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Urteil des Bundesarbeitsgerichts

Wenn der Mindestlohn häusliche Pflege unerschwinglich macht

04.07.2021

| Lesedauer: 2 Minuten
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum Mindestlohn für entsendete Pflegekräfte ist der Prototyp eines Markteingriffs, der für alle Beteiligten Nachteile bringt. Nur die Gewerkschaften können sich rühmen, eine theoretische Ungerechtigkeit zu beseitigen.

Das Bundesarbeitsgericht hat ein Urteil gefällt, dass den Lebensabend eines großen Teils der Deutschen und die Arbeitswirklichkeit vieler Bürgerinnen Polens und anderer mittelosteuropäischer Länder maßgeblich verändern könnte. Laut Urteil  (5 AZR 505/20) vom 24. Juni haben nach Deutschland in einen Privathaushalt entsandte ausländische Betreuungskräfte Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für geleistete Arbeitsstunden. Und, so der entscheidende Teil des Urteils: Dazu gehöre auch Bereitschaftsdienst.

Ein solcher könne darin bestehen, dass die Betreuungskraft im Haushalt der zu betreuenden Person wohnen muss und grundsätzlich verpflichtet ist, zu allen Tag- und Nachtstunden bei Bedarf Arbeit zu leisten. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine bulgarische Staatsangehörige war seit April 2015 bei einem Unternehmen mit Sitz in Bulgarien als Sozialassistentin beschäftigt. In dem in bulgarischer Sprache abgefassten Arbeitsvertrag ist eine Arbeitszeit von 30 Stunden wöchentlich vereinbart, wobei Samstag und Sonntag arbeitsfrei sein sollten.. 

[inner_post 1] Der Deutsche Gewerkschaftsbund ist hocherfreut und spricht von „Ausbeutung“. Aber haben die betroffenen Pflegerinnen wirklich Grund zur Freude? Die konkrete Klägerin selbst vielleicht schon, denn sie wird womöglich eine große Summe von ihren Auftraggebern nachfordern können. Aber werden sie und all ihre Kolleginnen aus meist osteuropäischen Ländern, die künftig nach Auftraggebern in Deutschland suchen, dann noch welche finden, die in der Lage sind, den gesetzmäßig zustehenden Lohn für eine häusliche Rund-um-die-Uhr-Pflege zu zahlen? Wohl kaum sehr viele. 

Denn das Urteil bedeutet, dass eine solche Betreuung zu Hause auf legalem Wege künftig nicht für ca. 1.500 bis 2.000 Euro pro Monat zu haben ist, sondern nach aktuell gültigem Mindestlohn von 9,60 Euro bei vollständiger Mindestlohnvergütung etwa 8.400, inklusive Arbeitgeberanteil am Sozialbeitrag nach deutschem Sozialversicherungsrecht also rund 10.000 Euro kosten muss. 

Die Pflegebedürftigen und ihre überlasteten Angehörigen, also die Arbeitgeber, werden gezwungen sein, auf inoffizielle Kanäle auszuweichen – wenn sie das nicht ohnehin schon längst tun. Sie werden den Pflegerinnen künftig vielleicht ein paar Euros mehr zahlen als zuvor, dafür aber „schwarz“, also ohne Steuern und Abgaben, und somit keinerlei Rechtssicherheit haben, ebensowenig wie die Pflegerinnen selbst natürlich auch. Am meisten profitieren werden wohl die dann ebenfalls vermehrt illegal agierenden Vermittler solcher Dienstleistungen.

Das Urteil dürfte ein typisches Beispiel dafür sein, wie Eingriffe in den Markt, in diesem Fall der Mindestlohn, allen Beteiligten schaden können:

Die Angehörigen können die Pflege daheim nicht mehr bezahlen und müssen die Alten ins Pflegeheim abschieben. Die Pflegeheime werden noch mehr überlastet als ohnehin schon und die Versorgung dort noch schlechter. Die meist osteuropäischen Privat-Pflegekräfte verlieren ihren (legalen) Job. Nur die Gewerkschaften freuen sich, weil sie die Welt angeblich ein Stück gerechter gemacht haben.

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