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»Einmalige Ausnahme«

Schäuble fordert „vorläufige Einreise in die EU“ für Migrationswillige in Weißrussland

17.11.2021

| Lesedauer: 2 Minuten
Einst war sie seine Generalsekretärin. Nun ist er ihr Sekretär geworden. Wolfgang Schäuble gibt in einem Interview den zuarbeitenden Assistenten der scheidenden Kanzlerin, aus dem allein die Stimme seiner Vorgesetzten ertönt.

Von Merkel wird in russischen Medien kolportiert, dass sie im Gespräch mit Alexander Lukaschenko und Wladimir Putin bereits große Zugeständnisse angekündigt hat. Selbst wenn das nicht so sein sollte, musste die Kanzlerin wissen, dass medienwirksam plazierte Telefonate von den beiden Herren für ihre Zwecke ausgenutzt würden. So lässt sich der Gesichtsverlust noch vermeiden, den Lukaschenko eigentlich schon erlitten hat, indem er die Migranten von der polnischen Grenze zurückzog und in neu errichtete Unterkünfte verlegte.

In seinem Interview mit dem RND zog der frühere Bundestagspräsident, Finanzminister und Innenminister Wolfgang Schäuble einen äußerst wackeligen, um nicht zu sagen hinkenden Vergleich. Er erinnerte an eine Episode aus den Achtzigerjahren, als die DDR-Führung einmal versuchte, der Bundesrepublik Zugeständnisse und – angeblich – Grenzkontrollen an der innerdeutschen Grenze abzuluchsen. Zu diesem Zweck hätte Alexander Schalck-Golodkowski Tamilen aus Sri Lanka ungehindert über die deutsch-deutsche Grenze laufen lassen. Schäuble dazu: „Wenn wir Tamilen aufnehmen wollen, dann machen wir das schon selbst.“

Er gesteht ein: „Diktaturen missbrauchen Flüchtlinge leider oftmals als Druckmittel.“ Insofern mache es „die EU“ – wen genau er damit meint, sagt er nicht – richtig, indem sie auf Druck mit Gegendruck antworte. Macht es die Kanzlerin folglich falsch, die auf Druck mit Zugeständnissen reagiert? Dazu gibt es kein Wort von Schäuble. Aber gleich darauf bietet er selbst ein großes Zugeständnis an, wenn auch in vorsichtigen Worten: „Für die verzweifelten und von Schleppern missbrauchten Menschen, die unter unwürdigen Bedingungen an der Grenze ausharren, brauchen wir eine schnelle, humanitäre Lösung.“ Das bedeute, ihnen solle die „vorläufige Einreise in die EU“ gestattet werden. Dabei müsste Schäuble als Jurist wissen, dass es so etwas nicht gibt. Und als zweifacher Innenminister weiß er natürlich auch, dass abgelehnte Asylverfahren in Deutschland wohl kaum zu Rückreisen und Abschiebungen in nennenswerter Zahl führen. Für Deutschlands Asylpolitik gilt de facto: Drin ist drin.

So fragt man sich weiter: Wann lernen Deutschlands verantwortliche Politiker endlich einwanderungspolitischen Realismus statt aufgesetzter Humanitätsfloskeln?

Zu guter Letzt erzählt Schäuble noch etwas von einem „geordneten Verfahren“ und einer „einmaligen Ausnahme“. Offenbar dürfen die EU-Länder – also vor allem Deutschland – in dieser Hinsicht mit Staatserpressern, Steine- und Blendgranatenwerfern zusammenarbeiten. Den „Verfolgungsgrund“ dieser teilweise gewaltbereiten Grenzbelagerer, die bequem mit Visa, im Flugzeug nach Weißrussland eingereist sind, kennt Schäuble offenbar ganz allein.

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