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Herles fällt auf

Versagen oder Zerbrechen: Die SPD reißt die Koalition in den Abgrund

05.07.2025

| Lesedauer: 3 Minuten
Die SPD taumelt, der Kanzler duckt sich weg, und die CDU hilft dabei, den Niedergang als „Stabilität“ zu verkaufen. Während Klingbeil seine Partei in den Abgrund führt und Pistorius als Blendgranate strahlt, wird die Brandmauer gegen rechts zur letzten Fassade einer vergreisten Macht, die sich selbst zerlegt.

Nach dem SPD-Parteitag ist der Kanzler in Sorge, kaum im Amt, könnte ihm der Koalitionspartner abhanden kommen. Die Angst ist berechtigt.

I.

Die wichtigste Figur, Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil, ist als Parteivorsitzender schwer angeschlagen. Sein Wahlergebnis beim jüngsten Parteitag (64,9 %) ist eine Schmach und die wohlverdiente Quittung auch dafür, dass der rhetorisch klobige Apparatschik, der die historische Niederlage der SPD bei den Bundestagswahlen zu verantworten hat, die Schwäche der eigenen Partei dazu nutzte, sich selbst quasi zu ihrem Alleinherrscher aufzuschwingen. Von Aufarbeitung der Niederlage keine Spur. Nun ist der Mann gerupft, der eigentlich den Linksrutsch der SPD stoppen sollte. Sein Autoritätsverlust verheisst nichts Gutes: Die Umfragewerte fallen weiter. Ein Treppenwitz ist, dass Klingbeil zwar seine linke Ko-Vorsitzende Saskia Esken abblitzen ließ, er sich dafür aber als neue Ko-Vorsitzende Bärbel Blas einhandelte, die zwar nicht weniger links als Esken ist, aber ungleich beliebter als er selbst. Sie ist nun Bremsklotz bei der unausweichlichen Reform des Sozialstaats. Daran wird die Regierung entweder zerbrechen – oder versagen. Es ist die einzige realistische Alternative.

II.

Die größte Blendgranate der SPD ist übrigens Boris Pistorius. Was hat der Mann für einen Ruf! Pragmatisch, praktisch, gut. Der beliebteste Politiker, immer noch. Hat das, was Glück im Unglück genannt werden kann. Ohne den Kontrast nach einer verheerende Serie von Verteidigungsministerinnen aus beiden Regierungsparteien, würde das kantige Kinn des habituellen Nassrasierers nicht weiter auffallen. Ohne den Ukrainekrieg und ohne die von Trump erzwungene Wiederbewaffnung der Bundeswehr würde auch Pistorius nur vor sich selbst stramm stehen können. Die Bilanz seines Kommandos fällt bisher dennoch höchst bescheiden aus. Nur im Schönreden der Lage zeigt dieser Verteidigungsminister Klasse. Gerade hat er den Heeresinspekteur Alfons Mais in den Ruhestand versetzt, einem, der ganz wenigen Generäle, die nicht als gehorsame Konformisten aufstiegen. Als unbequem galt er, weil er die Bundeswehr zu Beginn des Ukrainekriegs als „mehr oder weniger blank“ bezeichnete – woran sich trotz der Milliarden bisher nichts geändert hat, da kann Pistorius sein Ministerium umorganisieren so oft er mag. Er zieht bei Beförderungen gefügige Parteisoldaten vor. Nichts Neues im Westen. Die Beschaffungsbürokratie ist nach wie vor ein Albtraum. Die Personalnot wird bleiben – und der Mangel an Verteidigungsbereitschaft auch. Dennoch steht dieser Verteidigungsminister quasi unter Naturschutz. Und zwar als Galionsfigur einer SPD der Mitte. Der Mann ist ein Täuschungsmanöver auf zwei Beinen. Die linken Pazifisten um den früheren Fraktionschef Mützenich bestimmen nach wie vor den Kurs der SPD mit.

III.

Wie reagiert der Kanzler auf den Niedergang des Koalitionspartners? Er vermeidet den notwendigen Konflikt mit Klingbeil, etwa in der Frage der versprochenen Stromsteuersenkung für alle. Auf einen Wortbruch mehr oder weniger kommt es ihm nicht an, wenn es nur dem Zusammenhalt der Koalition dient. Ausgerechnet an einem Schlüsselgesetz des grünen Klimairrsinns hält Merz fest – weil die SPD es verlangt. Das stundenlange Koalitionsgespräch in dieser Woche hat daran nichts geändert. Die SPD rutscht ab in die Bedeutungslosigkeit beim Wähler, nicht aber beim Kanzler. Denn ohne Mehrheit müsste Merz die Grünen in eine Dreierkoalition aufnehmen. Das wäre dann das endgültige Aus der Illusion einer bürgerlichen Mitte. Deshalb hat der Vorsitzende der CDU Merz verkündet, dass er als Ziel seiner Politik versteht, die SPD wieder zu einer Zwanzig-Prozent-Partei zu machen. Das bedeutet nichts anderes, als ihr weit mehr politisches Gewicht zuzugestehen, als es einer 16-Prozent-Partei entsprechen würde.

IV.

Nach dieser Methode behandelt der Kanzler auch die Opposition. Die Zehn-Prozent-Partei am linken Rand erfährt weit größeres Entgegenkommen und mehr Respekt als die Fünfundzwanzig-Prozent-Partei am rechten Rand. Weil sie für Zweidrittel-Abstimmungen gebraucht wird, ebenso wie die Grünen. Dieser Tatsache wird dann gern auch mal die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts geopfert und eine ideologisch motivierte Richterkandidatin ins Amt befördert. Das nennt sich dann Konsens der Demokraten, obwohl die Linke für eine mindestens so radikale Gesellschaftsveränderung steht wie die AfD. Doch lieber würde Merz untergehen als die Brandmauer zu schleifen. Das gegen die Wahlergebnisse gefühlte Übergewicht des linken Lagers (es reicht von der SED-Nachfolgepartei bis zur SPD) aber bewirkt nur eines: Es stärkt die AfD.


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