Es dürfte allgemein bekannt sein, dass der französische Staat seit 1905 sich dem Prinzip des Laizismus verpflichtet weiß. Das heißt einerseits, Staat und Kirche sind strikt – viel strikter als in Deutschland – getrennt, andererseits kennt der Staat offiziell auch nur individuelle Bürger, die Glaubensgemeinschaften als Korporationen haben, keinen Status im öffentlichen Leben. Das gilt selbst für die traditionell größte Glaubensgemeinschaft, die Katholiken, die lange Zeit vom Staat sogar mit einer ausgesprochenen Feindseligkeit behandelt und bekämpft wurde. Diese Zeiten mögen vorbei sein, aber an der Fiktion, dass Religion eine reine Privatsache sei, wird festgehalten. Angesichts der nicht unbedingt immer erfreulichen Erfahrungen, die Deutschland mit dem Versuch macht, den Islamverbänden einen kirchenähnlichen Status zu verleihen und mit ihnen zu kooperieren, könnte man durchaus versucht sein zu meinen, dass das französische Staatsmodell in seinem Umgang mit muslimischen Immigranten und Religionsverbänden dem deutschen überlegen ist.
Liest man die Werke von Pierre Manent und namentlich sein Buch Situation de la France, das nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo Anfang 2015 entstand, wird man jedoch eines Besseren belehrt. Manents kurze Abhandlung erschien zwar schon 2015, um dann 2016 ins Englisch übersetzt zu werden, aber es ist doch lohnend, sich mit ihr näher auseinanderzusetzen, weil vieles aktuell geblieben ist und die französische Diskussion in den deutschen Medien oft zu kurz kommt. Manent (geb. 1949) besitzt internationales Renommee und lehrt an der École des Hautes Études en Sciences Sociales in Paris. Zu seinen Hauptwerken gehört eine Studie über die Geschichte der Civitas, der Gemeinschaft von Bürgern als Res Publica, die 2010 auf Französisch und 2013 auf Englisch unter dem Titel Metamorphoses of the City: On the Western Dynamic, erschien. Er gilt als Verteidiger des Nationalstaates und als scharfer Kritiker der post-demokratischen EU. Es dürfte sich schon deshalb lohnen, eines seiner Werke hier vorzustellen, denn wie der EU-Wahlkampf zeigt, sind die pro-EU Eliten mehr denn je entschlossen, den residualen Nationalstaat endgültig seiner Autorität zu berauben und immer mehr Entscheidungen ins postdemokratische Nirwana nach Brüssel zu verlagern. Manents Werk ist wichtig, weil er spezifisch europäische, in diesem Fall vor allem christliche Traditionen verteidigt, ohne deshalb andere Religionen oder Traditionen, wie Islam oder Judentum herabzuwürdigen oder zu diskreditieren. In einer oft mit einer gewissen Hysterie geführten Debatte, sind seine Beiträge von Besonnenheit geprägt, die eine scharfe Kritik an der Orientierungslosigkeit der politischen Eliten Europas nicht ausschließt.
Die vielfach gescheiterte Integration muslimischer Immigranten
Die zentrale Ausgangsfrage von Situation de la France ist das Problem der Integration einer wachsenden Zahl von Muslimen. Diese ist in Frankreich bislang ebenso wenig überzeugend gelungen wie in anderen europäischen Ländern. Manent macht zunächst deutlich, dass es weder angemessen noch erfolgversprechend wäre, auf eine Art Zwangsassimilation zu setzen. Das, was für ihn den Islam über alle Unterschiede hinweg definiert, ist ein System ethischer Regeln und sozialer Praktiken, also Sitten (moeurs), die den Alltag des Menschen bestimmen. Das Christentum ist in seinem Kern Bekenntnis und Glaube, ein bestimmtes Modell der Lebensführung, obwohl es lange auch im Christentum große Bedeutung hatte, ist sekundär, im Islam steht eher die Beachtung sittlicher und sakraler Regeln für die Lebensführung im Vordergrund, etwa mit Blick auf das Ideal ritueller Reinheit, das im Islam eine ungleich größere Rolle spielt als im Christentum. Diese Regeln können strenger oder weniger weniger streng ausgelegt werden, da gab und gibt es viele Varianten, die auch dem historischen Wandel unterlagen, wie Manent zurecht betont, aber die Reduktion ausschließlich auf persönliche Spiritualität ist schwierig, wenn nicht sogar unmöglich. Eben das verlangt aber die Idee einer strengen Laizität – ein Anspruch, der nach Manents Ansicht nicht eingelöst werden kann, zumal man die Immigranten ursprünglich in Frankreich aufgenommen hatte, ohne von ihnen eine derartige Anpassung zu verlangen.
Dazu kommt ein Weiteres. Die laizistische Republik befindet sich im Niedergang. Der französische Nationalstaat des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts war ein starker Staat, der es wagte, von seinen Bürgern Opfer zu verlangen. Er war eng verbunden war mit einer Nation, die einen fast sakralen Charakter beanspruchte, und er setzte vor allem über seine Schulen ein einheitliches Bildungsprogramm durch, dessen Kern ein klarer Kanon großer Werke und kultureller Leistungen war, ein Kanon, der trotz aller politischen Differenzen zwischen Rechts und Links in Frankreich nicht wirklich umstritten war. Man hatte den Mut, zwischen großer Dichtung und Alltagsliteratur, großer Kunst und bloßer Unterhaltung zu unterscheiden. Diese Sicherheit des Urteils ist der Gegenwart verloren gegangen, es herrscht auch in Frankreich in Bildungsfragen eher die postmoderne Beliebigkeit.
Die Dominanz individueller Rechte gegenüber einer objektiven sozialen Ordnung als Grundproblem
Ein anderer Faktor ist ebenfalls wichtig. Der heutige Staat, so Manent, sieht sich vor allem als Wahrer individueller Freiheitsrechte. Ein gemeinsames nationales Projekt gibt es kaum, und vor allem gibt es keine für den Alltag relevanten Werte und Normen mehr, die gesellschaftliche Verbindlichkeit beanspruchen könnten. Für solche Werte einzutreten, würde ja auch der dominanten Ideologie der Gegenwart widersprechen, der Auffassung, dass individuelle Menschenrechte das Einzige sind, was noch eine Bedeutung hat. Die modernen Europäer seien die ersten Menschen, die sich diesem radikalen Individualismus hingegeben hätten. Hätten frühere Gesellschaft dies getan, hätte es weder Familien, noch städtische Kommunen, noch Religionsgemeinschaften gegeben, so Manent, denn solche Institutionen verlangten immer die Unterordnung des Einzelnen unter eine soziale Ordnung, die auf Minderheiten nur begrenzt Rücksicht nehme. Was sind in einer solchen Situation heute die viel beschworenen „Werte der Republik“? Einfach nur jene Normen und politischen Regeln, die es den Menschen erlaubten, möglichst konfliktfrei zusammenzuleben, ohne faktisch irgendetwas gemeinsam zu haben, ohne irgendetwas wirklich zu teilen (129).
Einer solchen Nation fällt es natürlich schwer, Fremde zu integrieren, weil es ihnen gar kein Angebot machen kann, von ihnen aber auch nichts verlangen will, außer vielleicht genauso radikale Individualisten zu werden wie die Europäer. Genau das werden die meisten Muslime so bald nicht tun, weil es mit ihrer Religion nicht vereinbar ist, und weil sie dieses Lebensmodell auch nicht als attraktiv betrachten. Die postmoderne politische Linke begrüßt ihre Präsenz dennoch, denn der wachsende Einfluss der konservativen, anti-westlichen Strömungen des Islam – für liberale Varianten, die die regressive Linke daher auch eher ablehnt, gilt das natürlich nicht – ist für die Linke ein willkommener Beweis dafür, dass Europa kulturell und historisch ein leerer Raum ist, der keine Traditionen besitzt, die irgendwie verteidigt werden könnten oder sollten. Der Islam, so schreibt Manent, müsse aus der Sicht der Linken aufgenommen werden, „sans réserve ne question afin de vérifier que L’Europe est bien vide de toute substance commune, nationale ou religieuse.“ (S. 102). Das alles sind für eine Integration keine guten Voraussetzungen.
Was kann man ändern?
Was schlägt Manent selber in dieser Situation vor? Zum einen dürfe man in der Tat von den Muslimen nicht verlangen, ihre Traditionen zu verleugnen, sondern müsse sie als Bürger akzeptieren mit dem Recht, ihren Glauben auch in der Öffentlichkeit zu zeigen und zu praktizieren, ihn also nicht radikal zu privatisieren. Von daher ist ein Kopftuchverbot für Schülerinnen, wie es in Frankreich besteht, schwer zu begründen. Wohl aber könne man verlangen, dass bestimmte elementare Rechtsprinzipien beachtet würden. Dazu gehöre der Verzicht auf die Polygamie und auf die Ganzkörperverschleierung, die ein Angriff auf das menschliche Zusammenleben sei, sowie die Anerkennung des Prinzips der Meinungsfreiheit auch in religiösen Fragen bis hin zum Recht, Religionen auch harsch und aggressiv zu kritisieren. Das alles freilich reicht nicht, wenn sich nicht, so Manent, Frankreich auf die Grundlagen seiner Existenz zurückbesinne. Diese aber seien immer noch christlich. Auch wenn heute praktizierende Katholiken nur noch eine relativ kleine Minderheit seien, bleibe Frankreich ein vom Christentum geprägtes Land, das müsse entgegen den bisherigen Prinzipien der Laizität auch der Staat anerkennen, zumal die Muslime Frankreich ohnehin in dieser Perspektive sehen würden. Sie würden sich als Minderheit in einem christlichen Land sehen.
In der Trennung zwischen Staat und Kirche sieht Manent auch keine spezifisch europäische Tradition, da diese bis zum Ende des 18. Jahrhunderts immer eng verbunden gewesen seien, und die Trennung nur sehr schrittweise erfolgt sei. Etwas Anderes macht für ihn den Kern der westlichen Lebensordnung aus, jedenfalls für das Gebiet der lateinischen Christenheit – für die Ostkirche galten und gelten andere Traditionen. Im Westen zerfiel schon in der Spätantike das Römische Reich, aus dem das Christentum hervorgegangen war. An seine Stelle trat eine Vielzahl von Königreichen, Fürstentümern und Stadtstaaten, Gemeinwesen, die nicht einfach durch eine Dynastie konstituiert wurden, sondern oft ein korporatives Eigenleben gegenüber dem Monarchen oder Herrscher erlangten. Vorbild für jede politische Ordnung blieb dabei immer bis zu einem gewissen Grade die antike Polis oder Civitas, als Gemeinschaft von Bürgern. Eine Idee, an der sich Rom auch noch in seiner imperialen Phase orientiert habe.
Für die islamische Welt war hingegen das Imperium ein dynastisches Großreich mit universalem Herrschaftsanspruch, bis zum Beginn des 19. Jahrhundert die dominante politische Organisationsform. Beispiele dafür wären sowohl das Reich der frühen Kalifen als auch das Osmanische Reich oder das Reich der Moguln in Indien. Eine Tradition des Republikanismus oder des Stadtstaates, der Civitas, fehle hingegen im Islam. Das erkläre auch zum Teil, warum die meisten heutigen islamischen Nationalstaaten politisch eher instabil seien und nur die allerwenigsten als liberale Demokratien bezeichnet werden könnten. Was man nach Manent von muslimischen Immigranten verlangen müsse, sei nicht, ihre ethischen Vorstellungen aufzugeben, aber doch sich auf den Nationalstaat, in diesem Fall also Frankreich, einzulassen und sich als Bürger dieses Staates zu definieren und nicht in erster Linie als Angehörige der Umma, der Gemeinschaft aller Gläubigen weltweit.
Gerade diese Forderung könne man aber gar nicht glaubhaft vertreten, wenn man den eigenen Nationalstaat demontiere, indem man ihn etwa in der eher wie ein Imperium strukturierten EU aufgehen lasse und damit die wertvollste politische Tradition Europas verrate. Zwar habe die EU ein Parlament, aber dieses Parlament repräsentiere eigentlich nichts und niemanden, weil es ein gemeinsames Wir, einen europäischen Demos, nicht gebe. Noch gefährlicher sei aber eine Ideologie, die den individuellen Rechten jedes Bürgers eine absolute Priorität gegenüber jeder übergreifenden moralischen und sozialen Ordnung einräume, wie das heute in Europa der Fall sei. Eine solche Ideologie wirke für Muslime auch deshalb wenig plausibel, da ihre Heimatländer meist keine stabilen Nationalstaaten seien, für die das Bekenntnis zu Menschen- und Bürgerrechten eine konstituierende Kraft habe, wie in Frankreich oder in anderen Ländern. Sie würden daher umso mehr dazu neigen, in einer Gesellschaft atomisierter Individuen, die nur durch eine formale Rechtsordnung zusammengehalten werde, ihre durch gemeinsame Sitten definierte ethnisch-religiöse Gemeinschaft zu verteidigen und abzuschotten.
Am Ende der Lektüre der Schrift Manents bleibt eine gewisse Ratlosigkeit, weil die Situation einigermaßen aussichtslos erscheint, zumal Manents Sehnsucht nach einer vom Katholizismus geprägten Gesellschaft oft als allzu nostalgisch erscheint und auch die Bedeutung der Aufklärung für Europa vernachlässigt. Allerdings, diese Erkenntnis und sie ist plausibel, muss man wohl doch festhalten: Wenn die Integration von Immigranten heute so oft misslingt, dann sollte man die Schuld nicht unbedingt bei den Neuankömmlingen suchen, sondern, wie es Manent tut, bei der politischen und kulturellen Entwicklung in Europa selber. Die Schwächung des Nationalstaates, die Ablehnung der politischen und kulturellen Traditionen Europas, und eine gesellschaftliche und politische Ordnung, die sich nur noch durch den Bezug auf absolut gesetzte individuelle Rechte legitimiert, die nicht mehr wagt, soziale Institutionen wie z. B. die Ehe, die Menschen in der Gestaltung ihres persönlichen Lebens auch nur ansatzweise beschränken, zu verteidigen, sind alles Phänomene, die ein Integrationshindernis darstellen, zumal der radikale westliche Individualismus sich nur schlecht mit den Werten verträgt, zu denen sich die meisten Muslime bekennen, es sei denn, sie hätten mit ihrer eigenen Tradition schon weitgehend gebrochen. Das aber wird die Mehrzahl so bald nicht tun.
Pierre Manent, Situation de la France, Paris 2015, 173 S.; englisch: Beyond Radical Secularism. How France and the Christian West Should Respond to the Islamic Challenge, South Bend, Ind. 2016, 124 S. – Ich zitiere hier nach der französischen Ausgabe. Ich danke meinem israelischen Kollegen Hillay Zmora für den Hinweis auf das Werk von Manent.
Auch wenn ich es noch einmal wiederholen muß , danke für diese bereichernden Horizonterweiterungen , auch an alle Kommentatoren bleiben Sie TE treu
Danke für den Hinweis auf das wichtige Werk von Pierre Manent, das in den USA viel breiter und tiefer rezipiert wird als in Europa. Manent weist zu Recht auf die entscheidende Bedeutung der europäischen religiösen Traditionen hin. Dass die Rede vom christlichen Abendland überflüssig sei, kann nur den geistesgeschichtlich Naiven in den Sinn kommen, zu denen bekanntlich auch kirchliche Würdenträger gehören. Manent weist auf die innere Schwäche der europäischen Staaten hin, die Europa als kulturelle blackbox verstehen. Solange sich die europäischen Staaten nicht auf ihre eigenen spirituellen Traditionen besinnen, werden sie dem Islam auf Dauer nichts entgegenzusetzen haben. Sie werden schlicht in ihrer gegenwärtigen Gestalt von innen her erodieren. Die Handlungsfähigkeit der europäischen Nationen geht ohne den inneren kulturellen Zusammenhalt ihrer Bürgerinnen und Bürger, der eben massgeblich religiös bedingt ist, verloren. Die blosse Gerechtigkeitsidee, wie sie von einem Locke oder Rawls vertreten wird, genügt als Basis für diesen Zusammenhalt nicht. Das liesse sich als bloss neutrales Faktum konstatieren, wenn nicht die funktionierende Demokratie nach wie vor auf die Existenz von Nationen mit ihren je spezifischen Traditionen angewiesen wäre, wie Manent in seinem Werk „La raison des nations. Réflexions sur la démocratie en Europe“ (2006) deutlich macht. Die grosse Frage ist, ob wir den imperialen Termitenstaat aus isolierten Einzelnen wollen, in dem nur noch gemäss dem Gesetz ökonomischer Notwendigkeit gehandelt wird, oder ob es gelingt, eine Form des Zuammenlebens zu finden, in der der Einsatz für das Gemeinwohl in der inneren Natur des Menschen begründet ist (La situation de la France, 109). Nur in Letzterem lässt sich die menschliche Freiheit bewahren.
Gegen die Trennung von Kirche und Staat ist nichts einzuwenden, ja, sie ist sogar notwendig. Das heisst aber nicht, dass beide sich gegenseitig nichts angehen. Das bekannte Diktum Böckenfördes, dass der freiheitliche, säkularisierte Staat von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht garantieren kann (Recht, Staat, Freiheit [1991], 112), zeigt, dass die bewusste Abwertung der eigenen christlichen Wurzeln durch staatliche Organe von suizidaler Natur ist: Der Staat sägt den Ast ab, auf dem er sitzt. Die Rolle der Aufklärung für den Bestand der Demokratie wird dabei grossartig überschätzt. Eine bündige Menschenrechtstheorie findet man bereits im 16. Jahrhundert in der spanischen Hochscholastik (auch dazu Böckenförde: Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie. Antike und Mittelalter, 2. Aufl. 2006, 339-398). Egon Flaig weist in seiner „Weltgeschichte der Sklaverei“ zu Recht darauf hin, dass in der konkreten Abschaffung der Sklaverei nicht die Aufklärungsphilosophen, sondern protestantische Gruppierungen wie die Quaker und die Mennoniten die entscheidenden Vorreiter waren (200-201).
Die Aufklärungsbewegung – im breitesten Sinn genommen – ist als Reaktion auf die Konfessionskriege verständlich. Das heisst aber nicht, dass die Aufklärung irgendwelche dauerhaften Lösungen erzielt hätte. Im Gegenteil, Manent zeigt z.B. in „La cité de l’homme“ (1994) die Aporien des Aufklärungsprojektes auf, die wir gerade heute besonders spüren. Menschenrechte und Freiheitsgedanke sind eben keine Erfindungen der Aufklärung, sondern lassen sich allein aus den jüdisch-christlichen Wurzeln Europas verstehen, und sie lassen sich auch nur von dorther bewahren. Wer sich für die Menschenrechte z.B. auf Immanuel Kant beruft, der sollte sich auch die Kritik Johann Georg Hamanns an Kant zu Gemüte führen.
Der entscheidende Theoretiker der Demokratie war wohl Alexis de Tocqueville, dem Manent ebenfalls ein Buch gewidmet hat (Tocqueville et la nature de la démocratie [1993]). Tocqueville hat die Bedeutung der Religion für die Bewahrung der Freiheit klar erkannt. Ich empfinde Manents Verweis auf die spirituellen Quellen Europas nicht als nostalgisch, sondern als eine Aufforderung zu eine konstruktiven Wiederholung nach vorwärts: Die christliche Tradition muss noch deutlicher und besser zum Zuge kommen, und die eigenständigen politischen Implikationen dieser Tradition müssen erneut durchdacht werden. Das ist eine Aufgabe, die momentan in den USA von einigen Leuten in Angriff genommen wird.
Eine letzte Bemerkung: In seinem autobiographischen Buch „Le regard politique“ (2010) beschreibt Manent seine schulische Ausbildung und betont dabei insbesondere die fächerübergreifende Bedeutung der Beherrschung der französischen Sprache. Eine klare Sprache hat immer auch mit klarem Denken zu tun. Deshalb wurde z.B. der Mathematikunterricht in Manents Schule automatisch auch zum Französischunterricht (28). Die kulturelle Bedeutung der Pflege der eigenen Sprache lässt sich gar nicht überschätzen. Integrationsbenühungen haben deshalb zentral hier anzusetzen.
Ich sehe Sie kennen das in Deutschland eigentlich wenig bekannte Werk von Manent, auf das ich nur durch einen Kollegen aus Isreale stieß, besser als ich, schreiben Sie mir doch mal eine Mail (siehe homepage) ein Kontakt würde mich freuen. Prof. Dr. R. G. Asch
Die Probleme der Bundesrepublik Deutschland liegen wesentlich weiter in der Vergangenheit als heute gedacht wird. Für manche fangen sie schon beim Grundgesetz an, das ja bewusst nicht als Verfassung bezeichnet wird, weil es eben nicht von allen Deutschen beschlossen wurde. Worauf ich aber eigentlich hinaus möchte und was ich als die nicht geplante Sollbruchstelle unserer Nation ansehe, ist sind die Vorgänge um die 68-er und das, was sich in Folge dessen aus ihnen entwickelt hat. Seit den 80 Jahren ist ein sich beschleunigender Niedergang zu verzeichnen, der zum einen daher rührt, dass immer weniger Menschen aus der Vor-BRD-Generation leben und zum anderen, dass der Marsch der Linken durch die Institutionen so erfolgreich war, dass Schulen, Verwaltungen, Gerichte, Parteien, ja das gesamte öffentliche Leben mittlerweile links domininiert sind. Aufgrund der Ideologie mit fatalen Folgen. Die Wiedervereinigung hat noch einmal für eine kleine Blutauffrischung gesorgt, kann den Niedergang Deutschlands als Nation, die seit 1945 ohnehin nur unter Vorbehalt existiert, nicht verhindern.
Das Gemeinwesen der europäischen Nationalstaaten geht vor allem zu Grunde, weil man die Leistungsträger zwingt, ausgedehnte Teile der Bevölkerung zu alimentieren. Die Umverteilungslasten nehmen mit jedem Jahr zu.
„Noch gefährlicher sei aber eine Ideologie, die den individuellen Rechten jedes Bürgers eine absolute Priorität gegenüber jeder übergreifenden moralischen und sozialen Ordnung einräume, wie das heute in Europa der Fall sei.“ Das stimmt so nicht. Wem man mehr als 50 % seines Erarbeiteten klaut, um es großzügig als Wahlgeschenke zu verteilen, hat wenig individuelle Rechte, sondern muss zusehen, wie er über die Runden kommt.
Die Muslime haben das Problem, dass sie als überlegene Gläubige (alle anderen sind Ungläubige), trotzdem all zu oft als Transferempfänger auftreten müssen. Es ist wieder einmal die Ökonomie. Eine Gemeinschaft findet sich nur zusammen, wenn es gefühlt ein Mindestmaß an Gerechtigkeit gibt. Die gemeinsame Kultur ist dann das Sahnehäubchen.
Durch das Abzapfen der Kosten für die Umverteilung werden die Leistungsträger der Mittelschicht so weit geschröpft, dass sie keine echte Basis für die westliche Gesellschaft aufbauen können. Dadurch werden der Aufbau eines bürgelichen Wohlstandes mit Immobilienbesitz und mehr als 2 Kindern immer mehr zum Luxus für eine Durchschnittsverdienerfamilie, während Transferempfänger genug Zeit und Muße für eine zahlreiche Kinderschar haben. Das Phänomen ist insbesondere in den Ballungszentren offensichtlich.
Die „Schwarzfüße“ die aus Algerien zurück kamen (nach z.T. > 100jährigem Leben dort (man denke dabei an unsere Türken)), waren allesamt echte Franzosen und benahmen sich auch so.
Die echten Nordafrikaner kamen seinerzeit auf Veranlassung der Arbeitgeberverbände explizit um die Macht der franz. Gewerkschaften zu brechen.
Die mod. Einwanderung (von unseren Türken seinerzeitigen als Natotribut vielleicht abgesehen) entspringt fast immer der seltsamen Koalition aus Kapital und Kulturmarxismus….
es ist immer wieder erfrischend, wenn die Schafe sich daran machen den Wölfen (gemäßigte) Regeln vorzuschlagen, in der Realität aber werden Schafe gefressen, wenn sie nicht selbst zum Wolf werden oder sich zum Herdenschutz organisieren und unter sich bleiben
Ich halte das für zu kurz gegriffen. In Europa, zumindestens bei millionen Europäern die ein Bewußtsein für Recht, Gerechtigkeit, Freiheit, Demokratie und Geschichte haben, spielt der Glaube keinerlei Rolle mehr. Sie wissen das Traditionen oder der Glaube an irgend einen Gott die Grundlage für eine Spaltung der Gesellschaft sind. Für millionen von Bürgern ist das analysieren derer mit denen man in einer Gesellschaft zusammenlebt und das soziologische Moment wesentlicher als der Hinweis auf eine christliche Tradition oder Regeln. Es ist sogar anmaßend und falsch immer zu wiederholen das wir christlich geprägt seien und man aus Nächstenliebe auch andere Religionen und deren Traditionen zu respektieren hat. Das verachtet all jene die keinen Gott haben und nur den Menschen als evolutionäres Wesen sehen, und die mit ihrer Vorstellung primär Mensch unter Menschen zu sein die einzig mögliche Denk- und Verhaltensweise an den Tag legen die man als vernünftig bezeichnen kann. Was ist daran so schwer zu begreifen das wir Regeln brauchen an die sich alle zu halten haben? Warum wird alle Energie dazu benutzt zu behaupten man müsse in einem christlich geprägten (19. Jahrhundert) Europa für die Traditionen der Moslems unendlich viel Gedult aufbringen? Unsere Regeln des Zusammenlebens sind unsere Tradition. Und diese Regeln zu befolgen und zu verinnerlichen ist eine sehr große Leistung auf die man stolz sein kann, weil es gewährleistet das wir in einer freien Gesellschaft leben können. Nur weil jemand ein Kreuz aufhängt oder ein Kopftuch aufzieht kann er sich nicht 300 Jahre in die Vergangenheit katapultieren und nach eigen Regeln leben. Weniger Manent, mehr Nietzsche!
absolut richtig, gerade das „gottlose“ Leben ist die Errungenschaft der abendländischen Zivilisation, auch wenn immer wieder die Versuchung besteht es durch Ideologien (wie derzeit „Klima“) zu substituieren.
Allein das die Abergläubigen es geschafft haben, daß nun solche Diskussionen geführt werden (im röm. Sinne, „es ist gleich ob es die Götter gibt, aber das Glaube an sie ist nützlich…“), zeugt wie weit wir gekommen sind und wie dünn die Tünche der Vernunft nach den Schrecknissen der -ismen des 20. Jh. wirklich war….
Die „kritische Vernunft“ (auch wenn der Mann gläubig war) ist unsere einzige Chance gegen Barbarei und Stagnation.
Sie sehen die Zusammenhänge, Herr Theren. Aber spühren sie auch die Verlorenheit, angesichts der politischen und gesellschaftlichen Ereignisse in und um Dt., wenn sie dann diese zwei Worte, „kritische Vernunft“ zu Papier bringen? Es sind nur zwei Worte, aber sie beinhalten so einen substantiellen Anachronismus wenn man sie im Heute ausspricht oder schreibt, das man alle Hoffnung fahren lässt das auch nur eines der beiden Worte in unserer Gesellschaft Anwendung findet.
die strategische Lage ist in der Tat hoffnungslos, aber der „Wert eines Mannes“ wird eben erst dann deutlich, wenn man in eben dieser Lage besonnen, ethisch klar aber in der Sache eindeutig agiert…bei mir ist es der zivile Widerstand an allen „Fronten“ und der Versuch einige „Seelen zu retten“, dazu kommt dann natürlich sehr viel an persönlichen Umständen…
Ich empfehle der Lied „frei geboren“ (leider von den Falschen gesungen, um hier den Link zu geben)
P.S. noch zu erwähnen wäre, das die uns heute als besonders positiv erscheinenen „christlich-jüdischen Werte“ fast zur ganze der griechisch-römischen Philosophie, insbesondere des 2. Jh, entstammen und sich im Orient niemals hätten entwicklen können
Muslime würden sich auch in starken Nationalstaaten nicht integrieren. Blindes Rumgestochere im Nebel von dem Angehörigen der französischen Elite mit seinen Aufsätzen und Büchern für seinesgleichen, die ausserhalb seiner Wohlstandsblase niemanden interessieren. Einer, der für die Zustände in Europa Verantwortung trägt und nun durch “intellektuelle” Planspielchen versucht sein Gewissen zu beruhigen. Wenn Enteignungen jemals Sinn gemacht haben, dann im hier und heute für genau diese Teile der zutiefst verdorbenen und feigen 68er Generation.
Wir brauchen nicht nach Frankreich zu schauen oder – bei allem Respekt – englische Texte zu übersetzen. Von Böckenförde stammt die Erkenntnis, der liberale, säkularisierte Rechtsstaat könne seine eigenen Voraussetzungen nicht garantieren. Das als „Böckenförde-Dilemma“ bekannt gewordene Theorem stammt aus einem Werk, das Mitte der siebziger Jahre veröffentlicht wurde und wurde überzeugend begründet.
Alles hat sich bewahrheitet – leider.
Welche Konsequenzen sind zu ziehen? Es wäre ein ganzer Strauß an Blumen des Bösen nötig, um zu stabilen Verhältnissen zurückzukehren.
Den Beginn muss jeder bei sich selbst suchen. Freiheit muss man verteidigen, und zwar auch unter Inkaufnahme persönlicher Nachteile. Kennedy sehe ich insgesamt kritisch, stimme ihm aber zu, wenn er sagt: „Frage nicht, was Dein Land für Dich tun kann, frage Dich , was Du für Dein Land tun kannst.“
Freiheitsrechte in Anspruch zu nehmen, ist das eine. Verantwortlich handeln ist das andere. Hierzu gehört Selbstbeschränkung, aber eben auch Zurückweisung unverschämter, destruktiver, wenn nicht sogar asozialer Forderungen. Roland Tichy hat bei Talk im Hangar 7 zu einer Dschihadistin einen Satz gesagt, der alles in einem Punkt zusammenfasst. Bis heute verstehe ich nicht, warum anscheinend nur mir dieser Satz in Erinnerung geblieben ist.
„Sie benutzen unsere Werte, um uns zu töten.“ Genial. Großes Lob von einem Nichtprominenten – besser kann man es nicht ausdrücken.
Genau das hat nämlich Böckenförde vorhergesehen, inklusive, unserer Schwäche, sich dem entgegenzustellen. Ob Böckenförde eine Vorstellung von seinen Nachfolgern in Karlsruhe hatte?
Das unerträgliche Urteil des Bundesverfassungsgericht zum Kopftuch war eine Kapitulation vor dem Islam. Ein Gutachten der DITIB gab den Ausschlag und führte zu einer Umkehrung des Verständnisses von Religionsfreiheit: Weg von „Freiheit von Religion“ hin zu „Ich kann und darf alles und mir steht auch alles zu“. Ich bin gespannt, wann sich der erste Mörder auf Religionsfreiheit beruft.
Schaut man sich den Präsidenten in Karlsruhe an, weiß man warum. Niemand symbolisiert in seiner gelehrigen Geschwätzigkeit den Niedergang unseres Landes so deutlich wie der Mann mit der Brille. Einen Vergleich mit Böckenförde führe ich lieber nicht; er könnte teuer werden.
Hätte der Mann mit der Brille und der sanften Stimme mal lieber auf Goethe gehört: „Hier steh ich nun, ich lieber Tor und bin so klug als wie zuvor. Es irrt der Mensch so lang er strebt.“ Urteile, so lang wie die Bohnenranke in die Wolken enthalten vor allem Geschwurbel und Illusionen. Bernhard Schlink bekannte einst, er habe eine Generation von Juristen erziehen wollen, die das Gesetz liebt. Er sei gescheitert, denn er habe eine herangezogen, die das Bundesverfassungsgericht liebe. Aktuell erleben wir eine Steigerung: Heute wird man Präsident des Bundesverfassungsgericht, um geliebt zu werden, z.B. von Journalisten der SZ. Die Professoren- und Politikerriege beim BVerfG ist eine Last. Hier können wir kaum etwas tun – es bleibt nur die Hoffnung, dass aus der Justiz genug Vernunftbegabte die Senate besetzen, die das Schlimmste verhindern.
Schon vor der Masseneinwanderung stellte sich die Frage nach der Balance des Sozialstaates. Wieviel Steigerung an Wertschöpfung ist nötig, um Kinderlosigkeit und damit fehlende Wertschöpfende aufzufangen? Warum können Kinderlose eine Rente bekommen? Diese Frage wurde vor 18 Jahren kurz diskutiert, aber schnell beerdigt. Sie ist aber eine Kernfrage, der man sich stellen muss.
Aufgrund der Masseneinwanderung stellt sich die Frage nach der Balance des Sozialstaates in dramatischer Form. Ich war bereit, für meine Landsleute zu zahlen, auch wenn ich ihre Dialekte nicht mochte und im Protestantismus die Ursache vieler Übel sehe. Was verbindet mich mit einem Mohammedaner aus Nigeria oder dem Irak? Warum soll ich ihn ernähren? Auf diese Frage konnte mir noch kein Soz, noch kein Grüner eine Antwort geben. Ein Pfarrer sagt mir, man solle den Nächsten lieben wie sich selbst. Ich gab zur Antwort, dies betreffe den Nächsten und nicht den Fernsten und sei überdies eine Aufforderung zur Selbstliebe – kein Christ müsse sich für andere opfern, den Job habe Jesus schon erledigt. Er war so fassungslos, dass er nicht mal stammeln konnte.
Welche Bindungskräfte können wir mobilisieren?
Die Grünen schlagen das „Grundgesetz“ vor, ohne zu wissen was da drinsteht. Böckenförde kennen sie auch nicht, denn dann würden sie so was nicht vorschlagen.
Ich schlage vor, die eigene Kultur und die eigenen zivilisatorischen Leistungen wiederzuentdecken und offensiv zu propagieren. Die eigenen Kinder müssen erfahren, wer sie sind und wo sie herkommen. Stolz ohne Eitelkeit muss wieder her. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Moderne muss gleichberechtigt neben einer kritischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit stehen.
Integration, Bürgersinn läßt sich recht einfach messen; die „alten“ neuseeländischen Regeln anwenden und fast alle Probleme wären gelöst; kein Automatismus bei der Staatsbürgerschaft mehr und Ausweisung bei (auch geringen) Straftaten und Sozialleistungsbezug über 6 Monate, wer übrig bleibt zeigt, daß er dazugehört, egal wieviele Tücher das Gesicht bedecken
Werter „Denis Diderot“, ich habe Ihren ausführlichen Beitrag ebenso gründlich gelesen und stimme mit Ihrer emotionalen Grundstimmung sehr überein.
Aber wenn für Ihren Namensgeber galt „Im Zentrum von Diderots Denkens stand das für seine Zeit typische Spannungsfeld zwischen Vernunft und Sensibilität (sens et sensibilité)“, dann befinden wir uns heute in einem artverwandten Spannungsfeld.
Hierzu möchte ich aber ergänzen, dass in diesem Spannungsfeld eben nicht das Wünschenswerte und anscheinend „Vernünftige“ die Regeln bestimmt und in Zukunft bestimmen wird, sondern dass die obersten Regeln, egal ob uns das gefällt, von der Evolution gemacht werden. Und die fragt eben nicht nach vernünftigen oder moralischen Gesichtspunkten, sondern handelt nach sehr „kalten“ Prinzipien von Überleben und Untergang.
Vulgo und leicht sarkastisch: wenn das Schaf dem Wolf entgegenhält, dass sich dieser doch mal die Vorteile einer veganen Lebensführung ansehen und im Sinne eines „besseren“ Gesamtganzen zu eigen machen möge, dann dürfte das den Wolf nicht in seinen Grundinstinkten beeindrucken…
Langer Rede kurzer Sinn: Ihr letzten Absatz („die eigene Kultur und die eigenen zivilisatorischen Leistungen wiederzuentdecken … kritische Auseinandersetzung mit der Moderne muss gleichberechtigt neben einer kritischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit stehen“) weckt zwar meine emotionale Resonanz, aber das heutige westliche Grunddenken könnte es in einem evolutionären Sinne einfach „hinter sich haben“…
Ziemlich kulturpessimistisch, wie ich leider zugeben muss…
Diderot ist Vater der ersten Enzyklopädie. Aufklärung durch Verbreitung von Wissen ist europäische Kultur in Reinform. Das war, ist und bleibt aktuell.
Wenn Sie sich für das Spannungsverhältnis interessieren, sei Ihnen Jacques le fataliste et son maitre empfohlen. Ich fand das Werk beim Stöbern in der Stadtbücherei in meinen frühen Zwanzigern. Seitdem hält mich die Gedankenwelt gefangen.
Ich bin im Gegensatz zu Ihnen Kulturoptimist. Meinen Vorschlag, das Schöne und Wahre und Gute stärker hervorzuheben, meine ich Ernst.
„Ich bin im Gegensatz zu Ihnen Kulturoptimist“
Ich gratuliere, dass Ihnen das gegeben ist, wäre es angesichts meiner minderjährigen Kinder gerne auch… Aber meine Wahrnehmung der Welt und ihrer spekulativen Weiterentwicklungen (die ich unter dem Stichwort „evolutionäre Mechanismen“ nur andeuten konnte), macht mir das zu schwer möglich, als dass mir mein Verstand (der natürlich auch subjektiv arbeitet) das durchgehen lassen würde…
„Aufklärung durch Verbreitung von Wissen ist europäische Kultur in Reinform. Das war, ist und bleibt aktuell.“
„war“ und „ist“ (partiell) Ja, aber Ihrem „bleibt“ widerspreche ich entschieden, ohne dass ich mir hier die Arbeit einer vollständigen Argumentation zutrauen möchte. Sorry.
Wenn schon Lese-Empfehlungen, dann empfehle ich die Gedanken von Leuten wie Hawking, Bostrom (https://folio.nzz.ch/2016/april/die-letzte-erfindung, oder sogar Musk) zu durch Weiterentwicklungen u.a. in KI und Gentechnik (die sich mit aktuellen gesellschaftlich-sozialen eher ungut überlagern) denkbare Szenarien bin hin zum Ende der menschlichen Art (warum sollte gerade diese ewig dauern, wenn es keine andere je geschafft hat). Und dabei handelt es sich durchaus nicht um Spekulationen über kommende Jahrtausende, vielleicht nicht mal Jahrhunderte…
Der Liebe Gott möge meinen Kulturpessimismus durch praktische Eingriffsarbeiten als unsinnig entlarven, bitte-schön! Sonst müsste ich ihm zur Strafe ja eventuell noch das Attribut „Liebe“ entziehen… 😉
Ich respektiere Ihre Sichtweise, kann mit ihr aber nichts anfangen. Anstatt Trübsal zu blasen und an Untergangsfantasien zu leiden, erschaffe ich lieber Schützbares zum Nutzen der Menschheit. Diese Einstellung habe ich an meine Kinder weitergegeben. Und wenn morgen die Welt unterginge……
….würde ich doch ein Bäumchen pflanzen.
Ich wünsche Ihnen alles Gute.
Anstatt das Niveau flacher zu ziehen: Let’s agree, that we disagree…
Und meine Kinder sind exzellente „Bäumchen“. Aber auch für von mir gepflanzte Bäumchen trage ich Verantwortung, und hier beginnt Ihr Bild mMn schief zu werden…
„Ich würde Herrn ‚Denis Diderot 2018‘ in erster Linie als eine der 10 analytisch stärksten Kommentatoren hier einordnen“
Er wird sich vermutlich freuen, Ihnen in Zukunft einige Likes schenken, und eine Debatte darüber will/werde ich gewiss nicht führen… 😉
Aber als mein Leben lang überhoch (ja, mehr ist nicht immer besser) analytischer Mensch ist mir aus der Frühzeit meiner Berufstätigkeit die Bemerkung eines lebenserfahrenen Managers in prägender Erinnerung:
„Herr Kübler, man hat es nie mit Sachverhalten zu tun, sondern immer nur mit Menschen“…
“ Noch gefährlicher sei aber eine Ideologie, die den individuellen Rechten jedes Bürgers eine absolute Priorität gegenüber jeder übergreifenden moralischen und sozialen Ordnung einräume, wie das heute in Europa der Fall sei.“ Das ist der totale Blödsinn eines Mannes, der komplett die Orientierung verloren hat. Um festzustellen wie weit die individuellen Rechte gehen, braucht man nur mal eine AfD Demo besuchen, oder im Arbeitsumfeld ein paar heikle Themen ansprechen. Individuelle Rechte werden der Mehrheit nicht zugestanden, denn sie wird mit Sprachtabus geknebelt, und soll bis zur Selbstaufgabe tolerant sein. Wohin das führt, kann man heute bereits an vielen Städten in Deutschland sehen, wobei diese alles andere als deutsch sind. Wenn das die moderne Gesellschaft oder unsere Zukunft sein soll, dann sollte man besser keine großen Pläne machen.
Es läuft auf das Modell Singapur hinaus. Die erste Stufe der Inkriminierung von Werturteilen und Faktendarlegung ist fast erreicht. Fraglich ist, ob die Wiedereinführung drakonischer Strafen in der zweiten Stufe folgen wird.
Die Entwicklung wird in wenigen Jahren krachend scheitern, wenn die Umverteilung von immer weniger Leistungsträgern zu immer mehr Leistungsempfängern sich als nicht tragbar herausstellt. Das dann Enteigungsphantasien auftauchen wundert wenig, aber als Ossie weiß ich genau: Wo nichts erarbeitet wird, da gibt es nichts zu verteilen!!!
Das Gegenteil von Individualismus ist Kollektivismus. Man kann auch in einer vom Individualismus geprägten Gesellschaft ein Gemeinschaftsgefühl erzeugen, siehe USA. Das Problem heißt eher Tribalisierung durch die Identitätspolitik der Linken, die immer auf der Suche nach einem neuen Proletariat sind, da das alte ja vom Massenwohlstand korrumpiert wurde
Selbst der höchste und am feinsten ziselierteste Elfenbeinturm, möge er den Brodem des Islams auch weit unter sich lassen, wird den „moderaten“ Massen nicht widerstehen können.
Den Mief unter den Talaren haben sie noch gewittert, die dampfenden Gedärme der Ungläubigen führen sie nun zur Sonne, zur Feiheit.
„Noch gefährlicher sei aber eine Ideologie, die den individuellen Rechten jedes Bürgers eine absolute Priorität gegenüber jeder übergreifenden moralischen und sozialen Ordnung einräume, wie das heute in Europa der Fall sei.“ – Dies erinnert an das Buch „Life at the Bottom“ von Theodore Dalrymple. Es zeigt, wie diese Kultur der Beliebigkeit die Seelen der Menschen der englischen Unterschicht zerstört, weil es sie orientierungs- und bindungslos einem Leben überlässt, dem kein Lebenssinn abzugewinnen ist. Die Oberschichten, denen ein individueller Lebenssinn (trotzdem?) gelingt, merken dies gar nicht; sie stehen diesem Unglück verständnis- und herzlos gegenüber.
Die Oberschichten sägen damit am Ast auf dem sie sitzen. Das Beispiel des Römischen Reiches sollte da durchaus passen, erst waren es germanische Sklaven, dann Söldner an Schluss war der Germane Stilicho Oberbefehlshaber. Als er dann durch eine Intrige ermordert wurde, zersetzte sich das Heer und das Kaiserreich ging unter.
Ich glaube nicht, dass die „Eliten“ das so toll fanden als sie regelmäßig von Barbaren geplündert wurden…
Wie sagte doch Macron, damals noch Präsidentschaftskandidat, auf einer Wahlkampfveranstaltung im Februar 2017 in Lyon? Es gebe keine spezifisch französische Kultur. Die Franzosen haben ihn trotzdem gewählt. Globalisten wie er scheinen völlig abgehoben und losgelöst von allen Traditionen. Wo hinein sollen sich die Muslime integrieren? In Deutschland haben viele noch Özoguz`Spruch vom Mai 2017 im Ohr: „Eine spezifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifizierbar.“ Die desolate Situation in Frankreich ist ganz im Sinne der globalistischen Eliten. In Deutschland sind wir auf dem Weg dahin.
Ein toller Beitrag mit vielen wertvollen Denkanstößen. Vielen Dank!
Ich stimme mit der Sichtweise von Pierre Manet überhaupt nicht überein. Sie ist ein Pladöyer für eine Libanonisierung, für eine Zerfall in multi-ethnische Parallelgesellschaften mit bewaffneten religiösen Milizen und Straßensperren im ersten Schritt und für eine anschliessende Militärdiktatur im zweiten Schritt. Wir müssen genau das Gegenteil des Empfohlenen tun: Wir müssen den säkularen Staat, der ja die Anwort der Europäischen Aufklärung auf religiösen Fanatismus ist, stärken anstatt ihn zu schwächen. Alle Menschen auf einen starken Nationalstaat zu verpflichten, um religiöse Differenzen zu nivellieren, erinnert an die ganzen Militärführer im Nahen Osten wie Assad, Gaddafi, Saddam Hussein oder Al Sisi. Ich möchte aber weder in einer nationalistischen Militärdiktatur, noch in einem muslimischen Gottesstaat leben, sondern weiterhin in einer aufgeklärten, bürgerlichen Demokratie, die Religion gezielt ins Private zurückdrängt. Die Träume eines offensichtlichen etwas rückwärts gewandten Gaulleisten, den Fremdlegionärs-Ethos und den regelmässigen Schwur auf die Nation als Heilmittel auf die gesamte Zivilgesellschaft auszudehnen, führen nur in eine andere Form der Unfreiheit.
Sehr hübsch, was Manent geschrieben hat. Es hat nur einen Fehler: Der Islam lässt es nicht zu, dass ein Nationalbewusstsein über ihn gestellt wird. So wie niemals der Islam zu Deutschland gehören kann, sondern nur Deutschland zum Islam.
So ist das unanfechtbare koranische Konzept – alles, was anders organisiert wird, verstößt gegen den Koran. Insofern ist der weltliche Staat grundsätzlich zu überwinden und findet seine Anerkennung erst, wenn er sich den koranischen Forderungen unterstellt. Oder anders formuliert: Europäischer Pluralismus und Islam sind wie Feuer und Wasser.
Lesenswerter Tiefblick Artikel der mich über den Tellerrand hinausschauen lässt. Auch das ist für mich bei Tichy so wertvoll, ich komme in Kontakt mit Themen dich ich sonst wohl kaum lesen würde und bereue es eigentlich nie.
Vor allem habe ich hier nicht den Eindruck das mir krampfhaft was verkauft werden soll und noch ein Vertrauen in die Artikel/Informationen.
Es gibt neuerdings einen brillianten Hoffnungsschimmer am Horizont der Diskussion mit dem Islam. Christian Prince, ein Youtuber mit gigantischen Islamkenntnissen, der bisher als einziger in der Lage ist, es mit jedem seiner Gesprächspartner aufzunehmen. Seine YouTube Livechats sind ein Intellektueller Genuss, da er alles mit Originalzitaten belegt, was er sagt. Die Quintessenz aber ist ernüchternd. Denn der Islam ist ein völlig irrationales System der Unterwerfung ohne jeden Anspruch auf logische Konsistenz. Insofern ist der Anspruch auf Weltherrschaft, der dem Islam innewohnt, nur individuell zu bekämpfen, indem dem einzelnen Muslim bewusst wird, was für einen Unsinn er da gezwungen wird zu glauben.
Die Umma als Gesamtheit wird ihren Mitgliedern niemals erlauben, von der Idee der Weltunterwerfung zu lassen, denn sie ist in den Schriften des Islam unveränderlich zementiert.
Der Ansatz muss sein, die Unsinnigkeit der Aussagen d3s Islam deutlich zu machen. Gelingt das nicht, sind Krieg und Unterwerfung unausweichlich.
Manent schreibt einige bedenkenswerte Dinge, aber letztendlich hängt er an einem verotteten Ast und scheut die Konsequenz.
“Beyond radical secularism“ weist auf seine Sackgasse. Er träumt wie Patrick Bahners, allerdings 20 iQ Punkte höher , von einet gemeinschaftlich spirituellen Befriedung eines rekatholizierten Westens mit dem demographisch um sich greifenden Islam.
Jämmerlich….submissiv.
HOUELLEBECQ HAT ES SCCHON SKIZZIERT, in seinem viel beachteten Werk . Vor ihm sprach schon Oskar Spengler vom „Untergang des Abendlands“. Die westliche Kultur zeichnet sich dadurch aus, dass sie sehr effizient zivilisatorische Entwicklungen vorantreiben kann, aber eben genau dies wird ihr scheinbar ab einem bestimmten Punkt zum Verhängnis. Viele herausragende Denker (in Frankreich vor allem die der Aufklärung) haben humanistische Ideale skizziert, aber eben dies schlägt bei einer Überspitzung oder Überbetonung derselben um in eine Art Masochismus, ja sogar Selbstentleibung. Eine Tendenz, die sich besonders ausgeprägt vor allem hierzulande äußert.
Alle westlichen Staaten haben paradoxerweise von den zurück liegenden Kriegen (die sich allerdings niemand mehr wünschen kann) profitiert. Diese haben die jeweilige kriegführende Nation zusammengeschweißt und Prioritäten gesetzt. Überfeinerung und somit Dekadenz war kein Thema, es ging ums Überleben (und nach dem krieg war die Zerstörung Ansporn für sinnstiftenden Wiederaufbau). Unsere heutigen Sitten und Gebräuche sind so überfeinert, dass sie neurotische und selbtszerstörerische Dimensionen angenommen haben. Dies zeigt sich vor allem in Dingen wie „politische Korrektheit“, übertriebenem Minoritätendenken oder Genderdiskussion. In oder nach einem gerade überstandenen Krieg wäre so etwas kein Thema.
Müsste jemand, der verwöhnt, überdreht und überreizt ist in der Wildnis überleben, er würde entweder zugrunde gehen oder diese schwächenden Gewohnheiten sehr schnell ablegen. Unsere westlichen Kulturen kranken an einer Art zivilisatorischer Übersäuerung, die einige der besonders „Geschädigten“ (man könnte sie auch als wohlstandsverwahrloste Masochisten bezeichnen) durch Annäherung an primitivere Kulturen zu kompensieren suchen.
Dies birgt viele Gefahren, wie eben die in beschriebene: von der fremden Kultur nicht geheilt, sondern feindlich übernommen zu werden. Grundsätzlich gilt für die Integration von Fremdem: das gesunde Maß darf nicht überschritten werden und die integrierende Nation muss sehr stark sein. Wesentlich stärker, als das ein Land könnte, welches einem zentralistischen EU-Moloch untergeordnet ist.
Die westliche Kultur ist ohne Frage in der Krise. Wenn sie überleben will muss sie sich Grundsatzfragen stellen. Vor allem muss das gestärkt werden, was man in der Philosophie als „Thymos“ bezeichnet – man könnte es auch als „Vitalität“ oder sprachlich salopper als „Anpackmentalität“ bezeichnen. Aber gerade hier zeigen sich verheißungsvolle Ansätze: der viel gescholtene Donald Trump ist in Wirklichkeit der Inbegriff hemdsärmeliger Vitalität. Er lässt sich nicht hemmen oder schwächen durch ein zu Viel an Etikette. Aber nicht nur er, auch die neuen, als „Populisten“ diffamierten Bewegungen in Europa zeigen genau diesen THYMOS. Wenn mehr und mehr Bürger auf deren Seite gehen (was dann aber wiederum nicht das Hinüberschlagen ins andere Extrem bedeuten darf, denn wir wollen unsere Demokratien zwar revitalisieren, aber dich erhalten) hat der Westen vielleicht noch eine Chance.
Ja. Am Ende der Lektüre … bleibt eine gewisse Ratlosigkeit. Ich möchte hier nicht als Ossi mit Aluhut erscheinen. Aber die Ratlosigkeit erfasst auch mich. Ich würd’s mal so sagen: Religiöse Fanatiker machen überalle Probleme. Nicht nur in Frankreich. Aber leider produziert des Islam Fanatiker in erschreckender Zahl. Das muß irgendwas mit der Erziehung zu tun haben. Frau Wiedmann-Mauz kann das besser erklären. Ich halte mich da raus. Klar ist nur, daß Deutschland sich anstrengen muß, damit wir hier nicht dasselbe Desaster erleben wie die Franzosen.
Das Wiedererstarken der Nation ist unsere einzige Chance. Und dieses Mal stehen die europäischen Nationen nicht gegeneinander, sondern gegen einen gemeinsamen äußeren und inneren Feind.
Islam und Linke verbindet neben anderem die Ablehnung jeglicher ( privater ) Spiritualität und die Ablehnung des Nationalstaates. Was für die einen die Umma unter religiöser Führung ist für die anderen die Internationale unter einer Räteherrschaft. Den Gegensatz Individuum versus kollektiv gültige Werte kann ich so nicht erkennen. Die Rechte und Freiheit des Einzelnen ( weder im Islam noch im Sozialismus akzeptiert) schließen gemeinsame Überzeugungen oder Haltungen, sprich Verbindendes nicht per se aus. Das eigentliche Problem ist nicht der Individualismus, sondern der dekadente Hedonismus, die Verführung eines infantil gemachten, psychopathologisierten und zunehmend verblödeten Westmenschen, dem die Orientierung genommen wurde, ohne ihn in die Lage zu versetzen, eine innere Identität zu erlangen. Er „ krückt“ und kompensiert sich so durch. Da sind einige „kulturelle“ Entwicklungen nach 1945 auf Verfasstheiten im Westen getroffen, deren Ergebnis wir aktuell bestaunen dürfen. Der daraus resultierende Verlust der Gemeinschaft ist für Tribalisten naturgemäß wenig attraktiv und bereitet den Boden für „ Ersatzangebote“. Die Werte wurden aber nicht aufgegeben, sondern staatlicherseits als hinderlich und störend oder gar schädlich einkassiert. Hätten zum Beispiel die Kirchen jedes Angebot an Spiritualität nicht selbst vom
Markt genommen, wären zumindest einige nicht zu Jüngern falscher Propheten geworden. Hätte die Ideologie des Feminismus und ihre ApologetInnen nicht reihenweise faktisch orientierungslose, leicht instabile Damen mit einem einzigen ( falschen ) Feindbild erzeugt, würden sich diese gegenüber dem Islam und seinen Botschaften evtl. etwas deutlicher und selbstbewusster verhalten. Es sind diverse ( gewollte) Fehlentwicklungen im Westen und weniger der nichtssagende Begriff des sogen. Individualismus, die hier für Kollektivisten oder Massenteile nachvollziehbar unattraktiv sind. Davon abgesehen möchte ich bezweifeln, dass ein „ gleichwertiges“ ( Alternativ)Angebot an Muslime erstens überhaupt möglich wäre und zweitens von diesen akzeptiert würde. Die Beschränkungen des Islam sind jedenfalls realistisch betrachtet nicht einmal gesprächsfähig.