Möglicherweise war der Leiterin des Fischer-Verlags Siv Bublitz gar nicht klar, dass sie mit dem Hinauswurf der Autorin Monika Maron nach vierzig gemeinsamen Jahren Literaturgeschichte schreiben würde. Ein Verlag feuert einen Schriftsteller ausdrücklich nicht aus künstlerischen Gründen, sondern aus politischen – das war in der Geschichte der Bundesrepublik bis dahin noch nicht vorgekommen. Falls Bublitz vom Feuilleton Sträuße weißer Rosen für ihre Entscheidung erwartet hatte, dann wusste sie es zumindest am Tag nach der Bekanntgabe besser. Es gab Kritik an diesem Einschnitt – Harald Martenstein nannte ihn Kulturbruch – sowohl in Medien als auch von anderen Schriftstellern. Zur Erinnerung: Die Verlagschefin erklärte zum einen, Maron sei „eine wichtige Schriftstellerin für die deutschsprachige Literatur“, sie verhandle „klug politische Themen und spielt raffiniert mit gesellschaftlichen Widersprüchen“. Über ihren nun im Wortsinn letzten Roman bei Fischer, „Artur Lanz” habe sie sich sehr gefreut. Warum dann der Bruch? Der, so Bublitz, liege „nicht an den politischen Themen der Bücher oder in den journalistisch-politischen Äußerungen von Monika Maron“.
Zu dem Hinauswurf nach vier Jahrzehnten sei es gekommen, weil sie ihren Essayband „Krumme Gestalten, vom Wind gebissen“ in der Edition des Dresdner Buchhauses Loschwitz herausgebracht habe. Das Buchhaus „kooperiere“ wiederum mit dem Antaios-Verlag, der, wie die Fischer-Chefin feststellt, Bücher mit völkisch-rassistischen Positionen verlege. Damit habe sie eine absolute Grenze überschritten. Man könne nicht gleichzeitig Fischer-Autor sein und sich in dieses Umfeld begeben.
Dass ein Verlag mit langer Tradition eine Autorin heraussäubert, der das Haus viele gute Verkäufe verdankt, liegt also nicht an ihren Büchern, nicht an ihren Ansichten, noch nicht einmal an dem Verlag, in dem sie zum ersten Mal in den vergangenen vierzig Jahren einen Band außerhalb von S. Fischer publizierte, ein Buch, das Fischer übrigens ursprünglich nicht machen wollte. Es liegt also im „Umfeld“ dieses anderen Verlages.
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Unterläuft einem Autor mit einer Romanfigur so etwas, etwa eine Schwangerschaft von 12 Monaten oder eine Teilnahme an Napoleons Russlandfeldzug von 1811, dann spricht man von einem Datierungsfehler. Von der Absicht ihrer Autorin, Essays in der Edition Buchhaus Loschwitz zu veröffentlichen, wusste S. Fischer spätestens Anfang des Jahres. Vorher hatte Maron gefragt, ob ihr Heimverlag das Buch machen wollte. Der winkte damals ab. „Krumme Gestalten, vom Wind gebissen“ erschien im März 2020. Dass dieses Buch wie viele andere bei Antaios vertrieben wird, wussten die Zuständigen in Frankfurt auch. Dass Antaios-Chef Götz Kubitschek weit rechts steht, dürfte dort ebenfalls bekannt gewesen sein. Alle Anklagepunkte gegen Maron lagen also schon im Frühjahr vor. Weitere „Vergehen” kamen bis zur Mitteilung des Rauswurf-Urteils im Oktober nicht dazu. Wenn also die unerträgliche Grenzüberschreitung Marons darin bestanden hätte, sich in ein Umfeld zu begeben, dass wiederum den falschen Umgang pflegt, dann hätte sich Fischer von ihr zwingend allerspätestens im März trennen müssen. Bekanntlich passierte das nicht. Weil das Haus in Frankfurt vorher schnell den Roman „Artur Lanz“ herausbringen, doch noch ein Essayband für 2021 anschieben und Maron erst dann vor die Tür setzen wollte?
Ihr Essayband „Was ist eigentlich los“ wird nun nicht bei Fischer erscheinen, „auf Wunsch der Autorin“, wie ein nachträglich eingefügter Aufkleber im Verlagskatalog mitteilt. „Auf Wunsch der Autorin“ ist gut. Tatsächlich, eine Schriftstellerin, die mit fast 80 Jahren den Verlag wechseln muss, möchte das nächste Projekt dann doch lieber in ihre neuen Heimat mitnehmen, als es dort erscheinen zu lassen, wo sie gerade zur Unberührbaren erklärt wurde, weil sie mit jemandem Tuchfühlung unterhält, der wiederum das Gebiet des ganz und gar Unberührbaren berührt. Der Plan, mit der Autorin erst noch ein bisschen das Verlagsgeschäft voranzutreiben und sie dann zu feuern, scheiterte vermutlich an Marons neuer Mischlingshündin Bonnie Propeller, über die die Autorin eine gewissermaßen außerplanmäßige Erzählung schrieb.
Dieser Text zwang Fischer, das Verhältnis zu ihr schon zwischen Sommer und Herbst zu klären und nicht erst später. Der Verlag schickte das Manuskript ungelesen zurück und vollzog den Bruch. In diesem Zusammenhang fiel von der Frankfurter Seite der Satz, Maron sei als Autorin „politisch unberechenbar“. Wenn ein Traditionsverlag politische Berechenbarkeit ihrer Autoren zur neuen Kerntugend erhebt und gleichzeitig mit der Haltungsdemonstration dem Geschäft zuliebe noch monatelang wartet, dann schwankt das Charakterbild der Fischer-Chefin Siv Bublitz und ihres Führungsteams erheblich, selbst in den Augen von manchen Feuilletonautoren, die ansonsten an Maron und deren unzeitgemäßen Ansichten viel auszusetzen haben.
Aber wo die Argumentationsnot am größten ist, wächst auch der Wille, noch zu retten, was zu retten ist. Also müssen stichhaltige Gründe für die einseitige Trennung nachgeliefert werden, um die verkorkste Dramaturgie der Geschichte noch halbwegs zu begradigen.
„Rittergutspublizistik“ – vom Umdichten der Fakten
Der erste Begradigungsversuch läuft darauf hinaus, die Geschichte mit der Veröffentlichung von Monika Marons Essay-Band etwas umzuschreiben. Plötzlich soll der Verlag nicht mehr der des Buchhauses Loschwitz sein, sondern gleich der Antaios-Verlag von Götz Kubitschek. Aus Kontaktschuld wird also durch Umschreiben der Story ein Direktkontakt. Für diese Neueinrahmung tritt die Zeit-Literaturredakteurin Iris Radisch auf den Plan. Eigentlich müsste das Hamburger Blatt strikt auf besondere Akkuratesse im Fall Fischer und Maron achten – denn es gehört hälftig zur Verlagsgruppe Holtzbrinck, zu der auch der Fischer-Verlag zählt, jeder Bericht schließt also indirekt das eigene Haus mit ein. Stattdessen dichtet Radisch kurzerhand die faktische Basis um:
„Zum ersten Mal hat sich eine bedeutende Repräsentantin der deutschen Literaturgeschichte publizistisch in die Arme der neurechten Parallelwelt begeben. Mit Ultrarechten geduldig und immer wieder zu reden ist die eine Sache. Bei Ultrarechten zu veröffentlichen definitiv eine andere.“ Und fügt an, offenbar scharf auf das nächste große Berichterstattungsthema: „Und man darf neugierig sein, wie der Suhrkamp Verlag reagieren wird, dessen Autor Uwe Tellkamp, deutscher Buchpreisträger des Jahres 2008, ebenfalls in der Loschwitzer Reihe Exil veröffentlicht hat.“
Damit ihre Leser die Botschaft auch wirklich verstehen, wirft Radisch Maron explizit vor, sie habe sich „ins Exil der wehrhaften Rittergutspublizistik“ begeben. Iris Radisch schreibt seit vielen Jahren über den Literaturbetrieb, auch über Literatur, letzteres mit einem gelegentlich skurrilen Blick, etwa dem Vorwurf, dass Romanfiguren der Phantasie des Autors entspringen („Und all die Effis und Emilias, die Käthchens und die Gretchens, die Lottes und die Lulus der Literaturgeschichte sind reine Männerfantasien“.) Ihre Expertise sollte jedenfalls genügen, um den Unterschied zwischen einem Verlag und einem Buchvertrieb zu kennen. Vermutlich kennt sie ihn. In diesem Fall würde sie wissentlich eine falsche Botschaft streuen. Genau das tut auch die Süddeutsche Zeitung, indem sie über den Verlag des Buchhauses Loschwitz schreibt: „Der kleine Dresdner Verlag gilt vielen Kritikern als eine Art verfeinerte Astgabel der treudeutschen Eiche in Schnellroda, wo der rechtsextreme Verleger Götz Kubitschek seinen Antaios-Verlag betreibt.“
„Verwahrlosung in der Berichterstattung“
In genau diesem Fach kennt sich auch der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz aus, der auf Twitter und Facebook eine nicht ganz kleine Gemeinde mit seiner Weltdeutung versorgt. Für den „Twittergott der CDU“ (taz) steht es außer Frage, dass es sich bei der Edition des Buchhauses Loschwitz um einen „rechtsextremen Verlag“ handelt. Zum Beweis führt er an, Dagens Kleinverlag sei eine „Außenstelle von Kubitscheks Institut für Staatspolitik“. Allerdings meint er das ebenfalls nicht eigentlich selbst. Das, so Polenz, sagen „mutige Leute in Dresden“. Die bei ihm genau so namenlos bleiben wie die Kritiker, denen die Süddeutsche an den Lippen hängt. Auf diese Weise sickert die Mär weiter, Maron säße irgendwie auf Kubitscheks Rittergut beziehungsweise in dessen verfassungsschutznotorischem Institut. Die Gerüchtestreuer wissen natürlich, dass es sich bei ihrer Suggestion um Quatsch mit toxischer Soße handelt. Deshalb bemühen sie sich ja auch sorgfältig um Formulierungen, die sie vor Anwaltsschreiben schützen. Der Autor Per Leo („Mit Rechten reden“, „Flut und Boden“) hatte Polenz auf Facebook entgegenhalten, wenn Dagens Verlag rechtsextrem sei, dann müsste es sich um das weltweit erste rechtsextreme Publikationshaus ohne rechtsextremes Schriftgut handeln. Denn egal ob die Dresdner Regionalia, die Dagen verlegte, die Texte Jörg Bernigs, die Erzählung „Das Atelier“ von Uwe Tellkamp oder eben Marons Essays – nichts davon fällt in die Rubrik extremistisch. Noch nicht einmal in die Kategorie radikal. Aber das, so lautet die Beschuldigung, sei ja gerade das Raffinierte: Rechter Extremismus ohne nachweisbare Spuren von Rechtsextremismus.
Das Nachweisbare zählt naturgemäß nicht für Leute, die mit dem Gegenteil von Evidenz arbeiten, nämlich dem Gerücht. Gerüchte breiten sich bekanntlich aus wie Ölflecken. Unter der Insinuation von Radisch in der Zeit findet sich eine Lesermail, die hier beispielhaft für etliche Zuschriften der gleichen Sorte zitiert werden soll:
„Eine sehr gute Entscheidung! Monika Maron kann ja bei ihren neuen Freunden weiter publizieren. Ein Buch über eine Mischlingshündin werden die Ritter aber kaum bringen, da geht es reinrassig zu.“
Das Hamburger Blatt, das in anderen Fällen oft Lesermails löscht und das mit strengen Kommentaren begründet wie „verzichten Sie auf Unterstellungen“ oder „bleiben Sie sachlich“, ließ diese und ähnliche Zuschriften stehen.
Neben Dagens Verlag muss auch die Buchhändlerin selbst entsprechend markiert werden, damit sie ausreichend auf Maron zurückwirkt.
Richard Kämmerlings, literarischer Korrespondent der Welt, schreibt: „Susanne Dagen ist auf vielfältige Weise mit dem Antaios Verlag und der AfD vernetzt.“ Die Loschwitzer Buchhändlerin sitzt im Ortschaftsrat und im Dresdner Stadtrat – allerdings für die Freien Wähler. Kämmerlings liefert keinen Beleg für eine „Vernetzung“ – obendrein eine Vielfältige – der Buchhändlerin mit der AfD. Auch nicht auf Anfrage von TE und Publico. Dagen saß einmal kurzzeitig im Kuratorium der Desiderius-Erasmus-Stiftung, die von der AfD als parteinahe Stiftung anerkannt wurde. Für eine „vielfältige Vernetzung“ in der Gegenwart gibt das kein Material her, abgesehen davon, dass selbst eine AfD-Mitgliedschaft Dagens immer noch nicht auf Maron abfärben würde.
Zwei Welt-Autorinnen fanden offenbar durch Internetrecherche heraus, dass Dagen und Kubitscheks Frau Ellen Kositza seit einiger Zeit eine auf Youtube verankerte Literatursendung produzieren, in der sie gemeinsam mit einem Gast Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt vorstellen*. Auch in ihrem Welt-Artikel wird wieder durchgekoppelt: Kubitschek, Kositza, Dagen, Maron. Denn: Seit es die Sendung gibt, wurden dort auch zwei Bücher Marons vorgestellt. „Die Autorin selbst war nie in der Sendung zu Gast“, heißt es in der Welt: „Das ist aber auch gar nicht nötig, denn beim Zuschauen bekommt man den Eindruck, Maron spreche unmittelbar durch ihre Figuren zu den Kritikerinnen.“ Buchfiguren sprechen zu den Kritikerinnen! Möglicherweise sogar zu den sonstigen Lesern. Alerta, alerta. Erstaunlich, wer alles zum Thema Literatur und Kontaktverfolgung bei der Welt in die Tasten greifen darf, bei einem Blatt, das auch die 1925 von Ernst Rowohlt und Willy Haas gegründete Literarische Welt herausgibt.
Im Deutschlandfunk kommt eine Literaturwissenschaftlerin namens Andrea Geier zu Wort, die eine Art Gutachten zu Maron abgibt. Der Sender fasst seine Sachverständige so zusammen: „Zwar dürfe man Aussagen und Haltungen von Marons literarischen Figuren nicht auf die Autorin übertragen. Die meldete sich jedoch auch als öffentliche Person mit undifferenzierter Islamkritik zu Wort und mit Vokabular aus neurechten Diskursen.“
Wer bleibt, der wechselt die Seiten
Die Gerüchterstattung über die Schriftstellerin entspricht ziemlich genau dem, was die Staatsicherheit unter „Zersetzung“ verstand, festgehalten in der Richtlinie 1/76:
„Systematische Diskreditierung des öffentlichen Rufes, des Ansehens und des Prestiges auf der Grundlage miteinander verbundener wahrer, überprüfbarer diskreditierender sowie unwahrer, glaubhafter, nicht widerlegbarer und damit ebenfalls diskreditierender Angaben.“
Natürlich werden die maßgeblichen Verantwortlichen von Fischer diese Parallele genau so empört zurückweisen wie Journalisten, die systematisch den Ruf einer Autorin mit Halb-, Viertel- und Nichtwahrheiten diskreditieren. Sie weisen es schon mit dem Argument zurück, sie hätten biografisch nichts mit dem DDR-Apparat zu tun. Das trifft zu, es macht den Vorgang aber eher gespenstischer als harmloser, wenn ganz ähnliche Muster unter ganz anderen Bedingungen und dreißig Jahre später wieder auftauchen.
Feuilleton in Zeiten des Verdachts
Ein Autor konnte in den goldenen Zeiten der Bundesrepublik noch verlangen, für seine Bücher beurteilt zu werden und nicht dafür, wer sie neben vielen anderen Unternehmen auch vertreibt. Er durfte darauf bestehen, mit seinen Ansichten wahrgenommen zu werden und nicht mit denen von Freunden beziehungsweise deren Bekannten, und erst recht nicht anhand von Hörensagen-Kolportagen im Feuilleton.
Götz Kubitschek mit seinem Institut für Staatspolitik steht ohne Zweifel weit rechts, aber nicht weiter als die Rowohlt-Autorin Margarete Stokowski links steht, die immerhin mit „Antifa ist Handarbeit“ politische Gewalt nur leicht verblümt rechtfertigt. Ihr Verlag stößt sich nicht daran, der Spiegel, für den sie schreibt, ebenfalls nicht. Und Götz Kubitschek ist eben nicht Susanne Dagen und Susanne Dagen nicht Monika Maron. Es mag ja in Zeiten von Zuschreibungen, Poststrukturalismus und Verdachtshermeneutik eine unerhörte These sein: Aber nur Monika Maron ist Monika Maron.
Der Rausschmiss
Auch nur einen halbwegs ähnlichen totalitären Flirt findet bei Maron niemand. Im Gegenteil: Sie stand schon in den achtziger Jahren in der DDR gegen eine totalitäre Herrschaft, sie machte mit „Flugasche“ auf die von der SED betriebene Umweltzerstörung in der Phase der Diktatur aufmerksam, als Zeit-Chefredakteur Theo Sommer durch die DDR reiste und dort eine „stille Verehrung“ für Erich Honecker wahrnahm. Bis heute steht Maron auf demokratischem Boden. Von diesem Ausgangspunkt attackiert sie den Machtanspruch des Islam und fragt, was dem Westen die Aufklärung wert ist. Vor dieser Folie lässt sich erst die Perfidie ermessen, wenn gegen sie die Tradition des Fischer-Verlags in Stellung gebracht wird, etwa von Kämmerlings in der Welt:
„Um zu verstehen, warum gerade dieses kleine Bändchen einen Bruch endgültig machte, der sich schon länger abgezeichnet haben soll“, schreibt er, „muss man sich die Geschichte und das Selbstverständnis des Hauses klarmachen. Der S. Fischer Verlag, gegründet 1886 vom jüdischen Publizisten Samuel Fischer und von dessen vor den Nazis geflohenem Sohn Berman Fischer nach 1945 neu aufgebaut, ist der Exilverlag der Bundesrepublik, in doppeltem Sinne: Der Verlag ging (nach der komplizierten Trennung von Suhrkamp) aus dem Exil hervor, und er ist bis heute ein Verlag nicht zuletzt von ins Exil gezwungenen Autoren wie Stefan Zweig, Franz Werfel oder Thomas Mann.“
Nun war Gottfried Bermann nicht der Sohn, sondern der Schwiegersohn Samuel Fischers, und der Verlag ging auch nicht ganz ins Exil, ein Teil blieb unter der Leitung von Peter Suhrkamp in Deutschland. Die Verlagsgeschichte ist also etwas komplexer. Aber wenn jemand schon versucht, aus der Tiefe der Geschichte heraus zu argumentieren, dann müsste er sie auch umfassend erzählen. Fischer ist, siehe oben, kein selbständiger Verlag, er gehört zur Holtzbrinck Verlagsgruppe. Dessen Chef Stefan von Holtzbrinck kann nichts für seinen Vater. Aber Georg von Holtzbrinck war nun wirklich weder äußerer noch innerer Exilant, sondern NSDAP-Mitglied (Nummer 2126353) und Profiteur des Regimes. Zusammen mit seinem Partner August-Wilhelm Schlösser verlegte er die Mitgliederzeitschrift der Deutschen Arbeitsfront und druckte Hans Grimms „Volk ohne Raum“, beides in hoher, profitabler Auflage.
Würde jemand schreiben: ‘Verlag, der einem Nazi-Sohn gehört, feuert Autorin aus jüdischer Familie‘, dann wäre das ungerecht, verzerrt und böswillig. Mit anderen Worten: Es wäre so ähnlich wie etliche Texte über Marons Rauswurf bei Fischer.
Gerade wegen der Geschichte sowohl der Verlagsgruppe als auch der Autorin ist es absurd, so zu tun, als hätte Siv Bublitz in letzter Sekunde ein antifaschistisches Erbe vor der Befleckung durch eine langjährige Autorin gerettet.
Deren verlogen begründeter Rauswurf stellt ein Novum in der bundesdeutschen Verlagsgeschichte dar, das dauerhaft an Bublitz kleben bleiben wird. Leider bleibt der Vorgang auch an S. Fischer haften, einem Haus, das entschieden größer ist als seine aktuelle Verweserin.
*In der Büchersendung „Aufgeblättert, zugeschlagen“ des Buchhauses Loschwitz war auch der Autor dieses Textes zu Gast.
Lieber Herr Wendt,
einmal mehr ein exzellent recherchierter Text. ABER in einem Punkt irren Sie, wenn schreiben:
„Ein Verlag feuert einen Schriftsteller ausdrücklich nicht aus künstlerischen Gründen, sondern aus politischen – das war in der Geschichte der Bundesrepublik bis dahin noch nicht vorgekommen.“ Falsch!
Schöngeistern mag der Name Akif Pirincci ein Gräuel sein – das ändern aber nichts an der Tatsache, dass sein noch nicht mal fünf Jahre zurückliegender Fall alles in den Schatten stellt, was es in der Bundesrepublik gegeben hat, den Fall Maron eingeschlossen. Hier wurde nichts weniger als die komplette Auslöschung eines Autors versucht, inklusive seiner unpolitischen Katzenkrimis, die ihn reich gemacht hatten. Auf aggressiven Wunsch vieler Autoren-Kollegen trennte sich sein Verlag von P. – trotz Verkäufen, die weit über jenen MMs gelegen haben dürften. Damit nicht genug: Amazon strich sämtliche unpolitischen Katzenkrimis aus dem Sortiment, auf dass nicht mal das virtuelle Bücherregal vom Namen des Unberührbaren befleckt werde.
Ein kluger Frechdachs monierte kurz darauf „zum Schein“ mit gespielter Empörung, dass die ARD die Verfilmung des Pirincci-Romans „Die Damals-Tür“ im Nachtprogramm wiederholt habe – und bekam von den Programm-Verantwortlichen ein Entschuldigungsschreiben: Man bedaure dies, könne aber garantieren, dass dem Vogelfreien keinerlei finanzielle Vorteile mehr aus der Ausstrahlung erwüchsen.
All dies ließ mich damals schaudern – und ich muss sagen, dass der Maron-Sturm dagegen wie ein laues Lüftchen anmutet. Dass Pirincci sich als Verbal-Randalierer aufgeführt hatte, mag gegen ihn sprechen. Aber auch das ändert nichts daran, dass praktisch alle Mainstream-Medien seine berüchtigte „Pegida-Rede“ falsch zitierten und ins Gegenteil verkehrten. Eine Flut von gerichtlich verfügten Richtigstellungen belegt dies.
Michael Klonovsky notierte seinerzeit, der Fall Pirincci werde dereinst als Fanal in die Geschichtsbücher eingehen. Leider hat er sich wohl geirrt. Er ist jetzt bereits vergessen….
Was geht bloß in den Köpfen dieser Leute vor, die ohne jedes politisches Geschichtsbewusstsein wieder zu denselben Methoden der beiden deutschen Diktaturen greifen – und sich keiner Schuld oder Unrechts bewusst sind. Mir ist es wurscht, ob jemand Skurriles von sich gibt, ich erkläre ihn zum Spinner, wenn es zu dämlich ist oder, bez. Ganz-Rechten, zu Gestrig-dumm. Aber auch das gehört eben zur Demokratie!!
Welches Verständnis der Demokratie haben diese Leute? Sie zeigen ein erschreckend dummes, am Mainstream-Pöbel angepasstes Verhalten. Man lese die vielen Geschichtsbücher und Erzählungen, die die Hitler-Zeit zum Thema haben, und vergleiche! Es ist erschreckend!
Jeder Konsument hat Macht.
Nutzen wir sie!
Danke schön Herr Wendt für ihre hervorragende journalistische Arbeit.
Es ist immer wieder erstaunlich feststellen zu müssen, dass es ausgerechnet immer wieder Frauen sind, die in ihrer Führungsposition Entscheidungen zu Lasten anderer treffen, ohne sich vorher wenigstens dem Diskurs über das anliegende Thema auszusetzen. Es ist halt bequemer, per ordre de Mufti von oben herab über andere Zeitgenossen ein Urteil zu fällen, egal welche Folgen das zeitigt. Hauptsache, man sitzt selber im Trockenen…….
Es sind dies alles Zeichen einer Front, die nicht mehr diskutieren kann, weil sie schlicht keine Argumente haben!
Die „Gebildeten“ waren schon immer besonders gefährlich 😉
Tagesspiegel und Zeit gehören einem Bruder des Verlegers von Fischer, KiWi und Rowohlt.
Zuerst hetzte der Tagesspiegel inbrünstig gegen Maron, dann wurde es immer leiser, zuletzt von Martenstein eine bissige Glosse auf Seite 1 gegen Fischer.
Der Fischer Verlag knallte Frau Maron bei einem Besuch den Aktenordner mit der eigenen Exilgeschichte auf den Tisch. Übersehen wurde dabei, dass der Verlag arisiert worden war und es nach dem Krieg massive Streitigkeiten um die Rückgabe gab-33 von 48 Autoren gingen mit Suhrkamp!
Danke für den gut recherchierten Artikel! Jeder darf sich jetzt denken was er will. So wie es sein soll.
Aber womöglich ist Monika Maron beim Fischer-Verlag ohnehin nicht mehr gut aufgehoben, einem Verlag, der unter Siv Bublitz seine Internetseiten mit Gendersternchen verunstaltet.
Bublitz ist seit April 2019 im Amt, Maron hatte kurz davor zusammen mit anderen die Petition „Schluss mit dem Gender-Unfug!“ gestartet – derzeit 78.294 Unterschriften – und hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass sie das Gendern für einen „zerstörerischen Eingriff in die deutsche Sprache“ hält. In ihrem Roman „Artur Lanz“ lässt sie die Protagonistin über junge Männer sinnieren, denen man ihr Mannsein „schon in der Kindheit mit Ritalin ausgetrieben oder in liebevollen Gesprächen verleidet hatte“, und die jetzt „gehorsam das generische Maskulinum vermeiden und stattdessen Gendersternchen verteilen“. Die Petition:
https://vds-ev.de/gegenwartsdeutsch/gendersprache/gendersprache-unterschriften/schluss-mit-dem-gender-unfug/
In ihrem letzten Artikel für die „Neue Zürcher Zeitung“ beschreibt Maron anhand von Beispielen (Tellkamp u.a.), wie es in Deutschland Zeitgenossen ergehen kann, die vom Mainstream abweichen:
<i>„Es gibt auch in einem Rechtsstaat Möglichkeiten, Menschen wegen unerwünschter Meinungen die Existenz zu erschweren oder sogar zu zerstören. Wenn Zweifel schon verdächtig sind, wenn Fragen als Provokation wahrgenommen werden, wenn Bedenken als reaktionär gelten, wenn im Streit nur eine Partei immer recht hat, können einen eben alte Gefühle überkommen. Und dann kann man darüber verzweifeln, vor Wut toben oder darüber lachen, unser schönes galliges Gelächter.“</i>
Das Gelächter von Leuten, die den größten Teil ihres Lebens in der DDR verbracht haben. Der NZZ-Artikel ist Teil des kleinen Essay-Bändchens, das zu ihrem Rausschmiss geführt hat. Wie wärs mit dem Langen Müller Verlag? Da hat auch Thilo Sarrazin eine neue verlegerische Heimat gefunden.
Danke für den Link zur Petition. Habe gleich unterschrieben und geteilt…
Es gibt keinen Bereich, keinen Aspekt des gesellschaftlichen Zusammenlebens, der von dem brutalen Versuch ausgenommen ist, die Bevölkerung zu einer neuen Gesellschaft umzuformen, so wie es der Kommunismus immer versucht hat: einen neuen Menschen zu schaffen, der keine eigenen Kreise/Gruppen mehr kennt, sondern nur noch die Aufopferung für alle. Heute umfasst der Kreis der Aufopferungswürdigen die ganze Welt, das muss nach der Ideologie in die Köpfe der Leute: Eine Bewohnerschaft eines Landes -> ein Wille, eine Überzeugung, ein Gedanke. Es ist das System des Kommunismus, nur den beherrscht Merkel, weil sie ihn mit der Muttermilch aufgesogen hat und von ihm gefördert wurde. Es ist die neuerliche Vergewaltigung der Leute, leider ist Deutschland dafür besonders anfällig, daher liebäugeln außerhalb der 3. Welt-Länder nur die Deutschen damit.
Nicht der Westen hat den Osten übernommen, der Westen hat den Osten finanziert und sich von ihm übernehmen lassen. Leider merken das viel zu wenige im Osten, im Westen schon gar nicht.
Bei dem Exil-Verlag hatte ich schon bestellt.
Mich veranlasst die aktuelle Geschichte, etwas ausführlicher bei Sezession und Antaios zu lesen. Scheint literarisch ein lebendiger Bereich zu sein.
Widerlich, diese Lügen der ZEIT, der Radisch, ihres Abeitgebers Holtzbrink und dessen Fischer-Verlagssparte.
Einfach eklig, wie WELT souffliert.
Mich wundert, dass der bei der ZEIT beschäftigte Ijoma Mangold noch bei einem Querdenker-Publizisten Gunnar Kaiser zum Interview kommt. Er darf – indirekt – die „Schnappatmung“ der Linken-Kollegen erwähnen.
Möglicherweise fällt dem das auch noch auf die Füsse.
Natürlich ist es nicht unangemessen, wenn Alexander Wendt das Vorgehen journalistischer Denunzianten, Gerüchtemacher und Verbreiter von Halbwahrheiten mit dem erkennbaren Ziel, einer bedeutenden Autorin zu schaden, als „Zersetzung“ nach dem Stasi-Muster vergleicht. Die Stasi hat nicht erfunden, nur besonders schamlos und zynisch (aktenkundig en detail) als Strategie genutzt, was Lateinern als „audacter calumniare, semper aliquid haeret – „Verleumde nur dreist, es bleibt immer etwas hängen“ seit Jahrhunderten bekannt ist, und als Geschäftsmodell „Mir nützt, was anderen schadet“ den übelsten unter den „Öffentlichkeitsarbeitern“ Aufmerksamkeit und Gewinne beschert.
Ja: Es ist eine Tragödie, wenn die – einst Autoren im Widerstand gegen totalitäre Diktaturen ermutigenden – Verlage, Zeitungen und Rundfunkanstalten heute versuchen, Profite mit Cancel Culture zu machen, weil sie nicht mehr originelle Begabungen und mutige Abweichler von der herrschenden Meinung – also der Meinung der Herrschenden – fördern, sondern alles, was sie für zu Quote, Klick-, und Verkaufszahlen passend und nicht anstößig für Politbürokraten nebst deren medialen Schallverstärkern halten. Das beweist dieser wie immer sorgsam recherchierte, kluge Text. Und dafür ist einer besonders dankbar, wenn er erlebt hat, wie hauptberufliche und freiwillige Mitarbeiter der Stasi, ermächtigt von der SED, einen Menschen nicht nur beruflich zu zersetzen versuchen. Warum sie’s tun? Weil sie es können. Das haben sie mit all ihren historischen Vorgängern gemeinsam. Auch mit den willigen Vollstreckern von heute.
Diese Verlage, Zeitungen, Rundfunkanstalten, die einst Autoren zum Widerstand gegen totalitäre Systeme ermunterten, übersehen völlig, daß sie längst zum Teil eines Systems geworden sind, welches sich immer totalitärer und unduldsamer zeigt. Dies trifft auf die gesamte Linke zu, die sich per definitionem als „Widerstand“ fühlt, obwohl sie längst selbst das herrschende, unterdrückende establishment ist, gegen das es Widerstand zu leisten gilt.
Der Grund für diesen unduldsamen Totalitarismus sind die zahlreichen Lügen, die mittlerweile unseren Staat und seine Gesellschaft durchdringen; Lügen können immer nur mit großem, stets steigenden Aufwand aufrechterhalten und gegen die von unten hervordrängende Wahrheit verteidigt werden.
In einem Land, wo es schon ausreicht, mit einem Mitglied einer unerwünschten demokratischen Partei am Mittagstisch gesessen zu haben, um zu einer „persona non grata“ zu mutieren, ist alles möglich. Man kann nur hoffen, dass Frau Maron ihren Rausschmiss mit der Weisheit des Alters verkraften kann.
Sie dürftees verkraften, weil sie unabhängig ist, aber nicht wegen ihrer „Altersweisheit“. Das, was man Altersweisheit nennt, ist im Wesentlichen nur die Einsicht, dass einem es wurscht sein kann, weil man sowieso nichts ändern kann. Weisheit würde Hoffnung implizieren, und die hat man in dem Alter wohl kaum mehr.
Die Neue Zürcher Zeitung, die ich bis dahin schätzte, feuerte einen Kolumnisten, weil der einen Beitrag in einem „falschen Medium“ zu zweiten Mal verbreitete.
„KONTAMINATIONS“-LOGIK
Wenn man Menschen an ihrem Recht auf Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit hindern will mit dem absurden Argument, an einer bestimmten Demo könnten ja auch „Rechte“ teilnehmen, dann ist das so, als verlange man von ihnen, den Ozean auszutrinken. Denn mit der Begründung kann man jegliche Aktivität verbieten. Man will (natürlich mit Maske) im Supermarkt einkaufen, zur Tankstelle, ins Kino, Schwimmbad, zum Finanzamt, etc? Geht nicht, denn da könnten überall Rechte sein.
Will man jetzt immer weiter kranke linke „cancel culture“ betreiben, indem man noch rückwirkend weltweit gelesene Autoren wie Friedrich Nietzsche zu Nazis erklärt? Da wird am Ende aber nicht mehr viel übrig bleiben, denn bei genauer Betrachtung und Anlegen der Jakobiner-Standards von heute waren wohl die meisten bedeutenden Dichter und Denker „rechts“.
Ultra krank.
Mal ein Beispiel dafür, wie es auch möglich ist, mit einem „rechten“ Autor umzugehen: Der kaum als rechtsradikal verdächtige Marcel-Reich Ranicki hat in einer seiner letzten Sendungen des „literarischen Quartetts“ die Lektüre von Werken des norwegischen Literaturnobelpreisträgers ausdrücklich empfohlen. Und das, obwohl er Hamsuns Standpunkte kannte. Hamsun war schon seit dem ersten Weltkrieg bis zu seinem Tod 1952, na sagen wir, sehr deutschfreundlich und hat daraus kein Hehl gemacht.
Er stand, wenn man so will, viel weiter rechts als z.B. Kubitschek. Im literarischen Quartett wurde dann diskutiert, ob man Werke dieses Autors lesen dürfe. Reich Ranickis Antwort: eindeutig ja. Denn einerseits war Hamsun ein Meister der Feder und zu seinen Bewunderern gehörten schon zu dessen Lebzeiten eine Reihe prominenter Autoren, die alle als antifaschistisch eingestuft werden dürfen, u.a. Stefan Zweig, Adorno, T. Mann, aber auch ausländische Autoren wie Henry Miller, James Joyce, Ernest Hemingway oder Marcel Proust.
SO geht man mit Literaten um, nicht indem man den linksradikalen Zensor macht.
„Die Gerüchterstattung über die Schriftstellerin entspricht ziemlich genau dem, was die Staatsicherheit unter „Zersetzung“ verstand,“.
Offensichtlich haben diese Leute beste Beziehungen zur Stasi oder „Stasinahen Personen“. Entspricht der Umkehr „Argumentation“, nur diesemal nach Links.
Schon schlimm was Deutschland unter Merkel geworden ist (wieder einmal).
auweia, da beschreiben Sie aber nullen, herr wendt, daß es sich nur so
gewaschen hat! noch ein wenig mehr, dann werden schon wieder öffentlich
bücher verbrannt! und viele werden dabei stehen und beifall klatschen!
ich wende mich mit grauen und verschwinde hier im indian summer!
all the best aus jasper/can.
„Nicht nur die Verlagssäuberung ist ein Novum – sondern auch die Strategie der Gerüchte und Falschbehauptungen.“
Da wirft der Lead dem Autor einen Stock zwischen die Beine – denn die Pointe des breit recherchierten und scharfsinnig polemisierenden Artikels lautet ja gerade eben, dass man die vorgeführten Praktiken des merkeldeutschen Feuilletons eben aus der jüngeren Historie bestens kennt: Zersetzung.
Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass wir Huxleys Dystopie nicht nur einholen, sondern auch konsequent überholen.
Die Linke hat sich in den Medien und dem Kulturgewerbe eine unangreifbare Vorherrschaft erschlichen. Es sind nicht eben die edelsten Charaktere, die sich da breit gemacht haben. Bleibt zu hoffen, dass ihnen die Mischung von Arroganz, Selbstgerechtigkeit, kognitiver Minderkomplexität sowie zumeist recht hohem Tellerrand mal schwer auf die Füße knallt.
Was hoch steigt, muss auch wieder runter. Ich denke wir können es erwarten!
Es wird langsam Zeit, dass das passiert! Langsam wird es penetrant.