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Tellkamp und Bernig für Maron

„Verwahrlosung in der Berichterstattung“

21.10.2020

| Lesedauer: 2 Minuten
Die Schriftsteller Uwe Tellkamp und Jörg Bernig nehmen Stellung für Monika Maron: Nicht was sie in ihren „Essays aus drei Jahrzehnten“ geschrieben hat, war für S. Fischer inkriminierend, sondern dass sie es in Susanne Dagens Verlag publiziert hat, der sich linkem Denken entzieht und für alle offen ist.

Der langjährige Suhrkamp-Autor Uwe Tellkamp („Der Turm“) und der Schriftsteller Jörg Bernig stellen sich in einer gemeinsamen Erklärung an die Seite von Monika Maron, der S. Fischer nach 40 Jahren die Zusammenarbeit aufgekündigt hatte. Gleichzeitig verteidigen sie die Dresdner Buchhändlerin Susanne Dagen gegen Anschuldigungen. S. Fischer hatte das Ende der Zusammenarbeit mit Maron damit begründet, dass sie ihren Essayband „Krumme Gestalten, vom Wind gebissen“ in der Edition EXIL von Dagens Buchhaus Loschwitz veröffentlicht hatte. Dagen wird von verschiedenen Medien als „neurechts“ bezeichnet; in einem Text der „Süddeutschen“ wurde sie kürzlich ins rechtsextreme Spektrum gerückt.

Marons Essays – ältere Texte, darunter ein Essay, das 2019 in der Neuen Zürcher Zeitung erschien – waren allerdings schon im März 2020 in der Edition des Buchhauses Loschwitz publiziert worden; der Verlag hatte vorher sein Einverständnis gegeben.

„Unsere große Sorge erwächst aus Beobachtungen und Erfahrungen, die wir selbst während der letzten Jahre gemacht haben“, schreiben Tellkamp und Bernig, von denen auch jeweils ein Buch in der Edition des Buchhauses Loschwitz erschienen war: „Wir stellen eine Verwahrlosung und gewalttätige Aufladung der Berichterstattung und Kommentierung fest, wenn über Positionen und Menschen geschrieben und gesprochen wird, die sich kritisch zu problematischen Entwicklungen in diesem Land äußern – sei das zu Fragen der Meinungsfreiheit, der Verquickung von Politik und Medien, der Migrationspolitik, der Erscheinung des Islams in unserer Gesellschaft oder der Beschneidung verfassungsmäßig festgeschriebener Freiheiten. Mit großer Sorge blicken wir auf uns nachgerufene Formulierungen wie: ‚pegidafiziert’, ‚rassistisch’, ‚ausländerfeindlich’ oder ‚definitiv neurecht[s]’“

Beide Autoren rufen zur Mäßigung des öffentlichen Debattentons auf.
TE dokumentiert den gesamten Text:

In großer Sorge

Statement von Jörg Bernig und Uwe Tellkamp

In großer Sorge und mit Entschiedenheit stellen wir uns vor die Buchhändlerin, Verlegerin und Veranstalterin Susanne Dagen. Desgleichen treten wir an die Seite unserer Kollegin Monika Maron, der die weitere Zusammenarbeit mit dem Verlag S. Fischer aufgekündigt wurde, weil sie in der edition buchhaus loschwitz, dem Verlag Susanne Dagens, einen Band mit Essays veröffentlicht hat. Wohlgemerkt: nicht was Monika Maron in ihren „Essays aus dreißig Jahren“ geschrieben hat, war für S. Fischer inkriminierend, sondern daß sie es in Susanne Dagens edition buchhaus loschwitz publiziert hat. Susanne Dagens Buchhandlung, ihr dort angeschlossenes KulturHaus und der Verlag edition buchhaus loschwitz werden als Ort (neu)rechten Denkens stigmatisiert und das, bei Lichte besehen, schlicht aus dem Grund, weil Susanne Dagen sich einer Festlegung auf ein bloß irgendwie links geartetes Denken entzieht und stattdessen einen Ort bietet, der für alle offen ist.

Unsere große Sorge erwächst aus Beobachtungen und Erfahrungen, die wir selbst während der letzten Jahre gemacht haben. Wir stellen eine Verwahrlosung und gewalttätige Aufladung der Berichterstattung und Kommentierung fest, wenn über Positionen und Menschen geschrieben und gesprochen wird, die sich kritisch zu problematischen Entwicklungen in diesem Land äußern – sei das zu Fragen der Meinungsfreiheit, der Verquickung von Politik und Medien, der Migrationspolitik, der Erscheinung des Islams in unserer Gesellschaft oder der Beschneidung verfassungsmäßig festgeschriebener Freiheiten.

Mit großer Sorge blicken wir auf uns nachgerufene Formulierungen wie: „pegidafiziert“, „rassistisch“, „ausländerfeindlich“ oder „definitiv neurecht[s]“.
Wir fragen: Wohin soll das führen? Was soll der Schritt sein, der auf derlei verbale Attacken folgt? Oder: Welchen Folgeschritt sollen solche Attacken vorbereiten?
Wir leben in einer Zeit enormer Umbrüche. – Diskussion? Ja. Streit? Ja. Diffamierung? Nein. Denunzierung? Nein. Ausgrenzung? Nein. Verbale Gewalt? Nein und nein!

In großer Sorge um die Entwicklung in unserem Land rufen wir zu Mäßigung im Umgang miteinander auf.

Dresden, den 21. Oktober 2020

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22 Kommentare

  1. Werde jetzt mal was von Tellkamp, Bernig und Maron kaufen. Zuerst mal natürlich, um Frau Dagen zu unterstützen. Das einzige Buch, was ich jemals von Monika Maron gelesen habe, war „Flugasche“ (ist jetzt schon etwas her)…
    Vom Fischer-Verlag und Suhrkamp kaufe ich nichts mehr, die scheinen mir ohne Rückgrat und sehr illoyal gegenüber ihren Schriftstellern zu sein, von denen sie ja viele Jahre finanziell profitiert haben…

  2. Danke. Klare, gute Worte. Wer noch eine Funken Anstand hat, wird nicht mehr bei Fischer oder Suhrkamp veröffentlichen. Oder Bücher dieser Verlage kaufen.

  3. gleich mal die Editition bestellt um Stellunmg zu beziehen und die drei Autoren zu unterstützen!

  4. Der Vollständigkeit halber gehört dazu, dass S. Fischer das damit begründet, dass der Vertrieb des bei Loschwitz erschienen Buches über Antaios erfolgt und das für S. Fischer nicht gehe.

    • Siehe oben im Text:
      „der Verlag [Fischer] hatte vorher sein Einverständnis gegeben.

  5. Welchen Folgeschritt sollen solche Attacken vorbereiten? RRG-Machtübernahme, Aufbau eines sozialistischen Einheitssystems, Enteignung, Vergemeinschaftung von Eigentum, Aufbau einer Mauer (um die Gedanken zu inhaftieren), Gleischaltung der Presse, möglichst alles verbieten, was das Leben leichter macht, totale Klima- und Weltenrettung (ohne Krieg), totale Selbstaufgabe, Etablierung einer Einheitspartei, Vernichtung des kapitalistischen Systems, etc.. Oder kurz geantwortet: Errichtung eines 1000 jährigen totalitären sozialistischen-ökoterroristischen Systems auf dem Boden des heutigen Deutschlands.Wie beispielsweise in Berlin bereits in großen Teilen umgesetzt.

  6. Der Appell wird ja doch wieder ungehört verhallen, weil „RECHTS“.

  7. Ich denke nicht ein „Mit großer Sorge…“ , sondern ein „J´accuse!“ wie Émil Zola es schrieb, um staatlichen und medialen Machtmißbrauch anzuprangern -> Affäre Dreyfuss, die in vielen Schulen, Univesitäten etc., aus Sorge um den eigenen Kopf -in veritas- nicht mehr zu besprechen und diskutieren gewagt wird – wäre mM noch viel passender gewesen.
    Trotzdem Danke, weiter so, und ich freue mich auf die Bücher dieser ua. auf(!)rechten rückgratzeigenden Autoren, die ich in den kommenden erkaltenden Jahreszeit vor dem Holzofen mit guten Getränken genießen werde. Massel tov.

  8. Damit dürfte klar sein, wer als nächstes Opfer feststeht. Uwe Tellkamp muss sich also schon mal einen neuen Verlag suchen! Sein neues Romanprojekt „Lava“ wartet offenbar immer noch auf eine Veröffentlichung. Wahrscheinlich ist es bisher nicht gelungen, den Literaten auf Kurs zu bringen.

  9. Vor 31 Jahren ! Und schon wieder bitten Künstler die REGIERENDEN um Mitsprache und fordern einen Dialog statt zu den „Mistgabeln“ zu greifen und die Mauern der Meinungskorridore einzureißen:
    Erklärung der Künstler des „Berliner Ensembles
    „Das künstlerische Ensemble des Berliner Ensembles hält es für notwendig zu erklären, dass es sich mit allen Möglichkeiten und Mitteln an der Volksaussprache, die sehr dringend notwendig ist zur Klärung der aktuellen krisenhaften Lage, beteiligen wird. Auch angesichts der einzigartigen historischen Chance, die der Abrüstungsdialog zwischen der UdSSR und den USA eröffnet hat und angesichts der globalen Verschärfung ökonomischer und ökologischer Konflikte, die vor den Grenzen unseres Landes nicht Halt machen, brauchen wir eine umfassende und sachliche Analyse, die den Fragen nach der künftigen Entwicklung der DDR, ihrer unverzichtbaren Funktion im politischen Weltprozess auf dialektische Weise gerecht wird. Die Zeit drängt. Nötig ist die öffentliche Diskussion. Ohne die öffentliche Information über alle Fragen und Probleme werden wir die Menschen dieses Landes nicht nur nicht aktivieren zur Weiterführung des Sozialismus in der DDR, sondern wir werden sie verlieren und nicht nur über die Grenze.
    Wir müssen in aller Öffentlichkeit darüber sprechen, dass das gegenseitige Vertrauen zwischen Führung und Bevölkerung unverzichtbar ist. Misstrauen gegenüber der politischen Reife der Bevölkerung, wie es unverändert in den Veröffentlichungen unserer Zeitungen und Medien zu spüren ist, schränkt die Glaubwürdigkeit der Partei und die Handlungsfähigkeit aller ein.
    Zur Gewinnung und Wiedergewinnung des Vertrauens sind zwischen vielen Ebenen und in der breiten Öffentlichkeit Dialoge ohne Tabus nötig, auch andere Meinungen müssen gehört und dürfen nicht kriminalisiert werden.
    In allen Diskussionen, die wir hatten und kennen, ging und geht es um Veränderungen in diesem Land und damit um den Fortbestand des Sozialismus. Wir wissen, dass genügend Vorrat an Analysen, Vorschlägen und Gedanken bei unseren Gesellschaftswissenschaftlern vorhanden ist. Sie müssen der Öffentlichkeit unterbreitet werden, die sehr darauf wartet. Tun wir es nicht, verschenken wir die Initiative und vertun die Chance, die in der sehr besorgten, politisch wachen Atmosphäre unter der verantwortungsbewussten Bevölkerung liegt.
    Bei der Diskussion dieser letzten Punkte müssen wir davon ausgehen, dass eine Lösung des Medienkrieges der anderen Seite nicht nur in deren Bekämpfung, sondern in der Verbesserung unserer eigenen Medien liegt. Man stärkt den Sozialismus nicht, indem man Halb- und Viertelwahrheiten verbreitet, sondern schafft zusätzlichen Ärger und Unmut, der sich gegen den Staat richtet.
    Wir sollten ängstliche Bedenken zurückstellen zugunsten eines kräftigen und realistischen Denkens.“
    Berlin, den 29.9.1989

  10. Vergessen wir die politischen Zuschreibungen. Hier nutzen niederträchtige und charakterlose Subjekte die Gunst der Stunde, um ihre Gewaltphantasien auszuleben. Es hat auch etwas Gutes, wenn die Umstände diese Menschen dazu verleiten, die Maske der Heuchelei fallen zu lassen. „Man kann einen Menschen daran hindern zu stehlen, aber nicht ein Dieb zu sein.“ Jetzt ist die Zeit der Beutezüge und Plünderungen.

  11. Durs Krummbein hat auch gleich den Grünschnabel aufgerissen und einen Sermon von typisch linker Eloquenz abgelassen. Das Wort „diffus“ ist für mich mittlerweile ein Stopcodon geworden, bei dem ich aufhöre zu lesen, weil ich weiß, dass danach nur noch selbstgefälliges Blabla aus einer Welt von rosafarbigen Wölkchen und glücklichen Kaninchen kommt.

  12. „Große Sorge“ ist gut! Langsam könnten die Herrschaften nun aber wirklich eine klare Position beziehen.
    Es erinnert mich an die Dinosaurier, bei denen angeblich das Nervensystem enorm lange brauchte, um dem Gehirn zu signalisieren, dass der Schwanz eingeklemmt ist.
    Sie wurden bereits öffentlich gefressen und verdaut, und kapieren es immer noch nicht.

    • Nein. Tellkamp & Co bedienen sich nur (nur?) einer höflichen Sprache.
      (wie es mal üblich war unter intelligenten Leuten).

    • Ich finde schon, daß beide Position beziehen. Dazu gehört sehr viel Mut…

  13. Was folgen soll? Das dürfte doch eigentlich klar sein…Methoden zur finanziellen/sozialen Vernichtung sind bei Wohlhabenderen, politisch gefestigten Menschen nicht wirksam. Was bleibt da noch?
    Man hofft, dass irgendwannmal ein fanatisierter Linker mittels Dauerbestrahlung sich finden lässt, der die unterschwelligen Botschaft des Hasses aufnimmt, und endlich mal etwas mehr als nur Verbalattacken/ verübt und somit ein Zeichen für alle Aufmüpfigen setzt.
    Die linke Journalie lechzt in fast jedem politischen Artikel nach Blut .
    Und sie gibt sich nicht mit einem „Kantholzvorfall“ zufrieden.

  14. Vielleicht sollte man sich lieber einmal um „Neu-Links“ kümmern! Oder um die Diskriminierung Andersdenkender, sofern sie vom Merkel-Kurs abweichen!

    • Neulinks? Ewig das gleiche links mit Parolen aus der Steinzeit, um dumme Leute dazu aufzustacheln, ihnen den Weg an die Fleischtöpfe freizumachen.

  15. Das links-diffuse Lager hat irgendwann mal bemerkt, dass es argumentativ wenig bis nichts zu bieten hat, um in ehrlichen, rational geführten Diskussionen bestehen zu können. Deshalb wurde die strategische Entscheidung getroffen, drauf zu hauen, auzugrenzen, jeden Diskurs über strittige Themen politischer und gesellschaftlicher Art nicht zu führen, sondern eine reine Gesinnungspolitik zu betreiben.
    Die „innere Reichsschriftumskammer“ des Fischer Verlags passt zu dieser Vorgehensweise und ist insofern stringent.

    • Schon die Beschreibung „argumentativ wenig“ ist zuviel der Ehre für die linken Kulturrevolutionäre.

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