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Rüstungsprojekt vor dem Scheitern

Sauber versemmelt: Ersatz der Hubschrauber CH-53

11.10.2020

| Lesedauer: 5 Minuten
Die Bundeswehr braucht eine Runderneuerung. Waffensysteme und Ausrüstungsgegenstände stammen aus der Zeit des Kalten Krieges. Ein Beispiel: der Anfang der 1970er beschaffte Transporthubschrauber Sikorsky CH-53. Das bewährte Fluggerät aus den 1960ern gehört nach bald 50 Jahren im Einsatz auf's Altenteil.

Das Bundesministerium der Verteidigung hat zwei namhaften US-Konzernen vor kurzem einen Korb gegeben. Die Rüstungsgiganten Boeing und Lockheed hatten zu Beginn des Jahres Angebote für neue Hubschrauber vorgelegt, die das BMVg nun als unwirtschaftlich abgelehnt hat: Es sei erkannt worden, dass „eine Realisierung des Projektes im geplanten Finanzrahmen bei gleichzeitiger Erfüllung aller Forderungen unwahrscheinlich ist“. In die Haushaltsplanung eingestellte 5,6 Milliarden Euro (5.600 Millionen!) sind demnach zu wenig für ein paar Dutzend Transporthubschrauber! Ist das Portemonnaie zu klein, oder sind die Ansprüche zu hoch – dürften die entscheidenden Fragen sein.

Zweifellos ein heftiger Schlag für die amerikanische Rüstungsindustrie, die sich eines Erfolges nahezu sicher sein konnte. Die atmosphärischen Trübungen zwischen den Regierungen der Vereinigten Staaten und Deutschlands werden die Verhandlungen nicht gerade erleichtert haben. Ob das Ziehen der Reißleine so kurz vor der US-Präsidentenwahl Zufall ist? Unabhängig davon sind derzeit im Westen keine Systeme auf dem Markt oder in Sicht, die den beiden angebotenen Modellen CH-47F „Chinook“ von Boeing und der großteils neu entwickelten CH-53K „King Stallion“ von Sikorsky aus dem Lockheed-Martin-Konzern nach Eignung und Leistung Paroli bieten könnten. Prinzipiell denkbare russische Flieger lässt die politische Großwetterlage nicht zu.

Verhandlungstaktik oder Ende des Geschäfts?

Milliardenschwere Rüstungsgeschäfte laufen nach eigenen Regeln ab, sie finden hinter verschlossenen Türen statt. Politische Implikationen bestimmen üblicherweise das Bild, so ist es auch in diesem Fall. Ein Bedarf der Bundeswehr für ein neues schweres Fluggerät zeichnet sich schon seit Jahrzehnten ab. Erst mit der Erkenntnis einer aggressiven russischen Machtpolitik bequemte sich die deutsche Politik zur überfälligen Einsicht, dass auch der Flugzeugpark der Streitkräfte der Erneuerung bedarf. Überlegungen zu einem Future Transport Helicopter in deutsch-französischer Zusammenarbeit verliefen unter anderem wegen ausufernder Forderungen an die Nutzlast und einer absehbar geringen Stückzahl bei exorbitant hohen Kosten im Sande. Auch zaghafte Versuche einer Kooperation von Airbus Helicopters (früher Eurocopter) mit Boeing, um darüber ein passendes Angebot auf die Beine zu stellen, kamen nicht voran. Nolens volens entstand die Idee eines Kaufs von der Stange in den USA.

Konkurrenz belebt das Geschäft. Das Gegenteil davon trifft allerdings auch zu: ohne Konkurrenz ist man dem Anbieter zu dessen Bedingungen ausgeliefert. In diesem Fall blieb immerhin noch die relative Konkurrenz zweier US-Konzerne, die Hubschrauber in der gewünschten Leistungsklasse anbieten. Um die Chancen für den Auftrag zu erhöhen, haben sich beide US-Anbieter mit deutschen Firmen verbündet. Sikorsky holte sich beispielsweise Rheinmetall und den Triebwerksbauer MTU mit ins Boot, Boeing will mit Rolls-Royce Deutschland zusammenarbeiten. Klingt gut für deutsche Firmen, ist aber als treibender Faktor für steigende Kaufpreise schlecht fürs Geschäft. Wenn die Wertschöpfung für Wartung und Instandhaltung über die Jahrzehnte des Flugbetriebes in Deutschland verbleiben soll, müssen die Voraussetzungen dafür mit viel Geld erst teuer geschaffen werden.

Überhöhte Forderungen rächen sich

Die geltenden Rüstungsverfahren verlangen seit der Jahrtausendwende explizit den Kauf marktverfügbarer Produkte (so heißt es in den Vorschriften), in der Praxis schert sich allerdings kaum jemand darum. Die Militärs spitzen ihre Forderungen so lange zu, bis nur die exorbitant teure Neuentwicklung bleibt, oder wie in diesem Fall selbst der Kauf eines Seriengerätes scheitert. Mit marktverfügbaren Systemen einen militärischen Bedarf zu decken, zwingt nun mal zu Kompromissen. Das ist nicht die Stärke der Soldaten, die es allemal vorziehen, ihre Wünsche und Forderungen millimetergenau erfüllt zu bekommen. Nachdem eine eigene Entwicklung lange vorher gescheitert war, musste man sich mit der Leistungsfähigkeit angebotener Fluggeräte näher befassen.

Für beide Wettbewerber gilt, dass sie auf Jahrzehnte bewährten Entwürfen aufbauen, aber auch einige Defizite aufweisen. Bei der CH-47F ist es ein bewährtes, aber nicht mehr ganz taufrisches T55-Triebwerk, das der Hersteller in seinen Leistungsdaten steigern möchte. Untersucht wurde auch, ob das in der CH-53K verwendete General Electric/MTU T-408 Triebwerk für die CH-47F in Frage kommt. Integrationskosten und Zeitbedarf sind dabei gegen die erwartbaren Leistungsvorteile abzuwägen. Nachdem in beiden Hubschraubern beispielsweise die gleiche Flugzeugkanzel von Rockwell Collins eingebaut werden soll wird deutlich, dass in der Öffentlichkeit sich als bedingungslose Wettbewerber gebende Firmen hinter den Kulissen rege Kontakte pflegen. Was dort alles abläuft, dringt nicht nach außen. Rüstungsgeschäfte werden weder transparent und für die Öffentlichkeit sichtbar eingefädelt noch entsprechend abgewickelt.

Eine richtige Entscheidung im falschen

Ein Verhandlungspartner sitzt immer am kürzeren Hebel, wenn er unter Zeitdruck steht. Jeder auch nur halbwegs talentierte Verhandler nutzt das zum eigenen Vorteil. Ein öffentlicher Auftraggeber tut sich insofern immer schwer, wenn dessen Haushaltsplanung mehr oder weniger bekannt ist. Die Frage der Verfügbarkeit von Haushaltsmitteln wird so rasch zum Druckmittel. Wenn dann auch noch die täglichen Probleme mit dem miserablen Klarstand der vorhandenen Fluggeräte im Einsatz Tagesgespräch in den Medien sind ist klar was passiert: die Preise kennen nur eine Richtung. Dass das mit den Vertragsverhandlungen beauftragte Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) in Koblenz nun die Verhandlungen vorläufig platzen ließ, scheint folgerichtig, soweit das von außen überhaupt beurteilbar ist. Das letzte Wort wird das allerdings nicht gewesen sein, der Bedarf besteht weiterhin. Das können sich die beiden Anbieter unschwer zusammenreimen.

Die Bundeswehr täte jedenfalls gut daran, den Zeitdruck durch vorsichtige Ersatzteilbeschaffung für die vorhandenen Hubschrauber und eine entsprechende Materialerhaltung zu reduzieren. Die in den letzten Jahren zur Version CH-53G hochgerüsteten Luftwaffenflieger werden am Ende auch noch ein paar Jahre länger durchhalten. Kommt Zeit kommt Rat. Eine Pause würde nicht zuletzt auch den beiden Wettbewerbern helfen, um die vorhandenen Probleme bei der Triebwerksleistung (CH-47K) bzw. bei der Zuverlässigkeit des Antriebs der CH-53K zu beseitigen. Die Zuverlässigkeit fliegender Systeme ist schließlich lebenswichtig. Mit Vorgängermodellen der angebotenen Hubschrauber hat es weltweit über die Jahre diverse Unglücke mit Hunderten toter Soldaten gegeben. Bleibt zu hoffen, dass die Fachleute von Luftwaffe und Beschaffungsamt in Form einer den Namen verdienenden Erprobung mitzureden haben. (siehe: hier)

Immer wieder dieselbe Leier

Andererseits täte die Bundeswehr gut daran, Zusatzforderungen gegenüber einem mehr oder weniger Serienkauf zu überdenken und die Komplexität des Wehrmaterials nicht ständig noch höher zu treiben. Generalinspekteur Zorn scheint dies erkannt zu haben. Nach seinen Worten steht das mit immer mehr Hochtechnologie ausgestattete Militärgerät auf den Prüfstand, er wirft die Frage nach deren Sinn für künftige Großprojekte auf. „Die Bundeswehr braucht robustes Material“ sagte General Zorn. „Unsere Fahrzeuge müssen verlässlich und einsatzbereit sein. Sie müssen noch fahren, selbst wenn sie schon mal angeschossen wurden.“ Die Zweifel des ranghöchsten Soldaten der Bundeswehr nach den zahlreichen Pannen der letzten Jahre und unerfüllten Zusagen der Hersteller sind angebracht. Der Einsatz immer komplexerer elektronischer Systeme ist nicht der richtige Weg für jede Aufgabe. „Wir werden künftige Großprojekte auf ihre notwendige Ausstattung und Beschaffenheit genau unter die Lupe nehmen“, sagte Zorn. Höchste Zeit für diese Erkenntnis, der Ball liegt auch in den Reihen der Militärs. Allerdings hat es derartige Erleuchtungen schon vor Jahrzehnten gegeben. Der Lerneffekt hatte sich immer wieder rasch verflüchtigt. (siehe: hier)

Das Projekt auf den Sankt Nimmerleinstag zu verschieben, ist selbstverständlich keine Lösung. Ein leidiges Dauerproblem sind aber mal wieder – wie auch beim Ersatz des Kampfbombers Tornado – die ignoranten Verhaltensweisen der politisch Verantwortlichen, die es jahrzehntelang nicht einsehen wollen, dass auch bestens gewartete und mit neuer Ausrüstung ausgestattete Flugzeuge nicht ewig in der Luft bleiben können. Wenn die prinzipielle Entscheidung zum Ersatz zu spät fällt, gerät man in die Bredouille und sitzt unweigerlich am kurzen Hebel. So wie unsere Politik und nicht auch zuletzt das Militär mit unabdingbaren Rüstungsprojekten umgehen, ist es nicht verwunderlich, dass selbst 5.600 eingeplante Millionen Euro an Kauf- und Unterhaltskosten für zwischen 45 und 60 Hubschrauber – das wären bei 60 Hubschraubern über 93 Millionen Euro pro Flieger – offenkundig bei weitem nicht ausreichen! Der lange Jahre hinausgezögerte Ersatz der CH-53G der Bundeswehr ist erneut auch ein Lehrbeispiel für den Umgang der Politik mit der sogenannten Parlamentsarmee. Anspruch und Wirklichkeit klaffen meilenweit auseinander.


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17 Kommentare

  1. Offenbar hat die Bundeswehr lieber keine Hubschrauber als kleine Kompromisse einzugehen. Standardware ist immer die beste Lösung, weil sie schnell ersetzt werden kann und in hohem Maße verfügbar ist, wenn man bei einem Hubschrauber von Standardware sprechen kann. Ausserdem muss es immer noch größer, noch schwerer, noch schneller oder noch stärker sein, statt sich an den normalen Anforderungen zu konzentrieren. Zu meiner Zeit hat ein einfacher Stromerzeuger (Moppel) für Bundeswehr, THW und Feuerwehr das Dreifache von dem gekostet, was es auf dem freien Markt zu kaufen gab. Der Bund steht sich bei der Beschaffung selbst im Wege.

  2. …das sind leider 50 % zuviel
    …aber was soll’s: der deutsche Waehler ist eben ARD/ZDF verbloedet und Merkel -treu!
    …nun, sie werden die (eigens versalzende) Suppe dann ab Herbst 21 -tapfer-und (wieder) bis zum bitteren Ende ausloeffeln muessen

  3. Die Verantwortlichen der Bundeswehr hatten auch „Marine-Hubschrauber“ bestellt, die wegen dem Salzwasser in der Luft, an Deck und während des Fluges komplett verrosten.
    Das haben sie aber erst später erkannt als die Kisten total verrostet und kaputt waren.
    Hubschrauber unbrauchbar, Geld weg, der Steuerzahler hat es ja.

  4. Schießen mit Wattebällchen, Flecktarn im Regenbogen-Look und Befehle von Generalösen? Wir schaffen das…!

  5. Ich meine, vor einer Weile gelesen zu haben, dass die Luftwaffe ihre Helikopterpiloten mangels eigenen flugfähigen Geräts mittlerweile auf den „Gelben Engeln“ der ADAC Luftrettung Flugstunden ableisten lassen muss, damit diese überhaupt noch auf die minimal nachzuweisende Anzahl von Flugstunden kommen, um ihre Pilotenlizenz aufrecht zu erhalten.
    Ganz ehrlich, ich hatte diese Nachricht zunächst für Satire gehalten.
    Wenn derlei Kapriolen aber den Alltag unserer Landesverteidigung und Bündnisfähigkeit abbilden, dann sollte doch auch statt teurer und unwägbarer Neuanschaffungen das Leasen von entsprechendem Fluggerät z.B. bei der privatwirtschaftlichen Verkehrsfliegerei, die ja derzeit Corona-geplagt ohnehin den grössten Teil ihrer Flotten in ariden Regionen auflegen musste, eine nicht mehr so abwegige Alternative darstellen.

  6. Ist das wirklich nur ein politisches Problem?

    Ich glaube wohl eher nicht.
    Ich glaube eher, dass die Luftwaffe, (die den Heeresfliegern die CH53G-Regimenter abgeschwatzt hat, nur weil sie selbst häufiger in Militäreinsätze involviert sein wollte) durch ihre Anforderungen die Beschaffung von neuen Hubschraubern vorsätzlich sabotiert hat. Hubschrauber sind nach Ansicht der Luftwaffe nämlich keine echten Luftfahrzeuge.
    Da passen Maschinen wie die Osprey wesentlich besser ins Bild. Und unsere Luftwaffe hält sich für würdig genug, zukünftig genau dieses Modell zu fliegen.

  7. Von deutschem Boden soll nie wieder Krieg ausgehen. Ich hatte mir das billiger vorgestellt, aber wenn es denn sein muß, dann eben so. Sind wir ehrlich, Krieg kommt noch teurer.

  8. Es ist doch ganz einfach: Unter normalen Umständen wäre es überhaupt kein Problem, den fälligen Ersatz für veraltetes Streitkräfte-Material zu beschaffen, zumal in einem funktionierenden Militärbündnis wie der NATO. Aber schon da liegt der Hund begraben, Zerstrittenheit ist noch der netteste Ausdruck für das Verhältnis speziell zwischen den Partnern Deutschland und USA! Die destruktive Berliner Bündnis- und Verteidigungspolitik (vor allem von vdL, AKK und natürlich der Staatsratsvorsitzenden AM verantwortet) kann natürlich nicht zulassen, daß es ausgerechnet mit den USA unter Trump zu einem wie auch immer gearteten „Deal“ kommt. Eine ideologisch völlig verpeilte Regierung demontiert einen weiteren organischen Bestandteil unseres Staates, nämlich eine einsatzfähige Bundeswehr, einfach absichtlich, wie so vieles – und niemanden stört es!

  9. Ja, ja. Was für die kriegserprobten Armeen Großbrittaniens, der USA und mittlerweile auch der Niederlande gut und funktionsfähig ist, ist für unsere Kuschelarmee natürlich nicht gut genug. Die Treibwerke, klar. Da machen wir besser nichts oder warten mal wieder auf das top Material aus der gefürchteten Technologieachse mit dem Weltmächtchen Frankreich. Das kommt dann 15 Jahre zu spät, 4x so teuer und mit der Hälfte der gekauften Fähigkeiten. Das ist aber nicht so wichtig, weil wir einen wichtigen Beitrag gegen das Trump Amerika und für die Deutsch-Französische Freundschaft geleistet haben.

  10. Der Autor scheint Probleme beim Verständnis der Kausalkette Ursache-Wirkung zu haben.
    (aggressive russische Militärpolitik, sind wir hier bei Bild?)

  11. Wozu brauchen wir noch eine Landesverteidigung, wenn wir derweil den Feind auf unsere eigenen Kosten ins Land holen?

  12. Und ich dachte immer die CH 53 wurde durch die NH 90 ersetzt.

  13. In Merkel-Land folgt alles dem Plan. Nicht das Portemonnaie ist zu klein oder die Ansprüche sind zu hoch. Es soll nichts dabei rauskommen. Die ganze Welt bekommt deutsche Waffen, nur das eigene Land nicht. Ein Schelm, der böses dabei denkt.

  14. Was bei einem „Wunschkonzert“ der Truppe herauskommt sieht man am Schützenpanzer Puma.
    Was herauskommt wenn die Hersteller eigenständig ein Gerät entwickeln und das dann auf den Markt werfen sieht man am Schützenpanzer Lynx.
    Ich denke das lässt sich 1:1 auf den Bedarf an Hubschraubern übertragen.
    Falls das jemand liest der mit beiden Fahrzeugen nicht vertraut ist, einfach googeln oder Wickipedia befragen.

    • Es gibt kein „Wunschkonzert der Truppe“. Die Entscheidungen über Beschaffungen fallen fernab der Lebenswirklichkeit des Truppenalltags in den Teppichetagen des BMVg, also dort, wo Ministerpräsidenten der Länder und zahllose Lobbyisten zugunsten ihrer Rüstungsbetriebe antichambrieren. Die Truppe muß dann mit den „eierlegenden Wollmilchsäuen“, die auf sie losgelassen werden, zurechtkommen. Beispiele? (aus eigenem Erleben)
      – Die BO105 war als Panzerabwehrhubschrauber bestenfalls ein Notbehelf. Die gewölbte Cockpitfrontscheibe reflektierte generös die Sonne (Richtung „Feind“) und längeren stationären Schwebeflug in der Feuerstellung mit Rückenwind quittierten die Triebwerke mit Überhitzung. Die Testpiloten erkannten dies auch, wurden aber übergangen.
      – Rüstsatzeinbauten im VW-Bus (Funk- oder Führungsfahrzeuge, mit grauer Pappe als Tür- und Seitenverkleidung innen) boten der Besatzung eine Kniefreiheit, die man allenfalls für 6jährige Schulmädchen akzeptieren konnte. Um als Sahnehäubchen längeres Sitzen so unbequem wie möglich zu machen, wurden zudem die Rückenlehnen exakt gegen die Anatomie eines Homo Sapiens gestaltet. Und daß diese Vehikel, deren Geländegängigkeit schon bei taufeuchten Flurbereinigungswegen auf eine harte Probe gestellt wurde, in Einheiten Dienst taten, die im „V-Fall“ fernab fester Straßen in Verfügungsräume verlegen sollten, versteht wohl nur ein „Beschaffer“. VW hat´s gefreut.
      – Mit der Eurocopter EC-135 wurde ein hochmoderner Schulungshubschrauber beschafft, der alle Anforderungen an moderne Navigation und Instrumentenfliegerei (RNAV) erfüllte, aber keine im Schulungsbetrieb erforderlichen Serien von Autorotationen durchführen konnte, da dies zu erheblichen Schäden im Rotorkopf (IIRC) führte. Flugschüler mußten daher für diese Ausbildungsabschnitte auf die BO-105 ausweichen.
      – Bei der CH-53 standen bereits vor 20 Jahren Wartungs- und Flugstunden in keinem vertretbaren Verhältnis zueinander. Und als „Stabsschranzen“ der Zelle Flugeinsatz im KFOR-Land haben wir niemals die beiden verfügbaren CH-53 aus Toplicane gleichzeitig verplant, denn man konnte sein gesamtes AVZ darauf verwetten, daß spätestens am Vorabend um 20:00 die Technik anrief, um uns mitzuteilen, daß einer der beiden bei der Nachflugkontrolle „gekreuzigt“ (rotes Kreuz im Bordbuch) wurde und instandgesetzt werden müsse.
      – Die aus der Vietnam Ära stammende UH-1D hatte seit jeher ein Problem mit Überschreitung des zulässigen Drehmoments („Overtorque“) bei unachtsamer Leistungszufuhr und hätte bereits in den 80er Jahren gegen einen moderneren Hubschrauber ausgetauscht werden müssen. Das, oh Wunder, unterblieb jedoch, was im IFOR/SFOR/KFOR-Einsatz aufgrund des zusätzlich eingebauten „ballistischen Schutzes“ zu einer sehr begrenzten Zuladung von 2-4 Passagieren führte. Dies wurde bei den Vorführungen für die zahlreichen Gefechtsfeldtouristen aus BMVg und Bundestag damit kaschiert, daß die anzulandende Truppe bereits an einer nicht einsehbaren Stelle vor Ort wartete und die „Luftlandung“ mit leeren Hubschraubern simuliert wurde. In einem „angedachten“ ISAF Einsatz in Aghanistan hätte der Oldimer nur als „static display“ dienen können. Aber Fähigkeiten vorzutäuschen, die man nicht besitzt, hat bei der Bundeswehr seit langem Tradition.
      – Die Scheitellafette der 20mm Mk des SPz Marder (Notlösung wegen mickriger Frontpanzerung) führte bereits Mitte der 70er Jahre dazu, daß die Drehkränze der Türme durch einseitige Belastung ausgeschlagen waren und Feuerstöße (selbst nach „Einschießen“ im Einzelfeuer) auf Kampfentfernung weit am Ziel vorbeistreuten. Immerhin war der Marder geländegängiger als sein Vorgänger, der berüchtigte Hispano Suiza HS30.
      – Alle „handelsüblichen“ Olivfahrzeuge zu Zeiten des kalten Krieges wurden grundsätzlich in der schwächsten angebotenen Motorisierung beschafft. Der Unimog (alt mit Stoffverdeck) beispielsweise verhungerte bei Motmärschen regelmäßig an den Steigungen und auch der sehr viel später beschaffte „Wolf“ der Stuttgarter Edelschmiede mit dem Stern konnte am Berg nur dank des Untersetzungsgangs anfahren, wenn mehr als ein schmalbrüstiger Fahrer an Bord waren.
      – etc.

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