und Alexander SCHALCK-GOLODKOWSKI (2001) nebeneinander, um zu erkennen, weshalb der Bayerische Ministerpräsident Anfang der achtziger Jahre den Kredit vergab und wegen des Unverständnisses in der Öffentlichkeit Abspaltungen aus der CSU und das Entstehen der Republikaner erntete, die erst nach vielen Jahren politisch nieder-gekämpft waren. Es ging darum, die sich gerade entwickelnden Glasnost und Perestroika nicht durch den Zusammenbruch der DDR mit ihren unabsehbaren Folgen zu stören. 1982 lagen die außenwirtschaftlichen Probleme der DDR sehr ähnlich verglichen mit 1989. Der Verfasser hat bereits vor der Wende immer wieder auf dieses Problem aufmerksam gemacht und, nachdem seitens der Politik niemand reagierte, im Sommer 1989 einen formellen Brief ans Innerdeutsche Ministerium geschrieben, was man zu tun gedächte und welche Forschungen zur wirtschaftlichen Einheit vorlägen. Die Antwort kam mit Datum vom 8. 11. 1989 (!): Die mögliche Einheit wird nicht thematisiert, und die Forschung „stellt bislang in der Tat noch ein Desiderat dar“. Vermutlich wäre der Brief am Folgetag nicht mehr abgeschickt worden. Er ist ein Dokument politischen Versagens.

Abbildung 2: Schreiben des Innerdeutschen Ministeriums vom 8. November 1989

Mythos 3: Zur Privatisierung durch die Treuhand gab es keine Alternative.

Stimmt, aber das sagt nichts über die Verfahrensweise aus! Wenn man dabei systematisch alle Lieferverflechtungen zerstört, dann hinterlässt man eine nicht mehr systemfähige Wirtschaft. Hilmar Kopper hat Michail Gorbatschow in den letzten Monaten seiner Amtsführung darauf hingewiesen, dass kein Geld der Welt Russland bzw. die Sowjetunion retten könne, wenn mit dem politischen Zerfall auch die Lieferstrukturen gekappt würden. Er hat rechtbehalten. Wir haben bereits kurz nach der Wende auf diese Problematik hingewiesen (BLUM, SIEGMUND 1993).

Mythos 4: Fehlende wirtschaftspolitische Konzepte.

Als Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) sah der Verfasser es als eine Hauptaufgabe an, den wirtschaftlichen Aufschwung bzw. besser: die fehlende Konvergenz zu Westdeutschland zu analysieren und die Politik entsprechend zu beraten. Ein Kompendium aus dem Jahr 2009 (BLUM et al., 2009a) und ein im Jahr 2010 von den führenden Wirtschaftsforschungsinstituten fertiggestellter Bericht (BLUM et al. 2011) verweisen auf alle Probleme, die gegenwärtig die Politik umtreiben. Der Sachverhalt hat sich also nicht geändert, aber fast 10 Jahre für politisches Handeln wurden vertan. Insbesondere wurde bis heute nicht das Prob-lem fehlender Führungsfunktionen, die rund 30 Prozent der unternehmerischen Wertschöpfung erzeugen, angegangen. Einer Übersicht der Zeitung Die Welt (2019) folgend haben von den 500 größten Unternehmen nur 17 ihren Sitz im Osten, dazu 20 in Berlin – und viele davon sind örtlich gebundene Versorgungsunternehmen für Elektrizität, Gas und/oder Wasser.

Abbildung 3: Anteil der Großbetriebe (mehr als 1.000 Beschäftigte) in West und Ost, 1956-2010

Mythos 5: Der Westen hat für den Aufbau Ost bezahlt.

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Tatsächlich ist der Sachverhalt wesentlich komplexer. In den ersten zehn Jahren nach der Wende verließen knapp fünf Millionen Menschen den Osten, knapp drei Millionen kamen aus dem Westen. Der Nettozuwachs von rund zwei Millionen jungen und zugleich gut Qualifi-zierten vor allem im Süden der alten Bundesrepublik führte zu einer starken Expansion der Wirtschaft – auch weil die Importbedürfnisse des Ostens eine Sonderkonjunktur auslösten. Stellt man also dem West-Ost-Transfers die zusätzliche Wirtschaftsleistung und die daraus resultierenden Steuern gegenüber, so sieht man in Abbildung 4, dass spätestens ab dem Jahr 2010 der Finanzierungsfall Ostdeutschlands erledigt ist. Auch die Verschuldung musste des-halb weit weniger als erwartet steigen, und sie stieg vor allem weit schwächer als bei europä-ischen Nachbarstaaten wie Frankreich. Tatsächlich hat der über Schulden gedeckte Finanzierungsbedarf aus den Kosten der Weltfinanzkrise die Schulden etwa so stark erhöht wie die Bewältigung der Wiedervereinigung: um rund 20 Prozentpunkte. Der zur Finanzierung der Einheit erhobene Solidarzuschlag diente in den letzten Jahren vor allem zur Bewältigung der Lasten der Finanzkrise („Soli für Boni“) und dem Abbau der Schulden.

Abbildung 4: West-Ost-Transfers und ihre Finanzierung

Im Osten geriet durch diese Abwanderung die Siedlungsstruktur unter Druck und droht inzwischen demographisch zu implodieren mit großen Kollateralschäden für die Wirtschaft, beispielsweise der Verfügbarkeit von Lehrlingen oder Qualifizierten. Der gehoffte Erlös aus der Privatisierung musste infolge dieser wirtschaftlichen Entwicklung ausbleiben, tatsächlich lag das Defizit der Treuhand mit über 100 Mrd. Euro weit über dem, was jemals kalkuliert war.

Insbesondere das Steuersystem ist eine Quelle der Ungerechtigkeit und erzeugt die West-Ost-Transfers, über di man sich beklagt. Denn bei konzernverbundenen Unternehmen mit Sitz im Westen führt die Gewerbesteuererhebung zu erheblicher Diskriminierung (BLUM, JÄNCHEN, LUBK 2015). So liegen ostdeutsche Löhne bei 70 bis 90 Prozent des westdeutschen Niveaus, technische Produktivitäten bei den modernen verlängerten Werkbänken sind oft höher als im Westen. Auf Konzernebene wird die Gewerbesteuer nach Lohnsummen aufgeteilt – der Kon-zernsitz mit dem teuer bezahlten Personal, der ohne ostdeutsche Zulieferung in der Größe nicht möglich wäre, begünstigt den Weststandort ebenso wie hohe Produktivität und niedrige Löhne den Osten benachteiligen.

Extrem deutlich wird die unterschiedliche Steuerkraft bei Erbschaftssteuern, bei denen ostdeutsche Länder nur Bruchteile des Aufkommens des Westens erzielen: Ostdeutschland ist eine eigentumslose Gesellschaft; Bayern oder Hamburg haben Pro-Kopf-Aufkommen beim Zehn- bis Zwanzigfachen der ostdeutschen Länder. Auch das ist eine Folge der Treuhandprivatisierung.

Mythos 6: Der Osten wird vom Westen dominiert – und kleingehalten.

Dieser neue Mythos dient als Erklärung der nachlassenden Wachstumsentwicklung. Insbesondere seien Ostdeutsche in den Führungsfunktionen der neuen Länder – Regierungen, Verwaltungen, Unternehmen – unterrepräsentiert. Das hat viel mit besagten Abwanderungen und erhöhten Chancen im Westen zu tun, aber auch mit zum Teil fehlenden Familientraditionen in Unternehmen: Zu häufig verkaufen erfolgreiche Gründer im Osten an internationale Konzerne und geben das Unternehmen nicht an die nächste Generation weiter; bekanntestes Beispiel ist Novaled aus Dresden an Samsung. 30 Jahre müssen genügen, einen Weltmarktkonzern zu formen – siehe Huawei (in China), Alphabet-Google (in den USA) oder SAP (in Deutschland). Im Osten ist dies nicht gelungen. Und zum Personal: Hat jemand einmal gefragt, wie viele Bayern unter brillanten, an der TU Dresden ausgebildeten Ingenieuren bei Siemens in München arbeiten?

In der Tat: Das Problem langfristig fehlender Wachstumsperspektiven lässt sich nicht (mehr) aussitzen. Irgendwann holt die Wahrheit die Politik an der Wahlurne ein. Eine der reichsten Regionen der Welt bleibt nicht politisch stabil, wenn sie heute zu den ärmeren der Republik zählt und der frühere Wohlstand noch überall sichtbar ist – man fahre beispielsweise nach Chemnitz und betrachte die dortige Jugendstilarchitektur.

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In der globalen Welt schwinden die Anpassungsmöglichkeiten für den Osten. Zeit wird zum kritischen Faktor! Alle Erfahrung der Wirtschaftsgeschichte lehrt, dass ein Aufholen – oder sogar Überholen wie im Fall Bayerns – nur durch Innovation und das Aufspringen auf einen neuen Technologiepfad gelingt. Das wäre aktuell das Bewältigen der Klimaherausforderungen, einmal durch Reduzierung der Klimagase („Dekarbonisierung der Industriegesellschaft“) und andererseits durch effiziente Kreislaufführungen bei Abfällen, die somit Wertstoffe bleiben („Recycling“). Gerade hier besitzt Mitteldeutschland historische und aktuelle Stärken. Die Milliarden des Bundes aus dem Kohleausstieg sollten in neue Technologien fließen, nicht in unterlassene Investitionen, beispielsweise bei Bahnstrecken. Man kann über die Sinnhaftigkeit des plötzlichen Kohleausstiegs – ebenso wie seinerzeit des Atomausstiegs – sehr kontrovers diskutieren. Ein ökonomischer Sinn ist ihm nur abzugewinnen, wenn mit ihm ein Technologieschub einhergeht, der exportfähige Produkte für die globale Dekarbonisierung erzeugt; der direkte Klimaeffekt Deutschlands ist zu vernachlässigen. Die mitteldeutsche Industrieregion besitzt aufgrund ihrer industriellen Tradition, der positiven Wahrnehmung von Technologie als Problemlöser und ihrer Forschungseinrichtungen alle Voraussetzungen, bei der Dekarbonisierung der Industriegesellschaften Pionier zu werden, die Verfahren und Anlagen zu liefern und damit endogenes Wachstum, also Wachstum aus der Region heraus, entstehen zu lassen. Unter verbesserten Rahmenbedingungen könnte auch leichter als bisher der Verkauf weltmarkt-erfahrener Perlen ins Ausland verhindert werden, um langfristig Konzernzentralen entstehen zu lassen. Das dauert, aber wenn man heute nicht beginnt, hat man morgen keine Zukunft. Man darf gespannt sein, ob die Politik diese Potentiale aufnimmt und das leistet, was Franz Josef Strauß erfolgreich für Bayern tat: Der Sozialen Marktwirtschaft eine erfolgreiche technologische Flankierung zu geben.


Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Blum ist Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsforschung der Universität Halle. 1991 wurde er zum Gründungsdekan der Fakultät Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität Dresden bestellt und von 2004 bis 2011 Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle. Von 2014 bis 2017 war er Exzellenzprofessor der Volksrepublik China. Seit 2015 ist er Gründungsdirektor Center for Economics of Materials in Halle.


Literaturhinweise:

Blum, U., Siegmund, J., 1993, Politics and Economics of Privatizing State Enterprises: the Case of the Treuhandanstalt, in: Regime Transitions, Elites, and Bureaucracies in Eastern Europe (H.-U. Derlien and G. J. Szablowski ed.), Governance Vol. 6, No. 3 (397 – 408).

Blum, U., 2013, East Germany’s Economic Development Revisited: Path Dependence and East Germany’s Pre- and Post-Unification Economic Stagnation, Journal of Post-Communist Economies, Vol. 25, No. 1 (37 – 58).

Blum, U. Dudley, L., 2000, Blood, Sweat, Tears: Rise and Decline of the East German Economy, 1949 – 1988, Jahrbuch für Nationalökonomie und Statistik – Journal of Economics and Statistics, Vol. 220/4 (438-452).

Blum, U. Dudley, L., 1999, The Two Germanies: Information Technology and Economic Divergence, 1949-1989, Journal of Institutional and Theoretical Economics Vol. 155, No. 4 (710-737).

Blum, U., Buscher, H., Gabrisch, H., Günther, J., Heimpold, G., Lang, C., Ludwig, U., Rosenfeld, M., Schneider, L., 2009a, Ostdeutschlands Transformation seit 1990 im Spiegel wirtschaftlicher und sozialer Indikatoren, Institut für Wirtschaftsforschung Halle, Halle (Saale).

Blum, U., Ragnitz, J., Freye, S.; Scharfe, S., Schneider, L., 2009b, Regionalisierung öffentlicher Ausgaben und Einnahmen – Eine Untersuchung am Beispiel der Neuen Länder – Institut für Wirtschaftsforschung Halle, Halle (Saale).

Blum, U., Ludwig, U., Lang, C., Marek, P., et al., 2011, Wirtschaftlicher Stand und Perspektiven für Ostdeutschland, Gutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute IWH, RWI, ifo, HoF, IAB, DIW fpür den Koordinator für Ostdeutschland beim Ministerium des Innern Berlin, Halle.

Blum, U., Jänchen, I., Lubk, C., 2015, Die Relevanz von Unternehmenszentralen für die fiskalische Leistungsfähigkeit, Wirtschaftsdienst – Zeitschrift für Wirtschaftspolitik Vol. 95, No. 7 (395 – 403).

Blum, U., Gleißner, W., Nothnagel, P., Veltins, M. (Hrsg.), 2018, Vademecum für Unternehmenskäufe, Springer, Wiesbaden.

Blum, U., 2019, The East German Growth Trap, mimeo, Halle.

Die Welt, 2019, Deutschlands große 500, 1. Juli: 15-18.

Strauß, F.-J. 1989, Die Erinnerungen, Siedler, Berlin.

Schalck-Golodkowski, A., König, H. 1988, Zur Entwicklung des Kurses der Mark der DDR zu kapitalistischen Währungen seit 1949, Deutsche Demokratische Republik, Berlin, mimeo.

Schalck-Golodkowski, A., 2001, Deutsch-deutsche Erinnerungen, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg.

Schürer, G., Beil, G., Schalck, A., Höfner, E., Donda, A. 1989, Analyse der ökonomischen Lage der DDR mit Schlußfolgerungen, Deutsche Demokratische Republik, Berlin, mimeo.

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34 Kommentare

  1. Hi, I’m from Argentina and I belong as a local student coordinator for freedom and I wanted to ask you a question, do you know the data of the GDP per capita year by year offered by Ulrich Blum? is for to calculate the average annual rate from 1950 to 1989. Thank you very much any info is very helpful

    gro.datrebilse@acllusa

  2. Wie Sie sehen, hat die Deindustrialisierung in Mitteldeutschland auch so geklappt. Ob der wirtschaftliche Raubbau durch die Russen, oder die Treuhand geschah ist nun egal. Würde man Mitteldeutschland wieder als selbständigen Staat in die Freiheit entlassen, hätte man einen Agrarstaat mit überalterter Bevölkerungsstruktur. Um das wieder in Ordnung zu bringen, müsste man wohl Sonderwirtschaftszonen einrichten, internationale Investoren gewinnen, neue Großkraftwerke bauen, 3 Millionen vietnamesischer Gastarbeiter importieren, und den verbliebenen Rest der Bevölkerung klar machen, dass wenigstens 2 Kinder zur Reproduktion notwendig sind. Dekarbonisierung führt in die Mangelwirtschaft, und zu Repressalien. Ach, den ganzen Ökoschrott an Biogasanlagen, Windrädern, und die PV-Vertäfelungen sollte man auch entsorgen, damit wieder eine schöne Kulturlandschaft entsteht.

  3. …Wirtschaftswachstum geht nun mal mit steigendem Energieverbrauch einher…
    Nicht nur Wirtschaftswachstum, sondern jeglicher Fortschritt. Wer seine Energieerzeugung verteuert und zusätzlich drosselt, drosselt alles und erzeugt auch eine sozial rückwärts gerichtete stagnierende Gesellschaft. Der Ausstieg aus der Kernenergie und die unzeitgemäße Energiewende werden unseren Klimakindern später noch viel abverlangen. Es werden dann andere Nationen den globalen Fortschritt bestimmen und uns von ihren erreichten Fortschritt abhängig machen. Dieser von unserer Politik und Gesellschaft eingeschlagene Weg trägt bereits schon erste Früchte.

  4. Das Problem unserer Zeit ist doch, daß es immer mehr „Experten“ gibt, duie sich damit beschäftigen was Andere falsch machen, was Andere machen müssen/ müßten, was man machen müßte/ machen muß.
    Damit ist aber in der Realität noch nichts gemacht / erreicht.
    Was fehlte nach der Wende und immer noch fehlt im Osten sind Leute die bereit und fähig sind sich selbständig zu machen, ein Unternehmen zu gründen / aufzubauen.
    Die meisten Arbeitsplätze insgesamt gibt es in kleinen und mittleren Firmen/ Unternehmen. Dort findet oft auch noch eine entsprechende Einarbeitung statt und die „entsprechenden Fähigkeiten“ auch der Beschäftigten wächst mit der Firma. Es nützt ghar nicht wenn jemand sicgh selbst für gut ausgebildet hält aber in einer Firma man auf anderes wWert klegt anderst gearbeitet wird.
    So manche Großfirma ist aus einfachsten Anfängen entstanden, gegründet von einem „normalen“ Arbeiter.
    Es gibt ja durchaus auch im Osten erfolgreiche Firmen aus kleinen Anfängen nach der Wende entstanden und von Ansässigen und nichjt von „Wessis“ gegründet.
    Mir fällt da z.B. auch Jen Optik ein wo ein Unternehmen nicht platt gemacht wurde sondern saniert und zum Erfolg geführt.
    Da wurden sicher große Fehler gemacht mit Überheblichkeit aus dem Westen, alles „platt“ zu machen. War halt aber einfacher als zu schauen wie man Firmen weiter führen und sanieren/ zum Erfolg führen könnte.
    Aus meinen eigenen Erfahrung:
    Ich hatte Einblick in eine Unternehmensberatung, die Firmen beraten hat die in den Ostzen expandieren wollten, zwecks Fördergelder usw, Da gabe es eine Menge Zuschüsse um nicht zu sagen, das Geld wurde „hinten rein geschoben“. Die meisten dieser Firmen konnten im Osten aber nicht die Rentabilität erreichen wie im Westen bzw. die welche ihren Erwartungen entsprach. Nach Ablauf der Entsprechenden Frist wegen der Supventionen wurden die meisten Niederlassungen komplett über die Grenze weiter nach Osten verlegt.
    Die Art der Leute zu Arbeiten und Arbeitsauffassung paßte vielfach einfach nicht zu dem was man erwartete / brauchte. Dies jetzt aber nicht wie so oft propagiert auf niedrige Bezahlung bezogen. Vielleicht war der Grund ja auch daß die Supventionen in den falschen Gebieten bezahlt wurde. Die Firmen mit nicht zutreffender Propaganda in die falschen Gebiete gelockt wurden.
    Ein anderes wo ich Einblick hatte war z.B. bei der Telekom wio die Materialversorgung für Baustellen im osten vom westen aus erfolgte. Da gab es tz.B. ständig Schwierigkeiten wenn das Material entsprecghend von Bauabscghnitten nach und nach geliefert wurde.
    Da wurde oft einfach nicht angefangen zu Arbeiten mit der Begründung man Müsse zumnächst daws vollständige materiakl für vdie ganze Baustelle haben vorher würde man nicght anfangen. So lange wurden immer wieder „Däumchen gedreht“.
    Die Arbeitsweisen im Westen und Im mOsten warenn auch hier einfach nicht zusammem gepwaßt.
    Weitere Erfahrung: Ein Bekannter von mir hat spezielle Artikel, die erbrauchte aus dem Osten bezogen, die es wo anderst nicht mehr gab. Es wurde aber oft nicht geliefert / kommte nicht geliefert werden, gar nicht oderm nicht dier Menge, die er brauchte. Anscheinend wurde nur so viel produziert wie man wollte und war nicht bereit auch mal länger zu arbeiten, so viekl zu arbeiten.
    Er hat dann den kompletten Produktionszweig der Firma aus dem Osten abgekauft und selbst produziert.
    Ich habe eine Menge Leute im Arbeitsalltag nach der Wende aus Ostdeutschland im Westen kennen gelernt, fast nie hat die Qualifikation, die als vorhanden angeprisen wurde mit der danach erwarterten und benötigten übereingestimmt.
    Noch zum Schluß,
    selbst große Firmen brauchen drum herum kleinere Firmen als Zulieferer, Handwerker usw, auch die sind mitentscheidend ob ein Standort erfolgreich ist.
    Nicht die sind entscheidend die Sagen / meinen zu wissen, was gemacht werden müsse, sondern Die, welche real machen.
    Das sind Erfahrungen eines Wessi

    • Wie kommen Sie darauf, daß es im Osten zu wenig Leute gibt, die bereit und fähig sind, sich selbstständig zu machen? Bitte informieren Sie sich über die Statistiken, anstatt westdeutsche Vorurteile zu kolportieren. Danke. Die Selbständigenquote war mal im Osten mal im Westen etwas höher, aber im Wesentlichen ist sie gleich. Lesen Sie nach! In Brandenburg, Sachsen, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern ist sie höher als im Bundesdurchschnitt!

      https://de.statista.com/statistik/daten/studie/38297/umfrage/selbststaendigenquote-nach-bundeslaendern/

      Aber eine gleich hohe Selbständigenquote kann 2 flächendeckende De-Industrialisierungen genauso wenig wettmachen, wie weltfremde romantische Erzählungen von kleinen Betrieben, die im Laufe der Zeit wachsen (falls sie Glück haben und nicht Mangels Kapitaldecke bei der kleinsten Krise Insolvenz anmelden müssen).

      Die De-Industrialisierung von 1990 war auch nicht „einfacher“, sondern sie war wirtschafspolitisch gewollt. Man war an Ostdeutschland nur als Markt interessiert, nicht als konkurrierender Wirtschaftsstandort. Die westdeutsche Wirtschaft war seinerzeit zu 80% ausgelastet – da kam ein neuer Markt in Höhe von 20 Prozent gerade recht.

      Dabei hätte es für die Erhaltung großer Teile der ostdeutschen Wirtschaft nur eines Bruchteiles der Gelder bedurft, die hinterher als Unterstützung dort hin flossen. Aber gegen Gier kann Vernunft nicht viel ausrichten.

      • „Wie kommen Sie darauf, daß es im Osten zu wenig Leute gibt, die bereit und fähig sind sich selbständig zu machen“?
        Wenn sich Leute selbständig machen erfolgt dies nach meinen Erfahrungen oft mit durch Leute zumindest zum teil mit neuen Ideen und auch Leuten die sich als Beschäftigte in Ihrer Arbeitsentfaltung / Weise eingeengt fühlen und als Selbständige wesentlich mehr zu Stande bringen. In einem Gebiet wo die Wirtschaft schwach ist, es zu wenige Arbeitsplätze / Arbeit gibt, sind Leute die sich selbständig machen wichtiger als in Gegenden wo die Wirtschaft floriert und es viele Arbeitsplätze als Beschäftigte gibt. Wenn man Nach zahlen geht und das was propagiert wird. So verteilt sich bei Vielen Kleinen Untwernehmen auch der Gewinn auf Viele. Wenn die alle bei einem großen Unternehmen beschäftigt wären ( eventuell Westunternehmen, Kollonialherren wie von Manchen hier angeführt)
        wandern die Gewinne nur in eine Tasche und kommen der Region zusätzlich gar nicht zu gute sondern werden der Region entzogen. Zusätzlich habe ich die Erfahrung gemacht, daß bei manchen Tätigkeiten in Ostdeutschland / bei Ostdeutschen durchaus noch Fähigkeiten vorhanden sind um mit Arbeitsmethoden / Fähigkeiten aus dem Westen, die oft nur noch auf Arbeiten mit modernsten Maschinen beruhen unterm Strich mit Methoden aus dem Westen konkurrieren können oder gegenüber diesen sogar Vorteile haben.
        „Weltfremde romantische weltfremde Vorstellungen von kleinen Betrieben , die im Laufe der Zerit wachsen“. Weltfremd? Ich weiß ja nicht wo Sie leben.
        Da habe ich im Laufe meines Lebens doch einige kennen gelernt.
        Auch in meinem näherem Umfeld. Wo aus einer ein Personen Garagenfirma mit fast null Startkapital sich eine bedeutende Firmas entwickelt hat. Wo das was verdient wurde praktich alles immer investiert wurde. So kenne ich z.B. einm Ehepaar das mit einem alten Transporter und einigen einfachen Gerätschaften angefangen haben. Heute besteht ihr Unternehmen aus mehreren Firmen und sie Beschäftigeb 200 fest Angestellte.
        Ob die Kapitaldecke reicht kommt natürlich immer drauf an, wie man ein Geschäft aufbaut und mit den Finanzen umgeht. Ein bestehendes großes Geschäft zu übernehmen erfordert nornmalerweise mehr Kapital und ist von daher meist ein größeres Risiko als ein Unternehmen aus kleinern Anfängen aufzubauen. Es ist ja nicht so, daß ein großes Unternehmen von selbst läuft / automatisch Gewinn macht.
        Allerdings, klar Unternehmer heißt auch die Verantwortung, finanzielles Risiko tragen. Je schneller das Wachstum um so größer meist das Risiko, schon öfter mitgemacht, erlebt.
        Was weltfremd ist und was nicht kommt wohl auf die Erfahrungen an und von wo aus man es betrachtet

    • Danke, endlich mal einer der genau weiß, was warum schief lief. Nebenbei wird auch noch ein Klischee bedient. Sehr gut!

    • Es wird demnächst im Osten generell zu wenig Menschen geben. Da scheint es zwischen den 30 und 40 Jährigen eine große Lücke zu geben. Die Pfiffigen sind abgewandert…

  5. Ihre historischen Analysen sind sicher richtig. Bezogen auf die Zeit nach der Wiedervereinigung schreiben Sie allerdings: „30 Jahre müssen genügen, einen Weltmarktkonzern zu formen – siehe Huawei (in China)“. Huawei ist ein chinesischer Staatskonzern, der eng mit dem chinesischen Geheimdienst verbunden ist. Die Situation ist mit den Bedingungen in Deutschland in keiner Weise vergleichbar.
    Darüberhinaus bezweifele ich, dass eine Dekarbonisierung einer Industriegesellschaft zu einem wissenschaftlich-technischen Innovationsschub führen kann. Auch wenn das Thema Klima ja heute in keiner Veröffentlichung fehlen darf.
    Sachsen kann an eine lange Tradition qualitativer Wissenschaft und Forschung auf vielen Gebieten anknüpfen. Allerdings habe ich den Eindruck, dass bei Ausschreibungen deutscher Konzerne oft lieber mit großen ausländischen Konzernen (zB. Huawei) zusammengearbeitet wird, als dass man innovativen Betrieben zB. aus Sachsen eine reelle Chance gibt.

  6. Ein exzellenter Text, bei dem mir aber die Betrachtung zu sehr auf die Wirtschaft gelegt wird.

    Einige Fragen stellen sich mit durchaus:

    Vier allem die Rolle der ostdeutschen Frauen.
    Meine erste Erfahrung im Osten, im Januar oder Februar 1990 so ich micht recht entsinne, war die folgende: Mit einer Bekannten aus Ostberlin, die ich im Verlaufe des Trubel um die Maueröffnung kennengelernt hatte, holten wir deren Kind aus dem Kindergarten ab. Dabei bekam ich mit, daß ein Mädchen, knapp drei Jahre, offenbar nicht von ihre Mutter abgeholt worden war. Schließlich erzählte die Erzieherin, daß der Kindergarten einen Brief der Mutter erhalten habe: Sie sei nach Westdeutschland gegangen, wohin sage sie nicht, um ihre Tochter könne sie sich ab sofort nicht mehr kümmern. Der Kindergarten möge das bitte tun, die Großmutter lebe in der Gegend von Templin. Von der Leiterin der Kita hörte ich noch, daß dies der dritte Fall seit der Maueröffnung gewesen sei.
    Überhaupt fiel mir 1990 die hohe Zahl an Alleinerziehenden auf. Eine andere Bekannte arbeitete am Klinikum Berlin-Buch, als Krankenschwester. Diese Klinik verfügte sogar über einen Nachtkindergarten, also eine 24×7-Kita, um alleinerziehenden Müttern zu ermöglichen, Vollzeit im Dreischichtbetrieb zu arbeiten.
    Während diese Erfahrungen für mich eher ratlos zurückließen, fiel mir auch ein deutlicher Unterschied zwischen West- und Ostfrauen auf. Der äußerliche, also in Punkto Kleidung, Mode usw., verwischte sich schnell, nachdem die DM im Osten galt, sehr viel schneller als bei den Männern. Noch heute kann man dafür noch in der DDR sozialisierte Männer von westdeutschen an der Kleidung unterscheiden, obwohl die Unterschiede geringer geworden sind. Doch der Unterschied zu den Westfrauen war ein anderer: Sie waren auf eine schwer zu beschreibende Art direkter, freier – und vor allem fehlte völlig das westdeutsche Emanzentum, das gerade die westdeutsche Generation der Babyboomerfrauen so anstrengend macht. Sie waren sehr wohl emanzipiert, sahen aber Männer weder als Feindbild noch Problem an, ihre Emanzipation war, anders als im Westen, nicht gegen die Männer verlaufen, sondern entlang wirtschaftlicher Unabhängigkeit – daher das Eingangsbeispiel mit der 24×7-Kita. Die Abtreibung war anders als im Westen bis zur 12. Woche frei erlaubt und Kassenleistung, wurde aber nirgend als „Befreiung“ gefeiert. Im Gegenteil: Während Westdeutschland seit 1969 eine negative Geburtenrate und unzählige Kinderlose hatte, gab es freiwillige Kinderlosigkeit in der DDR nach meiner Erinnerung praktisch überhaupt keine, und die Geburtenrate war bis 1990 positiv. Natürlich spielte auch eine Rolle, daß schon 1990 im Westen, jedenfalls in meinen Jahrgängen, eindeutig der Typus der studierten Akademikerin mit Mittelschichtattitüden dominierte – in Osten traf ich aber überwiegend auf nichtakademische Frauen. Erst im Osten fiel mir auf, wie sehr Westdeutschland ein blasiertes Mittelschichtland mit importierter ausländischer Unterschicht für die Handlangerdienste geworden war. Schon 1990 gab es in Frankfurt kaum noch einen deutschen Müllkutscher – im Osten gab es so gut wie keine Ausländer an sich. Es wird niemanden erstaunen, wenn ich mich hier oute, daß meine spätere Frau dann auch aus dem Osten stammte, mit Westfrauen kam ich, zurück nach ein paar Jahren im Osten, nicht mehr zurecht, bis heute eigentlich nicht.
    Das ging aber nicht nur mir so.
    Frauen sind generell weniger an ihre Scholle gebunden, da ihre Loyalität nicht ihrem Land oder Volk, sondern nur ihrer Familie bzw. Sippe gilt. So waren es vor allem die Frauen, die aus dem Osten weggingen – die meisten nicht so radikal wie die von oben – aber sie gingen (wie meine auch). Die ostdeutschen Männer dagegen kauften sich südkoreanische Billigautos und pendelten dann auf der A4 oder A9 von Gera oder Roßlau oder so nach Frankfurt am Main, Sonntags um 21 Uhr rein ins Auto, dann ins Rhein-Main-Gebiet oder nach Stuttgart, Nürnberg oder Köln geblasen, und Freitag nach Feierabend wieder zurück. Jedesmal, wenn ich sonntag spätabends, von Berlin nach Frankfurt zurück fuhr, überrollte mich auf diesem elenden Abschnitt der A4 zwischen Eisenach und Bad Hersfeld diese Welle an Hyundais und Deawoos, mit halsbrecherischem Tempo, das nur jemand dort fahren kann, der diese Strecke ständig fährt und jeden Bremspunkt auswendig kennt, und immer Kennzeichen aus Sachsen oder Thüringern – und besetzt mit einem einzelnen Mann zwischen 30 und 50. Erst so um 2010 hat das nachgelassen. Frauen habe ich da nie drin gesehen – dafür arbeiteten in der Bank in Frankfurt, in der ich in den 2000er arbeitete, in einer Abteilung von 20 gleich 9 (!) junge ostdeutsche Frauen, die nach und nach alle Männern aus Hessen heirateten. Der halbe Westen wäre doch schon 1995 ohne die ostdeutschen Zuzügler zusammengebrochen, die Türken oder Jugos hätten diese Lücke niemals füllen können.

    Aus meiner Sicht ist es dieser ungeheuerliche Aderlaß, vor allem an Frauen, der den Osten ruiniert hat, viel mehr als jede Treuhand. Es ist für mich die größte Sünde des Westen gegenüber dem Osten, daß er den Osten demographisch so rücksichtslos ausgeplündert hat. Und das begann ja nicht erst 1990, sondern schon 1949. Ich bin mir nicht sicher, ob man diese gewaltige Umverlagerung an Humankapital ins Rheinland, Schwaben und Bayern wieder ausgleichen kann. Ostdeutschland hat durch die Abwanderung nach dem Westen von 1945 bis 2000 mehr Menschen verloren als in beiden Weltkriegen zusammen. Es ist bis heute ein Tabu, inwieweit das für Deutschland überhaupt ein Gewinn war – im Westen hat es den demographischen Verfall durch Gebärverzicht nur zeitweise aufgehalten, aber nicht gestoppt, im Gegenteil, da der Westen die deutsche Politik dominiert, sind dadurch Gegenmaßnahmen gegen die Kinderlosigkeit unterblieben, außer das alle Tore für Armutszuwanderer aus dem Ausland geöffnet wurden, nachdem Mitteldeutschland ausgeplündert war.

    Das wollte ich zu diesem Beitrag sagen. Es ist sicher nicht der einzige Aspekt, aber nach meiner Erfahrung einer, der Ostdeutschland bis heute prägt, und weil Demographie langte Vor- und Nachlaufzeiten hat, den Osten in Zukunft noch härter betreffen wird. Der Glaube von westdeutschen Importpolitikern wie Stahlknecht oder Ramelow, das mit der Ansiedlung von Muslimen oder Afrikaner ausgleichen zu können, zeigt, wie wenig verstanden worden ist. Wer wissen will, wie wenig das geht, der sollte sich nur einmal von einem Dresdner erzählen lassen, wie es um die „Rußlanddeutschen“ in Gorbitz steht.

    • Zitat: „Sie waren auf eine schwer zu beschreibende Art direkter, freier – und vor allem fehlte völlig das westdeutsche Emanzentum, das gerade die westdeutsche Generation der Babyboomerfrauen so anstrengend macht. “
      Sie sagen es. Ich habe knapp 20 Jahre im Westen gearbeitet, aber nie wirklich etwas von den Frauen dort verstanden. Wenn sie von ihren Anfängen im Unternehmen (Bank) erzählten, ich bin jetzt Rentnerin, dachte ich, dass ich mein Großmutter erzählen höre. Die mussten ihre Männer fragen, ob sie ein Konto bei der Bank haben dürfen, wie mir erzählt wurde. Die Frauen waren dabei so um die 10 Jahre jünger als ich. Die westdeutschen Frauen sind mir immer fremd geblieben, obwohl ich mich mit ihnen auch gut verstanden habe.

  7. Das sind nicht mehr als fromme Wünsche. Jetzt wird Mitteldeutschland zur Silicon Valley, und aus Braunkohlekumpeln Nobelpreisträger, die in Peenemünde die karbonfreie Industrierakete 5.0 starten. Wer seine Industrie dekarbonisieren will, kann sich gleich aus dem Kreis der G20 verabschieden, denn Wirtschaftswachstum geht nun mal mit steigendem Energieverbrauch einher. Deshalb wird man den Verlust von Industriearbeitsplätzen auch in Westdeutschland erleben, und Wolfsburg zum Detroit Europas werden. Dekarbonisierung ist komplett der falsche Ansatz. Da legt man 2 neue Gasleitungen durch die Ostsee zu uns, und betreibt hier 9000 Biogasanlagen, in denen man „Energiepflanzen“ wie Zuckerrüben und Mais vergast. Lieber Gott, schicke Hirn, und beende den Schwachsinn.

  8. Die Sanktionen der gruensozialitischen Merkel Truppe gegen Russland sind ein direkter Angriff auf Ostdeutschland. Ohne die Sanktionen gegen Russland wäre Ostdeutschland schon längst aufgeblüht!

    • Ostdeutschland hatte halt zahlreiche Wirtschaftsbeziehungen nach Rußland, wie auch andere EU Staaten im Osten die nach Rußland geliefert haben und darauf eingerichgtet waren, was aber die Verantwortlichen nicht interesssiert.
      Die „Sanktionen“ schadenden den Firmen nicht nur in Ostdeutschland, sie müsesen das Ganze ausbaden

    • Die Handelssanktionen gibt es erst seit der Ukraine-Krise 2014. Davor gab es 24 Jahre lang keine Sanktionen. Daran kann’s also nicht liegen. Tatsächlich wurden die Handelsbeziehungen schon durch die überstürzte Währungsunion mit ihrem völlig unangemessenen Umtauschkurs gekappt. Damit waren die ostdeutschen Waren für den Ostblock über Nacht nicht mehr bezahlbar. Die aktuellen Handelsbeziehungn waren zwar etwas ausgeprägter als in den ABL, sind aber für die Misere nicht entscheidend. Im Übrigen leiden z.B. westdeutsche Bauern nicht weniger als ostdeutsche unter den wegen der Sanktionen gefallenen Erzeugerpreisen. Das Milchbauernsterben darf sich die Bundesregierung an ihr Revers heften.
      Was an den Sanktionen, zu denen die Obama-Regierung die EU-Staaten gezwungen hat*), sozialistisch sein soll, ist nicht nachvollziehbar.

      *) https://www.freitag.de/autoren/julian-k/biden-obama-musste-eu-zu-sanktionen-zwingen

  9. Bitte nicht vergessen:
    „Nach 1990 wurde das DDR-Volksvermögen vom Westen geplündert, es war die größte Industriedemontage in der Geschichte der Menschheit und kein Volk auf Erden wurde so enteignet wie das Ostdeutsche, da 95% des Treuhandvermögens jetzt im West- Besitz ist.

    Aus 600 Milliarden Treuhandvermögen wurde am Ende eine Schreckensbilanz von minus 237 Milliarden D-Mark. Eine selbsttragende Wirtschaft ist in Ostdeutschland nicht mehr möglich, es werden immer große Transferzahlungen von West nach Ost notwendig sein, woran die BRD langsam ausblutet. Die Treuhand nach dem Zerfall der DDR hatte den größten wirtschaftskriminalistischen Betrug in Deutschland zu verantworten und die Menschen wurden einfach nur verkauft.“

    Sehenswert:
    Goldrausch Die Geschichte der Treuhand
    https://www.youtube.com/watch?v=OSDsg94F1sM

    • Kleine Ergänzug: Nicht 95% des Volkseigentums wurde an Westdeutsche verschleudert (oft für die symbolische 1 Mark) sondern 85%. 10% gingen an ausländische „Investoren“. In der Summe sind dann tatsächlich 95% an die neuen Kolonialherren verschleudert worden. Nur 5% der volkseigenen Liegenschaften durften von Ostdeutschen erworben werden.

      • @ Peter Mueller
        Interessanter Gedanke, das Sie noch einen differenzierten Unterschied zwischen den Kolonialherren herstellen.
        Wo es uns doch nach 30 Jahren im derzeitigen Endspiel gemeinsam so gnadenlos an die Substanz geht.

      • Ich bin als „Wessi“ auch der Meinung, daß das Volkseigentum größtenteils unter Wert verschleudert wurde, damit man es schnell los wurde und Geld in die
        Staatskassen floß. Der Beitritt von Ostdeutschland zur BRD kostete die BRD eine Menge.
        Aber: Zumindest zum Teil waren die Menschen in Ostdeutschland da selbst mitschuld. Es wurden größtenteils keine Ostprodukte mehr gekauft, es mußten Westprodukte sein. Zum Teil war jeder Dreck aus dem Westen aufschwatzbar, Hauptsache Westprodukt. Ostfirmen konnten ihre Waren nicht mehr verkaufen / absetzen hatten keinen Umsatz mehr und waren somit vom Umsatz her in Folge gar nichts mehr wert. Natürlich verloren die Beschäftigten dadurch Ihre Arbeit.
        Man meinte Man könne Ostdeutschland auf einen Schlag umkrempeln nach standard Westdeutschland. Das war ein Fehler. So wurden z.B. auch bestehende gute Strukturen zerstört.

  10. Es ist wie immer in der Politik. Das haben wir nicht gewusst und Schuld sind. die anderen. Obwohl in der BRD für Ministerien, Institute und zusätzlich Geheimdienste eine Völkerschar mit einem großen finanziellen Volumen sich über Jahrzehnte mit der DDR und einer eventuellen Wiedervereinigung beschäftigten, war als der Tag X endlich kam, keine brauchbaren Varianten dafür vor. Es war erschütternd das nun auf die Schnelle etwas zusammengebastelt werden musste. Von Seiten der DDR gab es keine politisch unbelasteten Wirtschaftler und Politiker die das meistern konnten. Wer damals versucht Ostinteressen in Bundesdeutsches Recht umzusetzen, hatte gegen eine politische, wirtschaftliche und sozial völlig anders ausgebildete BRD Mannschaft, wenig Chancen auf Verständnis. So kam es wie es kommen musste. Der alte Westen am Eigentum riesig und der arme
    Osten in dem Eigentum vorwiegend Volkseigentum. Volkseigentum, welches weder in der DDR noch danach dem Volk zurückgegeben wurde, Diese Dilemma konnte und kann nicht in ein oder zwei Generationen ausgeglichen werden. Wenn denn überhaupt. So wird das der Angelpunkt für weiteren Fortschritt im Osten bleiben.

  11. Ich stimme ihnen weitestgehend zu. Nur leider kommt die Erkenntnis zu spät und es wird sich auch nichts ändern.

  12. Ich weiß zu wenig, als dass ich zu diesen Mythen etwas sagen könnte. ABER:
    Zitat: „… nur durch Innovation und das Aufspringen auf einen neuen Technologiepfad gelingt. (geredet wird von der Ostwirtschaft) Das wäre aktuell das Bewältigen der Klimaherausforderungen, einmal durch Reduzierung der Klimagase („Dekarbonisierung der Industriegesellschaft“) … “
    Gerade das würde die Ostwirtschaft in den Untergang führen. Diese Produkte können i.d.R. nirgendwo abgesetzt werden. Jetziges Beispiel Harley Davidson eBike, welches keine Kunden findet. In der Welt, wird viel von Klimazeugs gesprochen, gehandelt wird aber wirtschaftlich. Keiner treibt diesen Encarbonisierung bis zum Exzess, wie es Deutschland will. Ist ja auch völlig irre, eine Industriegesellschaft zu formen, die kein CO2 haben will. Irre! Nicht nachvollziehbar und nur durch Steuergeldraub durchsetzbar, auch wenn dann die Produkte auf Halde produziert werden. Der Strompreis steigt wieder wegen der EEG-Umlage.

    • Ihr Beispiel E-Bike Harley Davidson wird noch verschärft durch technische Mängel.
      Zur Zeit dürfen die wenigen verkauften Fahrzeuge nur beim HD Händler an der
      Schnellladesäule geladen werden, nicht zu Hause über das Stromnetz.

      • Stimmt. Ich habe aber eben auch Stimmen gehört, dass der Hauptgrund die Absatzkrise des Bikes wäre. Nun, man stelle sich vor, eine Harley mit Elektromotor. So etwas geht m.E. überhaupt nicht.

  13. Ein Aspekt wird peinlich beschwiegen: Der Faktor, der am stärksten mit dem pro-Kopf-BIP korreliert, ist die durchschnittliche Denkkraft der ansässigen Bevölkerung in Kombination mit einer kognitiven Elite (H. Rindermann, Cognitive Capitalism, 2018). Für die DDR hat sich dazu der ostdeutsche Soziologe Volkmar Weiss bereits vor Jahrzehnten Gedanken gemacht und in seiner Monographie, untertitelt „Aufstieg und Fall der Industriegesellschaften“, darauf verwiesen, dass es den ostdeutschen Sozialisten ab 1945 einen Heidenspaß bereitete, die kognitive Elite Mitteldeutschlands buchstäblich vom Acker und aus ihren Fabriken zu jagen. Diese raren Unternehmer-Erfinderpersönlichkeiten sind nach 1989 nicht zurückgekehrt. In den Jahren seit Gründung der DDR wurden dann systematisch die Kinder kluger Eltern vom Studium ausgeschlossen und Leitungs- und Spitzenfunktionen bevorzugt an Arbeiter- und Bauernkinder vergeben. Honecker hatte eine abgebrochene Dachdeckerlehre vorzuweisen, Erich Mielke war Schlossen. Wer aus Westdeutschland nach 1990 in den Osten umzog, der gehörte in aller Regel zur dritten Garnitur, hatte sich im Westen nicht durchsetzen können. Dazu kam ein Heer von Glücksrittern und Halodris. Gegen ähnliche Effekte kämpfen übrigens die Italiener seit 150 Jahren vergebens und bei den PISA- und TIMSS-Schülervergleichstests kann man sehr schön den dramatischen Unterschied zwischen Nord- und Süditalienern bestaunen, der auch nach Milliarden Transferzahlungen nicht geschwunden ist.

    • Das kann ich so nicht bestätigen. Aus meiner Klasse hat man definitiv die Leistungsspitze zum Abitur gelassen. Und das waren allesamt keine Arbeiterkinder. Ihre Darstellung wirkt etwas selektiv, und die Personalien Honnecker und Mielke waren für die Gesellschaft in etwa so wenig repräsentativ wie Gruselgeschichten aus der Nachkriegszeit.

      Tatsächlich hat man erkannt, daß Intelligenz zu einem großen Teil erblich ist und hat dementsprechend gefördert (z.B. eigene Kinderkrippen- und -gärten an jeder Uni usw.) Gerade auch der von Ihnen erwähnte Volkmar Weiss spielte hierbei in der Forschung eine wesentliche Rolle – Zitat: >…als er zu DDR-Zeiten jahrelang Forschungen zur Intelligenz der Bevölkerung machen konnte, die ihn zu der Erkenntnis führten, dass hier „um 1990 eine Generation heranwuchs, die sich in ihrem mittleren IQ mit Ostasien (dieser gilt als einer der weltweit höchsten, Anm. d. Red.) messen konnte“.< https://www.welt.de/print-welt/article478393/IQ-Club-Mensa-Der-Osten-ist-intelligent.html

      Auch bei den Pisa-Test müssen sich die NBL alles andere als verstecken sondern belegen dort regelmäßig vordere Plätze – ganz im Gegensatz zu solch bildungsmäßig prekären Gegenden wie Berlin, Bremen, Hamburg, NRW…: https://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/laendervergleich-ostdeutsche-schueler-in-mathe-besser-als-westdeutsche-a-927216.html

      Offensichtlich kolportieren Sie liebevoll gepflegte Vorurteile, die sich kaum an der Realität messen lassen. Woher Sie diese Vorurteile haben, können Sie hier nachlesen: https://www.volksstimme.de/nachrichten/deutschland_und_welt/meinung_und_debatte/988523_Der-Ossi-als-Problembaer-der-Nation.html Jahrzehntelange Propaganda hinterläßt nun mal Spuren – auch bei Leuten, die intelligent sind oder sich dafür halten.

      • Natürlich wurden bevorzugt Arbeiter- und Bauernkinder zum Abitur und Studium zugelassen. Die ‚Intelligenzlerkinder‘ waren 2. Garnitur, es sein denn, sie hatten als Berufs-/Studienwunsch etwas angegeben, wo die Plätze schwer zu vergeben (unbeliebt) waren – Armee, Lehrer etc. Das waren keinesfalls Einzelfälle. Natürlich wurde das in den DDR-Anfängen wesentlich strenger gehandhabt, als in den 80-ern.

      • Es kam auf die Zeit an. Anfangs wurden Intelligenzlerkinder ausgeschlossen, etwas später durften dann die Kinder von Ärzten studieren, wieder etwas später wurde ein bestimmter Zensurendurchschnitt verlangt und es wurde quotiert. Später kam es nur auf den Zensurendurchschnitt an. Wenn man will, hat jeder recht, aber eben auf die Zeit kommt es an.

  14. Was mir in dem Artikel fehlt, ist der Hinweis auf die erste De-Industrialisierung Ostdeutschlands. Sie ist zwar in der Abbildung 1 graphisch dargestell, aber sie wird leider nicht erklärt. Das kann ich gerne nachholen.

    Eine gesamtdeutsche(!) Wehrmacht hatte gegen die SU einen Vernichtungskrieg angefangen und geführt, in dessen Folge dort 1.710 Städte, 70.000 Dörfer, 32.000 Industriebetriebe und 65.000 Kilometer Eisenbahnstrecke zerstört wurden. Damit hatte die SU wesentlich größere Schäden zu verzeichnen als die Westmächte und beharrte auf entsprechenden Reparationen.

    Eigentlich war die Frage der Teilung bei der Potsdamer Konferenz schon vom Tisch, aber die USA schlugen vor, daß jede Besatzungsmacht ihre Reparationsansprüche aus der eigenen Besatzungszone befriedigt. Die Westzonen wollte man vor den berechtigten Forderungen der Sowjets schützen, um wenigstens einen Teil Deutschlands als Absatzmarkt und Handelspartner zu erhalten und lieferte dafür die SBZ ans Messer.

    Da man Gebiete, die man wirtschaftlich derart ungleich behandelt, nicht politisch gleich behandeln kann, entschlossen sich die Westmächte – Zitat:

    „mitten durch Deutschland eine Grenze zu ziehen und östlich von ihr alles von Rußland verwalten und unter das sowjetische System des Staatssozialismus stellen zu lassen“

    http://www.1000dokumente.de/index.html?c=dokument_de&dokument=0011_pot&object=context&l=de

    In der Folge gingen alle Initiativen zur Deutschen Teilung von den Westmächten aus: Londoner Sechsmächtekonferenz unter Ausschluß der Sowjets, unangekündigte einseitige Währungsreform, Frankfurter Dokumente, einseitige Staatsgründung.

    Unterdessen demontierten die Sowjets in der SBZ (völlig zu Recht) 2.000 bis 2.400 der wichtigsten Industriebetriebe und 10.800 km Eisenbahnstrecke. Anschließend verlagerten sie die Reparationen auf Entnahmen aus laufender Produktion – diese betrugen bis zu 48 % des BIP. Man ließ die SBZ so lange ausbluten, bis es am 17. Juni 1953 zum Aufstand kam. Unmittelbar nach dem 17. Juni wurden die Reparationen für beendet erklärt. Es waren die größten in der Geschichte überhaupt bekannten Reparation, sie betrugen 97-98 % der gesamtdeutschen Reparationen und im Vergleich zu den Westzonen pro Kopf das 130fache.

    Selbst wenn die Wirtschaft im Osten marktwirtschaftlich gewesen wäre, hätte man diesen Rückstand niemals aufholen können. Das ist sehr deutlich aus dem Anstieg in der Grafik Abbildung 1 ersichtlich. Selbst bei parallelem Anstieg hätte es immer eine erhebliche Differenz gegeben.

    • Nachtrag: Was an der Grafik 1 zu denken gibt, ist weiterhin das prozentuale Verhältnis. Das Diagramm am Bildschirm ausmessend, stelle ich fest: Zu Beginn – also während der ersten De-Industrialisierung – beträgt die Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung Ost etwa 25% der Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung West. 1989 beträgt sie etwa 33% der Leistung West. Ein in der Grafik paralleler Anstieg wäre einen Anstieg von 25% auf über 80% der Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung West gleichgekommen.

      Oder anders ausgedrückt: Die Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung West ist bis 1989 auf etwa ihr 7,2-faches gewachsen. Im Osten ist sie auf das 8-fache angewachsen.

      Mir stellt sich damit die Frage, ob solch ein grafisch paralleler Anstieg (der bezogen auf das Verhältnis ein exponentieller Anstieg ist) bei diesen Ausgangsbedingungen selbst unter marktwirtschaftlichen Bedingungen real hätte sein können. Denn die Wachstums-RATEN Ost/West waren offensichtlich vergleichbar.

      • Jetzt werden hier sogar schon nüchterne Zahlen negativ bewertet. Realitätsverweigerung nennt man das wohl. Ich bin jedenfalls sehr amüsiert. Für die Leute, die nicht verstehen, wie stark sich unterschiedliche Startbedingungen bei gleichen Wachstumsraten auswirken, ein kleines Rechenbeispiel: Legen Sie 800 Mark und 200 Mark mit einem Zinssatz von 3 Prozent über 40 Jahre an. Im ersten Fall haben Sie am Ende 2609,63 Kapital, im zweiten 652,41. Sie werden also zwangläufig immer bei den 25% herumdümpeln. Wenn Sie auf die im obigen Diagramm gezeigten 33% kommen wollen, brauchen Sie nun mal höhere Wachstumsraten als Ihr feister Nachbar.

    • Es fehlten dem Osten jegliche Voraussetzungen für eine Marktwirtschaft. Alles was die Reparationen übrig ließen, war eigentlich Schrott. Uralt Maschinen und zum Teil aus ausgebrannten Gebäuden stark beschädigte Maschinen, wurden mühsam in Eigenregie repariert. Habe selber als junger Mann daran mitgewirkt. Leistungsabfall und immer neue Reparaturen mit entsprechenden Ausfallzeiten waren die Folge. Das damit überhaupt noch eine Versorgung möglich, war des eigentliche deutsche Wunder. Zur gleichen Zeit bei einem Besuch in Westberlin, konnte ich eine mit Mitteln des Marshallplan erstellte Großanlage zur Kabelherstellung bewundern. Ein leitender Mitarbeiter erklärte, erst die völlige Zerstörung der ehemaligen Fertigung hätte dazu geführt, das nun neueste und hochmoderne Technik zum Einsatz kommen konnte und man damit auf dem Weltmarkt der Konkurrenz um Längen voraus. Zwischen den beiden Systemen lagen Welten. Realistisch denkende Köpfe in der DDR Wirtschaft meinten: Das unter den Umständen der sozialistischen Planwirtschaft überhaupt noch eine Versorgung und sogar Export bis in die Achtziger möglich, sei das wirkliche Wirtschaftswunder. Erreicht allerdings nur auf Kosten und zu Lasten einer hart arbeitenden Bevölkerung und unter einem niedrigen Lebensstandard. Das hinterlässt wahrscheinlich noch über Generationen Nachwirkungen.

    • Ja – zumal auch bei weitem nicht alle Betriebe in der SU fachgerecht aufgebaut und genutzt werden konnten. Man hat im Grunde erst mal das gleiche gemacht, was die deutsche Besatzungsmacht 3,5 Jahre in der SU gemacht hat: alles mitgenommen, was nicht niet- und nagelfest war. Die Frage dabei ist, ob der Osten von Anfang an als Satellitenstaat geplant war. Wenn dies nicht von Anfang an geplant war, ergeben die Demontagen durchaus Sinn. Diese hatte man erst 1948 beendet und dann nur noch Entnahmen aus laufender Produktion vorgenommen. In diesen Kontext paßt, daß sich die SU nach dortigen Reparationsentnahmen auch aus Österreich zurückgezogen hat, die oben belegte Tatsache, daß die Teilung aus wirtschaftlichen Gründen von den Westmächten ausging sowie die Stalin-Noten.

      Die Stalin-Noten sind übrigens vom Separatisten Adenauer wider besseres Wissen*) aus 3 Gründen abgelehnt worden:

      1. Bei einer Wiedervereinigung wären die Reparationen wieder auf’s Tapet gekommen. Man hätte die ausgenommenen „Brüder und Schwestern“ im Osten unterstützen müssen, indem man die exorbitante Reparationslast gemeinsam trägt.

      2. Adenauers CDU wurde von der Rüstungsindustrie geschmiert (HS-30-Skandal, Octogon-Trust, Arte-Doku: „Die schwarzen Kassen der CDU/CSU“). Die Rüstungsindustrie machte aber an einer hochgerüsteten Systemgrenze wesentlich mehr Gewinn, als sie bei einem geeinten, neutralen Deutschland je hätte machen können.

      3. In gemeinsamen freien Wahlen hätte der Osten damals SPD gewählt. Adenauers Amtszeit wäre damit beendet gewesen.

      *) https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13518748.html

      • Danke, Herr Müller (muss mal gesagt weren), Sie haben mir sehr geholfen, mein Wissen zu erweitern.

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