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METZGERS ORDNUNGSRUF 37-2020

Ver.di und die Unaufrichtigkeit bei den Lohnforderungen im Öffentlichen Dienst

23.09.2020

| Lesedauer: 3 Minuten
Die Gewerkschaft Ver.di bemüht im Tarifkonflikt des öffentlichen Dienstes die Corona-Moral der Pflege- und Erziehungsberufe. Zugleich bestreikt sie aber Kitas und Krankenhäuser. 

Vor dem Klinikum in Gütersloh zogen am Dienstagmorgen warnstreikende Ver.di-Mitglieder auf. Auch in einigen anderen nordrhein-westfälischen Städten kam es zu Warnstreiks. In Rheinland-Pfalz und Niedersachsen kündigte die „Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft“ Ausstände an, aber auch im baden-württembergischen Freiburg sollen sich Mitarbeiter der Stadtverwaltung und von Kindergärten an Warnstreiks beteiligen. Schamlos drückt die Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes auf die moralische Tränendrüse. In Gütersloh bemühte der lokale Ver.di-Funktionär das beliebte Motto: „Klatschen reicht nicht – wir wollen anständig bezahlt werden.“

Unbestritten ist, dass auf manchen Intensivstationen auch in Deutschland auf dem Höhepunkt der Frühjahrswelle der Pandemie Schwerstarbeit verrichtet werden musste. Unbestritten ist aber auch, dass in deutschen Kliniken insgesamt die Auslastung über Monate massiv sank, weil Betten für den Katastrophenfall Pandemie vorgehalten und unzählige Behandlungen aufgeschoben wurden. Außerdem scheuten Hunderttausende von Patienten den Gang zum Arzt oder auch in die Klinik. Nicht ohne Grund überwies der Bundesfinanzminister Milliardenbeträge an die Krankenkassen, damit diese den Kliniken die massiven Einnahmenverluste durch Unterauslastung ersetzen können.

[inner_post 1] So gar nicht zur Ver.di-Mär von der Corona-Überlastung der Pflegeberufe passt die Tatsache, dass in vielen Kliniken in diesen Corona-Monaten die Arbeitszeitkonten leergeräumt wurden, weil Überstunden abgebaut werden konnten. Auch das Narrativ von den unterbezahlten Pflegeberufen lässt sich nicht unbedingt aufrecht erhalten, wenn man die Tariflöhne samt Zulagen im Vergleich mit einer Reihe anderer Berufe in- und außerhalb des öffentlichen Dienstes betrachtet. Ähnliches gilt übrigens auch für qualifizierte Erzieherinnen und Erzieher in Kindertagesstätten. Umso unverständlicher ist es, dass Ver.di Warnstreiks auch in Kitas plant, die monatelang zum Leidwesen der Eltern geschlossen waren oder nur einen Notdienst aufrecht erhielten. Wenn die Gewerkschaft jetzt in einem Arbeitskampf die Kita-Türen verschließt, dann darf sie bei den arbeitenden Eltern kaum auf Sympathie zählen.

Überhaupt: Der öffentliche Dienst und die Corona-Pandemie. Alle Insider, die man fragt, berichten von einer massiv gesunkenen Produktivität der öffentlichen Verwaltungen, auch wenn diese ohnehin nur schwer zu ermitteln ist. In Berlin fluchen die Autohäuser über den Zulassungsstau, der durch die reduzierten Öffnungszeiten der Kfz-Zulassungsstellen ausgelöst wird. Baugesuche bleiben noch länger also ohnehin in der Bearbeitungsschlange liegen. Personalchefs beklagen deutschlandweit bei Teilen der Mitarbeiter eine Mentalität, die Leistung durch Bequemlichkeit ersetzt. Im Home-Office lebt sich’s für manche eben doch noch bequemer, als in Amtsstuben. Dass die Krankenstände im Öffentlichen Dienst immer höher sind als in der Privatwirtschaft, dürfte bekannt sein. Extremste Krankheitstage weist übrigens in der Berliner Verwaltung der Bereich des Ordnungsdienstes auf, der Knöllchen für das Falschparken verteilt. 70 (!) krankheitsbedingte Fehltage im vergangenen Jahr – zusätzlich zum regulären Jahresurlaub. Da sind die betreffenden Damen und Herren nur gut ein halbes Jahr bei vollen Jahresbezügen tätig.

Auch in der Privatwirtschaft ist die Produktivität gesunken. Wer etwa mit Versicherungen oder Banken kommuniziert, spürt seit Monaten eine deutlich längere Bearbeitungsdauer. Statt bei Mitarbeitern landet man in Telefon-Endlosschleifen. Doch im Unterschied zur Privatwirtschaft gab es bei Beschäftigten des Bundes, der Länder und der Kommunen so gut wie keine Kurzarbeit, die mit Beschäftigungseinbußen verbunden ist. Das Gehalt wurde regelmäßig in ungekürzter Höhe an die Beschäftigten überwiesen, die Bezüge an die Staatsbeamten ohnehin.

Als Friedrich Merz am Sonntagabend in der Internetsendung „Bild live“ mahnte: „Wir müssen zurück an die Arbeit.“, erntete er vor allem von Linken und Grünen heftige Kritik. Dabei beschrieb er nur die reale Gefahr, dass wir immer mehr Leute daran gewöhnen, ohne Arbeit leben zu können. Auch sein Hinweis, dass einfach zu viele Lehrer ohne ernsthafte Erkrankung auch nach der Wiederaufnahme des Schulbetriebs zuhause bleiben, die sich in den Monaten der kompletten Schulschließung über ungekürzte Bezüge freuen durften, ist so bitter wie richtig.

Eine undifferenzierte Tariferhöhung für 2,3 Millionen Beschäftigte durchsetzen zu wollen, wie es Ver.di versucht, ist in diesen Zeiten einfach unanständig. Denn gleichzeitig gibt es zahlreiche Branchen, in denen die Beschäftigten massive Lohneinbußen erleiden, wenn nicht gar ihren Arbeitsplatz verlieren. Etwas mehr Demut möchte man deshalb Ver.di und den Mitgliedern im privilegierten Öffentlichen Dienst wünschen.

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