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Bundesliga

Borussia Dortmund – Lucien Favres Entlassung ist ein großer Fehler

14.12.2020

| Lesedauer: 2 Minuten
Borussia Dortmund hat von seinem Trainer Lucien Favre erwartet, was nicht zu leisten ist. Statt das zu korrigieren hat man Favre herausgeworfen. Der Dortmunder Fehler ist leider symptomatisch fürs aktuelle Fußballgeschäft.

Nach 29 Monaten ist das Kapitel Lucien Favre bei Borussia Dortmund also beendet. In einer Mitteilung der mächtigen BVB-Bosse sah man die „Saisonziele stark gefährdet“. Nach nur einem Sieg aus den letzten fünf Spielen und dem 1:5-Debakel gegen den VfB Stuttgart waren sich also die Watkzes, Zorcs und Sammers einig, dass der Schweizer Fußball-Lehrer nicht das Zeug habe, das Team zu Meisterehren zu führen. Die Demission des 63-jährigen ist ein Offenbarungseid für einen Verein, der seit Jahren den „wunderbaren Jahren“ mit Jürgen Klopp hinterherrennt und sich immer wieder selbst im Weg steht. Die vergangenen Monaten waren für Lucien Favre nur noch eine Qual und nun ist er erlöst.

Ich kenne diesen sympathischen Mann schon seit mehr als 15 Jahren und durfte mit ihm in meiner Funktion als Pressesprecher beim FC Zürich auf seinem Weg in die internationale Trainerkarriere begleiten. Ich wurde mit ihm Meister. Für den FC Zürich war es damals die erste Meisterschaft seit 25 Jahren und er fand dort die gleichen Bedingungen vor wie vor seinem Einstieg beim BVB. Doch es gab einen großen Unterschied. Favre durfte machen, Favre durfte Spieler sichten, Favre durfte entscheiden und somit prägen. Ähnliche Aufgaben und Voraussetzungen fand er auch bei Hertha BSC Berlin und Borussia Mönchengladbach vor. Beiden Bundesligisten hauchte er neuen Atem ein, machte Talente zu Stars, zu Nationalspielern.

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Dortmund war für ihn nach 60 Lebensjahren eine letzte große Herausforderung, an der er deshalb scheiterte, weil er den Spagat zwischen Jürgen Klopp und Jugendwahn nicht schaffte und schlussendlich auch nicht mehr mittragen konnte. Man sah es ihm in den vergangenen Wochen an. Keine Hoffnung mehr in den Worten, kalte Augen nach schweren Spielen. Die Dortmunder Borussia war zuletzt mehr damit beschäftigt, einen 16-jährigen Nachwuchsspieler ins A-Team zu hieven und tagtäglich darauf aufmerksam zu machen, wie viele europäische Talente jetzt den Weg nach Dortmund fanden. Sie war aber nicht mehr bereit, den Cheftrainer zu stützen. Lucien Favre ist der Trainer in den Dortmunder Statistiken mit dem besten Punkteschnitt. Lucien Favre ist der Trainer, der auf dem besten Wege war, einen Erling Halland zum ersten Weltstar in der BVB-Geschichte zu machen.

Aber zwischen Jugendwahn, Börsengang und Jürgen Klopp gab es in Dortmund weiterhin keinen Platz für anständige, langfristige Arbeit. Letzteres ist leider überall so. Lucien Favre wird sicherlich erst einmal in Löw-Manier abtauchen, mit seiner Familie zuhause in St. Barthelémy im Schweizer Kanton Waadt Weihnachten feiern und sicherlich mit seinem langjährigen Freund Arséne Wenger telefonieren, mit dem ihn einiges an Charakter und Ehrlichkeit verbindet. Wenn man in Lucien Favre mehr gesehen hätte als nur den Trainer, dann hätte er in Wenger-Manier aus dem BVB einen ernsthaften Meisterkandidaten machen können. Als Trainer und Scout, als Konstrukteur mit einer Strategie, die er in den Verein gebracht hätte. Wenger war der erfolgreichste Ausbilder, Entdecker und Fußball-Lehrer, der mehr als 22 Jahre lang aus dem säbelnden Arsenal Football Club eine Weltmarke machte. Der Grund: Man hatte Geduld und ließ ihn machen. Geduld ist heutzutage leider ein Fremdwort in der Fußballwelt.

Zumindest aber darf Favre wieder Lucien heißen und nicht mehr „Lucienn“, wie man ihn gerne in Dortmund nannte, weil man immer vergaß, ihn zu fragen, wie er denn nun richtig heißen würde.

Es bleibt zu hoffen, dass Borussia Dortmund aus diesen Erfahrungen lernt und sich endlich klar wird, was es will: Ausbildungsverein oder Meisterschaft? Beides geht in 99,9 % der Fälle leider nicht.

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13 Kommentare

  1. Weshalb jetzt immerzu dem Klopp hinterhergejammert wird, verstehe ich nicht so ganz. Gut, er ist mit dem BVB zweimal Meister geworden. Aber dann? Die Truppe war ausgebrannt, nach der Vorrunde Tabellenletzter. In der Rückrunde konnten sie sich nochmal aufrappeln, aber der Klopp hat gemerkt, dass seine Zeit vorbei war und hat die Segel gestrichen. In Liverpool wird er auch kein Ferguson. Klar, er kann Feuer entfachen, aber jedes heftig lodernde Feuer wird erlöschen.
    Auch das Feuer um den Hansi Flick in München ist am Verlöschen. Der überlebt maximal diese Saison, ob der FCB nochmal Meister wird, wage ich, als jahrzehntelanger Bayern-Fan, sehr zu bezweifeln. Es können noch so viele Trainer entlassen werden, für die Meisterschaft kann auch der tollste Trainer nicht garantieren und absteigen werden, unabhängig von allen Trainerentlassungen, immer mindestens 2 Mannschaften. Aber auch ich löse mich mehr und mehr von diesen durchgeknallten Multimillionären, diese gestriegelten und widerlich tätowierten Clowns stoßen mich jede Woche mehr ab. Wahrscheinlich verbringen sie mehr Zeit in den Tatooanstalten und Friseursalons, als auf dem Trainingsplatz. Und, sorry, wahrscheinlich dauert es nur noch 2 bis drei Jahre, dann rennen nur noch Schwarze auf den Plätzen rum, deutsche Mannschaften sind es dann nicht mehr, schon jetzt läuft wahrscheinlich nicht eine einzige Mannschaft auf, die mehr als 50% „richtige“ deutsche Spieler hat. Offensichtlich zeigt der Fußball in aller Deutlichkeit, wohin sich unser Land entwickelt . . .

  2. Ich habe jegliches Interesse an der Bundesliga verloren.
    Und ich hätte n i e m a l s gedacht, dass ich jemals so etwas schreiben würde.
    Fußball ist nicht nur ein Spiel – es war ein Event für Menschen.
    Nun ist es nur noch ein Massen-Event für den Bildschirm mit dauernder Demonstration der „richtigen“ Meinung und Haltung.
    Und Tschüß!

  3. Ich verfolge keine Bundesligaergebnisse mehr und habe durch diese Überschrift von Favres Entlassung erfahren. Die konkrete Situation kenne nicht. Bis vor 3 oder 4 Jahren war ich allerdings noch Fussballfan, genauer Gladbachfan.
    Favres Zeit in Gladbach war erfolgreich, bis zu seiner „Flucht“. Eines fand ich immer verblüffend, sein grottenschlechtes Deutsch. Menschen aus der französischsprachigen Schweiz, wo Favre herkommt, sprechen in der Mehrheit sehr gut Deutsch. Favre war dazu noch jahrelang in Zürich, Berlin und Gladbach tätig und seine Deutschkenntnisse waren trotzdem nur wenig über einem Anfängerniveau. Mein Eindruck war, dass ihn das überhaupt nicht störte, dass es ihm völlig egal war, ob er verständlich redete. Es war und ist vielleicht weit hergeholt, aber ich dachte damals immer, dass der von Dingen, die außerhalb seines Kerninterresses und seiner ausgetüfftelten Pläne liegen, nicht umgehen kann und will. Würde Fussball mit leblosen Schachfiguren gespielt, hätte Favre sicher Titel geholt.

  4. Herrlich, dass man nun auch bei TE Fußball diskutieren darf. Im wesentlichen kann ich dem Autor folgen. Das Aber bedeutet: Ein jeder im Fußball muss wissen, was es jeweils bedeutet, bei einem bestimmten Verein anzuheuern. Beim FC Bayern bedeutet das, alles unterhalb eines Triples bedeutet Entlassung (van Gaal, Klinsmann, Kovac) ebenso bei Real Madrid, oder Barcelona, ManU oder dem FC Milano. Dafür gibts dann mindestens eine halbe Saison Weltruhm und in dieser Zeit das dreifache Lebensarbeitseinkommen eines durchschnittlichen Zuschauers.
    Natürlich leidet Dortmund an Größenwahn. Das ist eine Erbkrankheit der wirklich großen Ära Hitzfeld/Chapuisat der 1990er – Klopp hat diese Grandezza mit seinem Hurra-Fußball nie erreicht, war ( und ist in Liverpool) aber ein begnadeter Selbstdarsteller. Als Trainer kann er weder Hitzfeld noch Heynckes das Wasser reichen. Dortmund 2020, das ist eine unansehnliche, verarmende, zunehmend von Muslimen und Zigeunern überfremdete Stadt, die außer Fußball nicht mehr viel hat (Nachbar Schalke 04 nur immer jeweils 10 Jahre voraus) insoweit ist der BVB eher Deutschlands Boca Juniors oder Fluminense Rio – bloß das dort tatsächlich einheimische Jugendliche sich quälen, getrieben vom Traum, der nächste Messi oder Ronaldinho zu werden. Oder in den Ghettos von Lagos, Dakar oder Abidjan. Und von da werden dann die 16jährigen hergeschleppt, die den in Kurzarbeit befindlichen Publikum als das neue „Jugendtalent“ verkauft werden. Merkt keiner was?

  5. Ich lese und teile täglich die Beiträge, Meinungen und Berichte von Tichys Einblick.
    Bis jetzt 🙂
    Dies ist heute die erste Meinung seit mehreren Jahren der ich nicht folgen kann.
    Herr Favre ist wahrscheinlich ein sehr angenehmer und freundlicher Mensch.
    Aber er ist nunmehr hauptverantwortlicher Trainer und somit für die Leistungen und Entwicklungen der Spieler verantwortlich.

    Also muss er auch für diese zuteil grotesk schlechten Leistungen gerade stehen.
    Es wurde Zeit für eine Veränderung.

    • Die Frage war je eher, ob seine Verpflichtung überhaupt richtig war. Ich habe in meinem eigenen Kommentar geschrieben, dass ich das nicht für den Punkt halte, ebenso wenig ob er nach Dortmund „passte“ (Antwort: Tat er nicht) Das Problem ist der Verein Dortmund selbst, der früher zuviel Erfolg für seine Verhältnisse hatte und nun nicht damit klarkommt, dass er auf sein Normalgewicht reduziert worden ist. Das aber ist, siehe Nationalelf, das Problem des gesamten deutschen Fußballs. Aus der deutschen Mittelschicht kommt kein Nachwuchs mehr, da Fußball für die Generation Y und die noch jüngeren längst uncool geworden ist. In den Vereinen werden deutsche Kids, die noch kicken, von ausländischen und Mihigru-Spielern gemobbt, bis sie aufgeben, und ein paar mit Tattoo schaffen es dann bis maximal FC Freiburg oder Holstein Kiel.
      Ich gehe davon aus, dass wir im kommenden Jahr die ersten echten Pleiten einiger Vereine erleben werden. Vernutlich wird der DFB alle Lizensierungsanforderungen fallen lassen, um Vereine wie den HSV oder Köln am Leben zu halten, nutzen wird es nichts. Der Fußball hat seine beste Zeit hinter sich. So lange er nicht wieder von deutschen Jungs in den Hinerhöfen und Bolzplätzen gespielt wird, hat er keine Zukunft. Was kommt beim BVB mach Hummels und Reus? Der 16jährige Afrikaner, den jetzt alle hypen, ist spätestens im kommenden Jahr in England, Schon allein, weil der BVB das Geld brauchen wird.

  6. Zum Glück interessiere ich mich nicht für Wettstricken der 2. Mannschaft der Liga Alte Damen in Tadschikistan.
    Oder worum ginge es im Artikel?

  7. Viel zu spät hat man sich von ihm getrennt. Der hoch talentierten Mannschaft wurden taktische Fesseln angelegt. Favre war zu akademisch, sein kommissarischer Nachfolger soll das genaue Gegenteil sein: er spricht die Sprache der Mannschaft. Ich denke, man wird nun sehen, dass die Spieler von der Leine gelassen werden. Vielleicht erweist sich Edin Terzic noch als dauerhafter Glücksgriff.

  8. Einer der sympathischsten und kompetentesten Trainer der Bundesliga. Ich habe ihn sehr gemocht und werde ihn vermissen. Man sollte mal nachforschen, warum vor ihm einer der besten Trainer der Welt, Thomas Tuchel, der sehr erfolgreich bei Dortmund arbeitete, plötzlich gehen musste und nun erfolgreich PSG Paris trainiert.

  9. Favre war vorher in Nizza und hat dort Großartiges geleistet! Aber der Kohlenpott ist nich die Cote d’Azur – dort scheint ewig die Sonne, hier ist es regnerisch-trüb. Von seiner gesamten Mentalität her hat Favre nicht nach Dortmund gepasst; im Gegensatz zu Jürgen Klopp, der das ist, was man unter einem „Macher“ versteht. Favre ist kein „Macher“, sondern ein Tüftler und Denker. Solche Menschen sind wunderbar, aber leider passen sie nicht mehr in diese Fußballwelt, in der einzig der Profit regiert. Be conform or be cast out – nach diser Devise läuft es und daran ist Favre gescheitert. Als ich erfahren hatte, dass er nach Dortmund geht, hatte ich von Anfang an kein gutes Gefühl – das hat sich leider bestätigt!

  10. Sowohl bei Hertha als auch bei Gladbach und Nizza folgten nach einem Höhenflug unter Favre letztendlich anhaltende Einbrüche.
    Für die fragwürdige Kaderzusammenstellung durch Watzke und Zorc konnte Favre vermutlich wenig. Seit Jahren ist der Kader überteuert und lebt davon, dass einer der zahllosen angeheuerten Jungtalente (z.B. Aubameyang, Dembele und nun Haaland) leistungsmäßig explodiert, den BVB im Alleingang sportlich oben hält und dann nach relativ kurzer Zeit mit Riesenrendite verkauft wird.
    Der Fisch stinkt vom Kopf, aber Favre selber hat sich auch zu viele Blößen als verantwortlicher Trainer der Mannschaft gegeben, als dass man seine Demission allzu kritisch sehen sollte.
    Sein „Geduld“fußball; seine Unfähigkeit, der Mannschaft in entscheidenden Spielen Entschlossenheit und Mut zu vermitteln; sein Scheitern an der Entwicklung einer stabilen Defensive und die seit Monaten selbst von designierten Absteigern leicht auszurechnende taktische Ausrichtung ändern nichts an seiner respektablen Persönlichkeit, Liebenswürdigkeit und fußballtheoretischen Kompetenz. Aber als Trainer hat es letztendlich – in zugegeben sehr schwieriger Umgebung, nämlich beim BVB unter Watzke – nicht gereicht.
    Wer das Samstagspiel gesehen hat und die letzten Monate nicht eingeschlafen ist, wenn der BVB spielte, weiß das.

  11. Nein ist es nicht. Denn Favre ist ein distanzierter Theoretiker. Das hat ihn damals auch in Gladbach den Job gekostet. Fussballer brauchen einen Trainer der ihnen Mut zuspricht und Vertrauen schenkt. Das Gefühl zu haben nur eine Schachfigur in einem System zu sein, endet irgendwann in Frust und Verweigerung. Siehe Bayern München.

    • Selbstvertrauen im Team aufbauen kann er ziemlich gut. Ohne diese Fähigkeit wären die Gladbacher sang- und klanglos abgestiegen.

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