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Italien

Salvini macht Druck, weil Migration trotz Corona gestiegen ist

04.05.2020

| Lesedauer: 3 Minuten
In Italien kamen trotz der Corona-Pandemie in den ersten vier Monaten des Jahres viel mehr Migranten an als im Vorjahr. Der frühere Innenminister und Oppositionsführer Matteo Salvini nimmt das zum Anlass für schwere Vorwürfe gegen die Regierung Conte.

Seit Jahresbeginn bis Ende April „sage und schreibe 3.465 Ankünfte von illegalen Migranten”, berichtet Oppositionsführer Matteo Salvini und zieht gleichzeitig den Vergleich zum selben Zeitraum des Vorjahres, als unter seiner Führung als Innenminister und der Gesetzgebung der „Porti chiusi”, der geschlossenen Häfen, nur 779 Migranten in Italien den Fuß auf europäischen Boden setzten.

Das bedeute also, resümmiert Matteo Salvini mit seiner Lega, „ein Plus von 345%”, und diese Zahl müsse man erst mal wirken lassen. In heiklen Zeiten wie diesen, in der die Italiener fast fünf Wochen lang in einer so nie da gewesenen Quarantäne mit sehr strengen Ausgangsbeschränkungen belegt worden sind. Die Lockerungen während der Coronakrise greifen sehr langsam und sehr behutsam erst jetzt, Zug um Zug. Italienische Bürger, die landesweit diszipliniert und solidarisch mitgezogen sind -keiner auf den Straßen, alle Bars, Restaurants und Firmen dicht – beginnen nun immer lauter zu murren und begehren auf. Ein ganzes Volk am Limit. Ein Zustand, den die Bevölkerungen anderer europäischen Länder miteinander teilen.

Lega-Chef Salvini legt weitere Zahlen vor und erhöht den Druck auf die ungeliebte Regierung. Katastrophal seien „auch die Daten der sogenannten Geister- oder Phantom-Ankünfte: 1.761 im Jahr 2020 gegenüber 628 im Jahr 2019…”, also all derjenigen Migranten, die es unbemerkt von den Grenzschützern an die Küsten Italiens schaffen. Das ist ein dickes Zuwachsplus von 180,4 %. Italien nimmt also weiterhin illegale Migranten, fast ausschließlich Männer, auf, wie auch die Zeitung Il Giornale berichtet.

[inner_post 1] Die Zahlen sind ein Indiz dafür, dass der Notstand im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie, die Anlandungen der Migranten nicht behindert. Merkwürdig, wo doch weltweit von der Gefährlichkeit des Virus berichtet wurde. Selbst der industrielle und wirtschaftliche Schiffsverkehr bremste ab, große Containerschiffe und das Personal dümpelten quasi auf hoher See, nicht so aber ein paar NGO-Aktivisten, die sich wieder als „Seenotretter“ aufmachten. Die Schlepper und Schmuggler gaben wohl Signale.

Dazu Matteo Salvini, gekonnt die populistische Klaviatur spielend: „Die Regierung zwingt die Italiener im Haus zu bleiben, öffnet aber die Häfen für Fremde…” Zähle man sogar nur die Monate Januar und Februar 2020, wäre sogar ein Zuwachs an Einwanderern von 700 % zu verzeichnen, im Gegensatz zu Salvinis Zeit als Innenminister.

Damals, vom 1. Januar bis zum 28. Februar 2019, nämlich, seien nur 262 Migranten in Italien angekommen, und nun im gleichen Zeitraum des Jahres 2020 verzeichnete das Innenministerium insgesamt 2.553 irregulär angekommene Personen. Dann erst kam der Gesundheitsnotstand zur Corona-Pandemie, und mit ihm die völlige Schließung der Aktivitäten, und die Verpflichtung für die Italiener, strikt zu Hause zu bleiben.

Darüber hinaus lässt sich bei der Zahl der Anlandungen im April ein Paradoxon feststellen: Obwohl die Regierung genau in diesem Monat beschloss, die Häfen wegen des Coronavirus-Notstands für Ankünfte zu sperren, war die Tendenz im Vergleich zum April 2019, als keine Pandemie über Italien hinwegzog, dennoch steigend.

Nicht einmal das Covid-19-Virus also, stoppt das Einwanderungsgeschäft: Die Regierung blockiert das Land und die Bürger, sowie die italienische Ökonomie, und während die Italiener zu Hause bleiben sollen, „entlässt sie, die Regierung, die Kriminellen und die Bosse aus dem Gefängnis, und öffnet die Häfen,” eine Anspielung Salvinis auf etliche Schwerkriminelle und „Mafiosi“, die während der Pandemie, zwar nur auf Zeit, frei gekommen sind.

Nun bröckelt auch Contes Zustimmung in der Bevölkerung vermutlich wieder. Der Premier hatte zumindest zeitweise als Krisenmamager gepunktet, als er vorgab, Italiens Bürger schützen zu wollen – nun aber entgleiten ihm viele Bürger, die psychisch und finanziell am Stock gehen.

[inner_post 2] Der Migrationsdruck wird unterdessen nicht nachlassen. Fast täglich gehen Alarmmeldungen ein, wie etwa dieser Fall, von dem Salvini berichtet. Eine Gruppe von 68 Migranten an Bord eines beschädigten Boots will an Land, meldet sich über Smartphones, und ihr wird schnell geholfen. Der Bitte der Mittelmeer-NGO Saving Humans, die auch mit dem Schiff Mare Jonio operiert, so schnell wie möglich einzugreifen, wurde nachgekommen. Den letzten Meldungen zufolge wurden die Migranten an Bord des beschädigten Bootes von einem Patrouillenboot der italienischen Küstenwache gerettet. Business as usual, seit Jahren.

Nun machen sich offenbar viele Migranten auf den Weg in Richtung der italienischen Insel Lampedusa, wo Bürgermeister Totò Martello in den letzten Tagen zusammen mit anderen Bürgermeistern der Gegend von Agrigent, die Anwesenheit eines Auffangschiffes zur Bedingung gemacht hat, um zumindest die Quarantäne der Migranten durchzusetzen. Etwas anderes ist der italienischen Bevölkerung auch kaum noch zu vermitteln, trotz beginnender Lockerungen der strikten Ausgangssperren.

Italiens Opposition jedenfalls ist wieder hellwach. Nach der Pandemie ist es schon wieder wie vor der Pandemie: die Regierung Conte steht massiv unter Druck.

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