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Orwell für Journalisten

Was die Bundeszentrale für politische Bildung aus der „Farm der Tiere“ macht

14.08.2020

| Lesedauer: 2 Minuten
Die Bundeszentrale für politische Bildung empfiehlt Lokaljournalisten, Orwells "Farm der Tiere" zu thematisieren. Was sie dazu schreiben sollen, ist aufschlussreich.

Die Bundesregierung meint es in jüngster Zeit ganz besonders gut mit Journalisten. Die haben vom deutschen Staat nicht nur zunehmend finanzielle Hilfen in Aussicht, sondern auch ganz unmittelbare Hilfe bei der alltäglichen Arbeit. Wenn Journalisten mit Themenfindungsschwierigkeiten absolut nichts Berichtenswertes in den Sinn kommt, hilft ihnen „Drehscheibe“, ein Dienst der Bundeszentrale für politische Bildung alltäglich mit Themenideen. 

Wer sich nicht vorstellen kann, dass es so einen staatlichen Journalistenhilfsdienst wirklich gibt, sehe es sich an: https://www.drehscheibe.org. Hoffnung auf die Zukunft des Journalismus macht immerhin die Nichtexistenz von Reaktionen bei Twitter. Aber der bpb kann das wurscht sein. Sie wird ja aus Steuern finanziert.

Einen Eindruck davon, was sich die politischen Bildner unter Journalismus vorstellen, vermittelt ein aktueller Themenvorschlag zum 17. August. „Veröffentlichung von Animal Farm, 75 Jahre. Tipp: Besuch eines selbstverwalteten Bauernhofs: Steht „Farm der Tiere“ im Bücherregal? Welche Tiere sind besonders aufsässig?“

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Ist das einfach nur Unbildung, was ausgerechnet die Bundeszentrale für politische Bildung hier demonstriert? Oder ist es eine bewusste Verharmlosung und Entpolitisierung eines der wichtigsten politischen Bücher des 20. Jahrhunderts? 

Aus George Orwells Fabel über die grausigen Abwege des Kommunismus wird also ein Anlass zum Bauernhofbesuch gemacht. Statt die antitotalitäre Botschaft des Buches vorzustellen, die eine eindringliche Warnung vor revolutionärer Ideologie ist, sollen Journalisten und Bürger über „aufsässige“ Tiere tratschen.  „Aufsässig“ im Sinne der Bundeszentrale sind vermutlich jene Tiere, die sich den stalinistischen Schweinen widersetzen. Überhaupt: Welcher Bauernhof ist eigentlich nicht „selbstverwaltet“? Gibt es schon Staatsbauernhöfe, oder LPGs wie in der DDR und nur noch wenige „freie“ Bauern? Es ist bemerkenswert, wie ein Klassiker der politischen Literatur auf das Niveau eines grünen Kinderbuchs reduziert wurde – daseist auch, welche niedrige Meinung die Bundeszentrale von ihren Bürgern hat.

Wer das Büchlein nicht nur „im Bücherregel“ stehen, sondern auch gelesen hat, könnte sich beim Vorschlag der „Drehscheibe“ fast ein wenig an eine der Figuren der Fabel erinnern. Nämlich an das Schwein „Schwatzwutz“. 

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