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Thüringen

Ein Minister mit Stasi-Vergangenheit: Tilo Kummer

13.12.2024

| Lesedauer: 2 Minuten
Neuer Umweltminister in Thüringen unter Mario Voigt ist Tilo Kummer – trotz Kummers Stasi-Vergangenheit. Bodo Ramelow hatte es seinerzeit noch abgelehnt, ihn ins Kabinett zu holen, und begründete das mit der Unvereinbarkeit einer solchen Biografie mit einem hohen Amt in Regierungsverantwortung.

In Thüringen wurde heute Geschichte geschrieben. Die neue Landesregierung von CDU, BSW und SPD stellte sich vor. Zum ersten Mal hat sich ein CDU-Mann von der Linken wählen lassen, die rechtsidentisch mit der ehemaligen SED ist, wie der Historiker und frühere Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, erinnert.

Die vier Fraktionen von CDU, BSW, Linke und SPD haben vereinbart, dass einmal im Monat ein Gespräch stattfinden soll, bei dem auch die Linke bei wichtigen Reformvorhaben ihre Vorschläge einbringen können soll. Ziel dieser Vereinbarung ist es, die demokratische Mitwirkung der AfD im Parlament zu verhindern. Die Verhältnisse im Thüringer Landtag erlauben keine Mehrheiten ohne zumindest eine Stimme aus den Reihen von AfD oder Linken.

Neuer Umweltminister ist Tilo Kummer; der frühere Linken-Politiker war bereits von 1999 bis 2019 Landtagsabgeordneter, anschließend Bürgermeister von Hildburghausen und ist parlamentarischer Geschäftsführer der BSW-Fraktion.

Hubertus Knabe kritisiert die Wahl des BSW-Abgeordneten Tilo Kummer zum Umweltminister. Er weist auf Kummers SED-Vergangenheit hin und beanstandet, dass sich Kummer nach seinem Abitur im Jahr 1987 als Unteroffizier auf Zeit im Berliner Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ verpflichtet hatte. Da dieses dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) zugehörte, musste er als solcher einen besonderen Eid auf das MfS leisten. Das Wachregiment war vor allem im Bereich des Personen- und Objektschutzes tätig. Aus Sicht Knabes stellt dies dennoch eine „Stasi-Tätigkeit“ dar, die für ein Ministeramt disqualifiziere.

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Knabe fragt daher den neuen Ministerpräsidenten Voigt: „Lieber Mario Voigt, stimmt es, dass Sie mit Tilo Kummer zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik einen ehemaligen Angehörigen des DDR-Staatssicherheitsdienstes in die Regierung berufen wollen? So meldet es heute die TA online.“

Die Thüringer Allgemeine weist darauf hin, es sei nicht neu, dass der frühere Linken- und jetzige BSW-Landtagsabgeordnete Tilo Kummer seinen Wehrdienst beim MfS-Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ abgeleistet hatte. Neu sei, „dass jemand mit dieser Vergangenheit in Thüringen Minister werden kann“. Der linke Ramelow hatte es seinerzeit noch abgelehnt, Kummer ins Kabinett zu holen, und begründete das mit der Unvereinbarkeit einer solchen Biografie mit einem hohen Amt in Regierungsverantwortung: In die rot-rot-grüne Regierung komme keiner, der zu staatsnah war.

„Es gilt laut Stasiunterlagengesetz als hauptamtliche Mitarbeit bei der Staatssicherheit“, so die Antwort des Thüringer Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Peter Wurschi, auf Anfrage der Thüringer Allgemeinen. „Solange keine aktiven Momente gegenüber dem MfS hinzukommen, schließt die Tätigkeit für das Wachregiment die Betroffenen nicht von der Wahrnehmung eines Wahlamtes oder einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst aus.“

[inner_post] Der Dienst bei dem Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ war eine besonders herausgehobene Aufgabe; dessen Mitglieder hatten in der DDR einen besonderen Eid auf das MfS zu leisten. Sie schworen, „ein ehrlicher, tapferer, disziplinierter und wachsamer Angehöriger des Ministeriums für Staatssicherheit“ zu sein. Benannt wurde das Regiment nach dem Gründer der sowjetischen Geheimpolizei, einer besonders brutalen Truppe zur Bekämpfung von politischer und wirtschaftlicher Konterrevolution.

Eine Antwort hat Hubertus Knabe nicht erhalten. Er schreibt: „Die Rückkehr der alten Kader an die Macht hat vor allem einen Grund: Nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Regime ist eine mit der Entnazifizierung Deutschlands vergleichbare Entkommunisierung unterblieben.“

Und fährt fort: „Hätten nach 1989 dieselben Vorschriften gegolten wie nach 1945, wäre wohl keiner der Genannten je in ein politisches Amt gekommen. Den einstmals führenden Partei- und Staatsvertretern, Geheimdienstmitarbeitern und Grenztruppenangehörigen hätte vielmehr Gefängnis, Vermögenseinzug, Rentenstreichung und Heranziehung zu Arbeitseinsätzen gedroht. Sie hätten zudem – wie in der Kontrollratsdirektive Nr. 38 festgelegt – das aktive und passive Wahlrecht verloren, keine öffentlichen Ämter mehr bekleiden und keiner politischen Partei mehr angehören dürfen. Auch für weniger exponierte Aktivisten wie Staatsanwälte, Richter, Informanten oder Jugendfunktionäre galten ähnliche Sühnemaßnahmen.“

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