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Universalrezept: mehr grüne Sozialarbeiter

Monika Herrmann hat die Unordnung für sich entdeckt

03.09.2020

| Lesedauer: 4 Minuten
Kurz vor Schluss und nach sieben Jahren an der Spitze des Berliner Bezirks Friedrichshain- Kreuzberg, ist Monika Herrmann (Bündnis 90/Die Grünen) noch etwas eingefallen. In ihrem Bezirk hat sie neuerdings zwei Probleme bemerkt: Verwahrlosung und Vermüllung. Warum brauchte sie so lange?

An allem ist Corona schuld. In den vergangenen Monaten gab es laut Herrmann »eine zunehmende Beschwerdelage« wegen Mülls und Verwahrlosung im Berliner Party-Bezirk. Dieser Bocksgesang schwoll offenbar so stark an, dass man ihn nicht mehr überhören konnte. Außerdem gab es ja – auch coronapolitikfolgenbedingt – weniger ausländische Partygäste. So schloss Herrmann messerscharf, dass diese neue Vermüllung und Verwahrlosung von den ständigen Bewohnern des Bezirks herrühren musste – oder zumindest von manchen von ihnen, die schnell in den neuen Party-People ausgemacht sind. Die Feten, die mangels offener Clubs in der Kreuzköllner Hasenheide gefeiert werden, sind inzwischen schon legendär unter den noch etwas jung Gebliebenen. Kaum einer war da, aber man hat gehört, dass es dort abgehen soll.

[inner_post 1] Bei Herrmann klingt indes eine leichte Ausländerkritik an, sie spricht von »europäischen Touristen«, die sonst »durch den Bezirk mäandern« und jetzt nicht da sind. Will sie einen nationalen Flügel bei den Hauptstadtgrünen aufbauen, nach dem Vorbild von Lafontaine und Wagenknecht? Oder wären ihr vielleicht Nicht-Europäer lieber? Doch das Problem ist irgendwie das gleiche, egal ob es nun mäandernde Europäer, schwankende Berliner oder euphratisierende Zuwanderer sind, die Müll und Verwahrlosung zu verantworten haben. Immer bleibt es ein Thema, das ein Bezirk und eine Stadt bewältigen muss.

Worauf also hat Herrmann so lange gewartet? Hat wirklich erst die Coronapolitikfolgenkrise ihre Wahrnehmung geschärft? Oder liegt es daran, dass sie inzwischen nach Höherem strebt? Angeblich fühlt sie sich von der Berliner Verkehrspolitik herausgefordert, so sehr, dass sie über einen Wechsel in die Berliner Landespolitik nachdenkt. Die Grünen meinen, mit Frau Herrmann in der Landesverkehrspolitik würde das »doch gut passen«. Ja, etwa so gut, wie ein Poller in eine Stoßstange passt …

Nun wissen wir schon, wie grüne Großstadt-Verkehrspolitik aussieht. Verbauen, verbauen, verbauen: Das ist spätestens seit Florian Schmidt (auch Grüne) das inoffizielle Motto, mit dem Anti-Auto-Straßenpoller und Gittern als Maskottchen. Freilich ist Herrmanns Entscheidung noch nicht sicher: »Ich schwanke zwischen kompletter Ruhe und anders Politik machen.« Von hier aus eine Stimme für eine möglichst vollständige Beruhigung dieser Frau. Das Frauenzentrum Begine in Schöneberg könnte vielleicht noch eine neu-alte Chefin mit etwas mehr Erfahrung gebrauchen.

Der Görli ist nicht mehr Herrmanns Kifferpark

In ihrem Büro hat die rasende Bezirksoberste nun eine Karte angefertigt, auf der allerlei Punkte in verschiedenen Farben für diverse Möglichkeiten der Vernachlässigung und Verschmutzung stehen: durch Partymacher, Drogenkonsum oder auch Obdachlose, neudeutsch »Homeless People«. Das ist offenbar das bunte Berlin. Vor allem vom Görlitzer Park und seiner Entwicklung gibt sich Herrmann entsetzt: Das ist »nicht mehr der Kifferpark«, den sie einst kannte und schätzte (zumindest solange sie nicht bei Nacht hinein musste). Harte Drogen, sogar Heroin würden dort heute vertickt.

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Die Grüne will offenbar die Notbremse ziehen, dabei hatte sie einst doch schon das Verkaufspersonal durch ihre Pro-Asyl-Haltung mitorganisiert. Nun beklagt sie unmögliche Bedingungen für ihre Sozialarbeiter. Die Zahl der Drogendealer sei zwar zuletzt nicht mehr gewachsen, deren Gewaltbereitschaft aber sehr wohl. Ähnlich wie konservative Politiker fordert Herrmann nun eine gesamtberliner Strategie gegen das hauptstädtische Drogenproblem. Man brauche eine Stadtkarte mit allen Orten, an denen gedealt wird: »Berlin hat keinen Überblick darüber.« Auf die Feststellung der Hotspots soll dann – geht es nach Herrmann – die Bereitstellung von Sozialarbeitern und Therapieplätzen folgen. Therapie direkt vor Ort? Das nennt sich wohl Optimismus.

[inner_post 2] die Vermüllung: Als Gesamtkosten sieht Herrmann für dieses Jahr 900.000 Euro voraus, das wäre dann die Hälfte des bezirklichen Grünflächenetats (zum Vergleich: 2016 lagen die Kosten bei nur 447.000 Euro, und der Bezirk sah auch nicht viel schlimmer aus als heute). Herrmann wünscht sich nun eine generelle Übergabe der Parkreinigung in Landeshand. Genau: Kosten, die einem zuviel sind, müssen immer konsequent auf die nächsthöhere Ebene geschoben werden. Von Subsidiarität hat diese Großstadtpflanze leider nicht viel gehört oder verstanden.

Zudem findet sie eine wunderbar schnoddrige Formulierung für ihre Berliner: »Ich erwarte von den Leuten, dass sie ihren Dreck wieder mitnehmen.« Da ist sie wieder, die große Schnauze. Aber dahinter findet sich kaum ein geniales Organisationstalent, das die Leute vielleicht sogar auf intelligente Weise dazu brächte, »ihren Dreck« mitzunehmen. Die Hinterbank, auf der sich Herrmann dann als Wadenbeißerin der eigenen Parteiführung betätigen kann, scheint insofern genau das Richtige für sie.

Berlin muss schöner werden – und sicherer

Erst mal stellt sie aber als Bezirkschefin Forderungen an den Senat. Nur gut, dass dort Freunde von ihr regieren. Alle ihre Bitten müssten ihr also schleunigst erfüllt werden. Zum Beispiel: »Wir brauchen Präsenz und Streifen auf der Straße.« Herrmann will sogar die Rückkehr der Streifenpolizisten auf Kreuzberger Straßen: »Ich möchte ein, zwei Polizisten, die jeweils regelmäßig unterwegs sind.« Ist das die Rückkehr des Alt-Berliner Schutzmanns?

[inner_post 3] Diskutiert wurde sogar »die permanente Präsenz von Funkwagen an bestimmten Hotspots«, so die Sprecherin der Bezirksbürgermeisterin. Aber auch bei solchen aus Sicht von Großstadt-Autonomen grenzwertigen Aussagen kann die grüne Volte nicht allzu fern sein, und so fügt die Sprecherin an: Niemand im Bezirk wolle, dass »nun permanent die Polizei durch die Straßen patrouillieren soll«.

Also in ihren Funkwagen dürfen die Beamten herumstehen, aber nicht im Kiez spazieren gehen und ein bisschen nach dem Rechten sehen? Die Grünen haben offenbar immer noch Probleme mit einer konsistenten Beschreibung nicht nur der Realität, sondern auch ihrer Konzepte für dieselbe.

Tatsächlich betrifft die Vermüllung keineswegs nur den früher ach so harmlosen Kifferbezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Auch in westlicher gelegenen und eher bürgerlichen Stadtvierteln ist ein Trend zum Zumüllen der Öffentlichkeit festzustellen. Die städtischen oder bezirklichen Mittel dagegen – also Putzkolonnen und derlei – scheinen knapp zu sein, kommen häufig nicht mal mit der Leerung der Mülleimer nach. Im zentral zwischen Kreuzberg und Schöneberg gelegenen Gleisdreieckpark sind die Reinigungskosten in der Coronakrise angeblich um einen sechsstelligen Betrag gestiegen.

Ich empfehle der Hauptstadt jedenfalls die Teilnahme bei »Unser Dorf soll schöner werden«. Ein wenig Ordnung und Sauberkeit täten Berlin gut. Das würde sicher auch die öffentliche Moral erhöhen, vielleicht sogar das Wirtschaftswachstum. Vielleicht könnte auch dieses Argument langsam einmal in den Köpfen ankommen, ob sie nun links/grün benebelt sind oder nicht.

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