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Was Habeck nicht sagte

Stresstest: Alle Möglichkeiten zur Erhöhung der Strom-Erzeugungs-Kapazitäten nutzen

06.09.2022

| Lesedauer: 2 Minuten
In dem „Stresstest“, auf den sich Robert Habeck beruft, stehen Sätze, die gerade nicht rechtfertigen, die Kernkraftwerke nur in Reserve zu halten.

Die Worte können nicht deutlich genug sein: »In allen drei betrachteten Szenarien zeigt sich die Versorgungssituation im kommenden Winterhalbjahr äußerst angespannt – in Europa kann im Strommarkt die Last nicht vollständig gedeckt werden.« Und: »Die Verfügbarkeit der KKW ist ein weiterer Baustein zur Beherrschung kritischer Situationen.« Das steht in den »Sonderanalysen Winter 2022/2023«, jener meist als »Stresstest« bezeichneten Bestandsaufnahme, die die vier Übertragungsnetzbetreiber 50hertz, Amprion, Tennet und Transnet BW im Auftrag des Wirtschaftsministeriums vorgelegt haben. Darin heißt es:

»In drei unterschiedlichen Szenarien mit jeweils zunehmend kritischeren Prämissen (+, ++, +++) wurde darin die Stromversorgungssituation im Winter 2022/23 aus zwei Perspektiven untersucht: Zum einen von der Frage ausgehend, ob die Stromnachfrage gedeckt ist (Leistungsbilanz) und zum anderen von der Frage der Netzsicherheit (Transmission Adequacy). (…)

Im Vergleich zur ersten Sonderanalyse (März bis Mai 2022), in der Berechnungen mit dem Fokus auf Gaseinsparungen im Vordergrund standen, widmet sich diese zweite Sonderanalyse deutlich schärferen Annahmen: Dies insbesondere mit Blick auf nicht zur Verfügung stehender Kraftwerkskapazität in Deutschland und Europa und mit dem Ziel der Identifizierung von unterschiedlich ausgeprägten Stresssituationen für die Stromnachfrage und die Netzsicherheit. Dafür wurde im mittleren Szenario (++) eine Sensitivitätsanalyse der Auswirkungen des Streckbetriebs (Betrieb bis zum Verzehr der beladenen Brennelemente im ersten Quartal 2023) der Kernkraftwerke Emsland, Isar und Neckarwestheim durchgeführt.«

[inner_post 1] Daraus hat der derzeitige Wirtschaftsminister Habeck seine Idee abgeleitet, nur zwei der drei noch laufenden Kernkraftwerke noch vier Monate kalt stehen zu lassen, ohne dass sie Strom produzieren. Falls es notwendig werden sollte, sollten die Kernkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim Strom erzeugen, so Habeck. Denn es könnte – so wörtlich – »stundenhafte Mangelsituationen« im Stromnetz geben.

Neue Brennelemente würden nicht geladen werden, sagte er weiter. Die Betreiber der Kernkraftwerke würden selbstverständlich – so Habeck – für Personal und Betriebskosten entschädigt werden, also weiterhin Steuergelder bekommen. Habeck hat auch nicht ausgeführt, warum teure Kernkraftwerke keinen Strom produzieren sollen, aber nicht abgerissen werden sollen.

Deutlicher werden die Übetragungsnetzbetreiber in ihrer Analyse: »In den beiden kritischeren Szenarien (++, +++) treten in einigen Stunden Lastunterdeckungen auch in Deutschland auf.« Im Klartext: Es ist nicht genügend Strom vorhanden. Noch kritischer sieht es in Sachen Netzsicherheit aus:

»Zum Management von Netzengpässen reichen die inländischen Redispatch-Potenziale in keinem der drei Szenarien aus. Es wird mindestens 5,8 GW gesichertes Potenzial im Ausland benötigt, davon werden 1,5 GW über eine Redispatch-Kooperation mit AT vorgehalten. Darüber hinaus werden derzeit rund 1,6 GW kontrahiert (Ergebnis der Bedarfsanalyse 2022, aktuell laufendes Interessenbekundungsverfahren). Dabei ist die tatsächliche Verfügbarkeit dieser Mengen aufgrund der in ganz Europa angespannten Versorgungslage unsicher.«

Daher lautet die Empfehlung der Übertragungsnetzbetreiber: »Nutzung aller Möglichkeiten zur Erhöhung der Strom-Erzeugungs- und Transportkapazitäten wird dringend empfohlen!« Das bedeutet ebenfalls im Klartext: Alle Stromerzeugungsmöglichkeiten volle Kraft voraus. Jedes Kraftwerk, das Strom liefert, senkt zugleich die Stromkosten in Milliardenhöhe. Die wesentlichen Ergebnisse fassen die Übertragungsnetzbetreiber folgedermaßen zusammen:

»1. Transportkapazitäten erhöhen: Zusätzliche Potenziale des witterungsabhängigen Freileitungsbetriebes müssen kurzfristig erschlossen werden, um damit die Nord-Süd-Transportkapazität zu erhöhen.
2. Redispatch-Potential im Ausland in den Fokus nehmen: Hierfür sind klare und verbindliche Absprachen mit den Nachbarländern erforderlich.
3. Vertragliches Lastmanagement: Kurzfristige Potenziale müssen gehoben werden.
4. Reserven für Stresssituationen breiter nutzbar machen: Sämtliche Reserven (auch Netzreserve und besondere netztechnische Betriebsmittel) müssen für die bilanzielle Lastdeckung und den Redispatch nutzbar gemacht werden.
5. Nutzung weiterer Kraftwerkskapazitäten in Stresssituationen absichern:
a. Marktrückkehr der Kohlekraftwerke aus der Reserveerleichtern (Genehmigungen, Kostenanerkennungen/Kostenübernahmen).
b. Alle in einer Stresssituation notwendigen Gaskraftwerke müssen gesichert mit Gas versorgt werden.
c. Verfügbarkeit der KKW ist ein weiterer Baustein zur Beherrschung kritischer Situationen.«

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