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GroKo, Union und Seehofer blamiert

Steinmeier lässt das Prestige-Gesetz der SPD-Ministerin Lambrecht nacharbeiten

09.10.2020

| Lesedauer: 3 Minuten
Es ist Aufgabe des Bundespräsidenten, ein eindeutiges Ja oder Nein zu einem Gesetz zu sagen. Aber Steinmeier laviert, um die GroKo nicht zu blamieren. Deshalb gibt es ja auch kaum Rauschen im Blätterwalt.

In den Medien ging diese Nachricht fast unter: Bundespräsident Steinmeier hat das „Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ vorläufig (!) gestoppt. Die Ghostwriter dieses Gesetzes und der Bundestag müssen nun nachsitzen, denn Steinmeier will Nachbesserungen. Das ist eigentlich ein ungewöhnliches Verfahren, denn es ist Aufgabe des Bundespräsidenten, ein eindeutiges Ja oder Nein zu einem Gesetz zu sagen. Also laviert er, um die GroKo nicht zu blamieren. Deshalb gibt es ja auch kaum ein Rauschen im Blätterwalt.

Worum geht es? Es geht um das Prestige-Gesetz der SPD-Justizministerin Lambrecht mit dem Titel „Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität.“ Eigentlich ist es ein Gesetz, das mehrere andere Gesetze betrifft: das Strafgesetzbuch StGB, die Strafprozessordnung StPO, das Bundesmeldegesetz BMG, das Bundeskriminalamtgesetz BKAG und das Telemediengesetz TMG.

Am 18. Juni 2020 hat der Bundestag dieses Gesetzespaket mit der Mehrheit der GroKo durchgewunken. In dritter Lesung war dieses Gesetz am 18. Juni einer von 35 Tagesordnungspunkten und 24 Zusatzpunkten. Laut Justizministerin Lambrecht, so ihre stolze Presseerklärung noch am selben Tag, diene es dem Schutz aller, die von Rassisten und Rechtsextremisten bedroht und diffamiert würden. Der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, der antisemitische Terroranschlag in Halle, die rassistischen Morde in Hanau und die hohe Zahl weiterer rechtsextremistischer Gewalttaten hätten, so Lambrecht, gezeigt, wie dringend nötig ihr Gesetzespaket ist, um die Spirale von Hass und Gewalt zu durchbrechen.

[inner_post 1] Aber man hat schlampig gearbeitet: Wenige Wochen danach, am 17. Juli 2020, stellte das Bundesverfassungsgericht in anderem Zusammenhang fest: Die bisherigen Zugriffsrechte des BKA auf Bestandsdaten bei Telekommunikationsanbietern sind verfassungswidrig. „Auskünfte über Daten, deren Aussagekraft und Verwendungsmöglichkeiten eng begrenzt sind, dürfen nicht ins Blaue hinein zugelassen werden“, so die Karlsruher Richter.

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages verfasste in der Folge im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion ein Gutachten und kam darin zu dem Schluss, dass das neue Anti-Hass-Gesetz ebenfalls in Teilen verfassungswidrig ist. Immerhin seien jene Stellen, die vom Bundesverfassungsgericht bezüglich der Regelung bei Telekommunikationsanbietern beanstandet worden waren, ziemlich wortgleich auch im neuen Gesetz zu finden.

Kern der Verfassungswidrigkeit ist die Meldepflicht für soziale Netzwerke, möglicherweise illegale Postings an das Bundeskriminalamt (BKA) zu übermitteln. Damit würden Bestandsdaten abgefragt, etwa die IP-Adresse, der Name oder die Wohnanschrift der jeweiligen Nutzer – selbst wenn kein handfester Anfangsverdacht vorliegt.

[inner_post 2] Der Gesetzgeber hätte klar definieren müssen, welche Behörde bei welchen Anlässen welche Daten abfragen darf und wie die Daten genutzt werden dürfen. Es habe aber, so die Skeptiker, an begrenzenden Eingriffsschwellen gefehlt. Weder die Telekommunikationsdienstleister dürften Daten an das Bundeskriminalamt übermitteln, noch dürfte dieses die Daten abfragen. Das ist aber ein Kern des Gesetzes gegen Hasskriminalität. TE-Autor Tomas Spahn war bereits am 18. September 2020 im Detail auf diese Probleme eingegangen.

Damit stand das Lambrecht’sche Gesetzpaket auf wackligen Füßen. Das hat sich auch im Bundespräsidialamt und im Kanzleramt herumgesprochen. Aber eben zu spät. Kritik war übrigens zuvor von Ulrich Kelber, dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, gekommen; er sprach von „erheblichen Eingriffen in Grundrechte.“

Nun hat Bundespräsident Steinmeier das sogenannte Ausfertigungsverfahren ausgesetzt; er verlangt Nachbesserungen und beschreitet damit einen Weg, der im Gesetzgebungsverfahren so gar nicht vorgesehen ist. Geregelt es nämlich folgendes: Nach Gegenzeichnung durch den (die) beteiligten Bundesminister und den Bundeskanzler werden die Bundesgesetze vom Bundespräsidenten unterzeichnet (= Ausfertigung). Zuvor hat er zu prüfen, ob sie nach den Vorschriften des Grundgesetzes zustande gekommen sind. Diese Ausfertigung steht nicht in Konkurrenz zur Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts. In der bisherigen Geschichte der Bundesrepublik hat es acht Fälle gegeben, in denen ein Bundespräsident es abgelehnt hat, ein Gesetz auszufertigen. Die beiden letzten Fälle datieren aus dem Jahr 2006: Bundespräsident Horst Köhler hatte entschieden, das Gesetz zur Neuregelung der Flugsicherung und das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Verbraucherinformation nicht auszufertigen.

Jedenfalls sind jetzt im Lambrecht‘schen Gesetzesprojekt viele Änderungen notwendig. Man darf gespannt sein, wie sich die GroKo hier aus der Affäre zieht. Mit Ruhm bekleckert hat sie sich jedenfalls nicht. Das gilt auch für den CDU/CSU-Koalitionspartner, der das Paket kritiklos mitgemacht hat, und den am Verfahren beteiligten Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU).

Ansonsten kann man nur hoffen, dass SPD-Linksaußen-Frau Lambrecht merkt, wie man sich die Finger verbrennen kann; und man kann nur hoffen, dass sie ihren Aktionismus bändigt. Immerhin hat sie schon ein neues Projekt auf der Herdplatte: Sie will mit einem „Demokratiefördergesetz“ die Aufklärung über Verschwörungstheoretiker verstärken und institutionalisieren. Im Klartext: Sie will ihrer linken Klientel noch mehr staatliche Alimentation zukommen lassen.

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