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Expertenrat der Bundesregierung

„Vertrauliche“ Modellrechnungen: Wie die Regierenden das Vertrauen der Bürger verspielen

21.12.2021

| Lesedauer: 2 Minuten
Der Corona-Expertenrat der Bundesregierung empfiehlt der Politik "stringentes Erklären", will aber selbst Modellrechnungen nicht öffentlich machen. Die Bundesregierung nennt sie "vertraulich" – und verspielt damit weiter das Vertrauen der Bürger.

Der neue Expertenrat der Bundesregierung in der Coronapolitik hatte am Sonntag seine Empfehlungen, die Bundeskanzler Olaf Scholz und die Länderchefs heute beraten und wohl auch zumindest zum großen Teil beschließen werden, mit „nationalen und internationalen Modellierungen der Infektionsdynamik“ begründet – die aber nicht bekannt werden sollen. Auf eine Anfrage der Stuttgarter Zeitung hieß es von einem Regierungssprecher: „Die Beratungen des Expertengremiums der Bundesregierung zu Covid-19 sind vertraulich. Die Vertraulichkeit umfasst auch die den Beratungen zugrunde liegenden Unterlagen“. Das ist ein erstaunlicher Vorgang, um es milde auszudrücken. Es ist empörend. 

Fast schon verhöhnt kann sich der Bürger dann vorkommen, wenn ausgerechnet diese sich selbst nicht erklärenden Berater „Stringentes Erklären“ empfehlen und von „nachvollziehbaren Erklärungen der neuen Risikosituation und der daraus folgenden Maßnahmen“ schreiben.

[inner_post 1] Transparenz gehört zu den großen Versprechen politischer Entscheidungsträger in gegenwärtigen demokratischen Gemeinwesen. Im Koalitionsvertrag ist zum Beispiel von einem Staat die Rede, der „mehr Transparenz und Teilhabe in seinen Entscheidungen bietet“. Dass das nicht immer und nicht absolut einzuhalten ist, liegt auf der Hand. Zum Beispiel wenn die Preisgabe von Informationen den Feinden der freiheitlich demokratischen Ordnung in die Hände spielen könnte. Aber was kann schon der Grund dafür sein, eine Modellrechnung nicht öffentlich zu machen, die den Regierenden als Entscheidungsgrundlage für politische Maßnahmen dient, die alle Bürger betreffen und zwar in ihren Grundrechten? Vor wem muss da etwas verborgen bleiben? 

In der konkreten Corona-Politik kommt hinzu, dass diese Politik stets als wissenschaftlich begründet dargestellt wurde. Offenheit und Kommunikation aller Grundlagen sind für wissenschaftliche Erörterungen aber grundlegend. Wer Wissen nicht teilt, handelt jedenfalls nicht wissenschaftskonform. 

Die gesamte Corona-Politik, übrigens längst nicht nur die deutsche, verliert in zunehmendem Maße das Vertrauen immer weiterer Teile der Bevölkerung, wie die wachsende Demonstrationsbewegung beweist. Und die Regierenden scheinen sich geradezu Mühe zu geben, dass diese Erosion voranschreitet. Nicht nur dadurch, dass sie vor den Wahlen die Impfpflicht ablehnten und dann wenige Tage nach Regierungsantritt von kaum noch etwas anderem sprechen. In der FDP hat das jetzt immerhin eine Art parteiinterne Opposition auf den Plan gerufen – inklusive einer Initiative für einen Mitgliederentscheid gegen die Impfpflicht. 

Viel ist in jüngerer Zeit von Verschwörungstheorien die Rede. Mit Verurteilungen sind Regierungspolitiker und ihnen nahe stehende Journalisten schnell bei der Hand. Aber eine Regierung, die die Argumente für ihre grundrechtseinschränkenden Entscheidungen geheim hält, und noch nicht einmal erklärt, warum das so sein muss, befördert natürlich selbst den Verdacht, dass da irgendwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Die Bürger haben nicht die Pflicht, den von ihnen gewählten Mandatsträgern blind zu vertrauen. Aber die Regierenden haben die Pflicht, vertrauenswürdig zu regieren. 

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