<
>
Gesellschaft für deutsche Sprache

Das Wort des Jahres 2024: „Ampel-Aus“

09.12.2024

| Lesedauer: 2 Minuten
Von „Ampel-Aus“ bis „Deckelwahnsinn“ – die zehn Wörter des Jahres 2024. „Ampel-Aus“ und „kriegstüchtig“ sind in der Tat „Wörter des Jahres 2024"; der Rest der Zehnerliste ist ziemlich beliebig und sagt mehr über die politischen Vorlieben der zehn Jury-Mitglieder aus als über die Sprachwirklichkeit.

Alle Jahre wieder (seit 1977) kürt im Dezember die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) das Wort, genauer: die zehn Wörter, die den öffentlichen Sprachgebrauch im zu Ende gehenden Jahr prägten. Für 2024 fiel die Wahl auf „Ampel-Aus“, gefolgt von „Klimaschönfärberei“ und „kriegstüchtig“. Die GfdS ist eine – hauptsächlich von den Bundesländern finanzierte – Institution der Sprachpflege mit Sitz in Wiesbaden.

Das Neuwort „Ampel-Aus“ drückt sprachlich kurz und bündig das Ende der Berliner Ampel-Koalition aus – einer Beziehung, die (wie bei einem „Ehe-Aus“) plötzlich auf Null fiel. Die Wahl dieses Wortes ist wegen seiner sprachlichen Originalität und politischen Bedeutung gut begründet.

Weniger überzeugend wirkt (mit einer Ausnahme) die Wahl der übrigen neun „Wörter des Jahres 2024“, konkret:

2) Klimaschönfärberei
3) kriegstüchtig
4) Rechtsdrift
5) Generative Wendung
6) SBGG
7) Life-Work-Balance
8) Messerverbot
9) angstsparen
10) Deckelwahnsinn

Die „Klimaschönfärberei“ passt besser zu den „Unwörtern“ des Jahres, die im Januar 2025 von einer (politisch sehr korrekten) privaten Jury verkündet werden. Der Ausdruck „Generative Wendung“ (in KI-Systemen), die Abkürzung SBGG (Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag) und „Life-Work-Balance“ (statt Work-Life-Balance) sind zu technisch für eine sprachliche Breitenwirkung. Auch der „Deckelwahnsinn“ (laut einer neuen EU-Richtlinie sollen sich von Plastikflaschen die Deckel nicht mehr lösen lassen) wird vielen Deutschsprechern wenig sagen.

Bleiben die Wörter des Jahres „kriegstüchtig, Rechtsdrift, Messerverbot, angstsparen“. Alle vier sind keine Neuwörter, sondern schon bekannte Wörter, die 2024 öffentlich reaktiviert wurden. Am auffälligsten war dies beim Adjektiv „kriegstüchtig“: Das Wort (und dessen Ableitung „Kriegstüchtigkeit“) ist seit Anfang des 19. Jahrhunderts im militärischen Sprachgebrauch üblich, wurde aber in Deutschland nach 1945 gemieden – bis zum 10. November 2023, als Verteidigungsminister Pistorius auf einer Bundeswehrtagung erklärte: „Wir müssen kriegstüchtig werden.“

Hier klicken, um den Inhalt von www.tichyseinblick.de anzuzeigen

Im Unterschied zu „kriegstüchtig“, dessen neuer Gebrauch einen Überraschungseffekt auslöste, wurden „Rechtsdrift“, „Messerverbot“ und „angstsparen“ öffentlich eher als alte Bekannte angesehen. Eine „Rechtsdrift des gesamten politischen Spektrums in den vergangenen drei Jahren“ bemerkte die Süddeutsche Zeitung (1.3.2003) schon in der Regierungszeit des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder, und die Bild-Zeitung (18.2.2005) fragte vor fast zwanzig Jahren: „Könnte ein Messerverbot rund um den [Berliner] Kiez für ein gesteigertes Sicherheitsgefühl sorgen?“ Auch das Angstsparen kehrt in Wirtschaftskrisen immer wieder: In der Krise 1982 (die am 1. Oktober zum Sturz Helmut Schmidts und der Wahl Helmut Kohls als Bundeskanzler führte) forderte der FDP-Wirtschaftsminister Graf Lambsdorff vor dem Bundestag (11.11.1982): „Mut zum Konsum, nicht Angstsparen!“

Fazit: „Ampel-Aus“ und „kriegstüchtig“ sind in der Tat „Wörter des Jahres 2024″; der Rest der Zehnerliste ist ziemlich beliebig und sagt mehr über die politischen Vorlieben der zehn Jury-Mitglieder aus als über die Sprachwirklichkeit.

[advertisement-block provider=“Heft“ location=“posts“]

Unterstützen Sie unabhängigen Journalismus

Ihre Unterstützung hilft uns, weiterhin kritisch zu berichten.

Einmalig unterstützen

Monatlich unterstützen

Jährlich unterstützen

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken