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Artikel 38 verletzt

Rupert Scholz: Geplante Wahlrechtsreform verletzt das Grundgesetz

von Gastautor

16.03.2023

| Lesedauer: 2 Minuten
Das Verfassungsgericht fordert schon seit Jahren eine Reform des Wahlrechts. Doch die geplante Reform des Wahlrechts verstößt gegen das Grundgesetz. Ein Kommentar von Rupert Scholz

Die Reform des Bundestags-Wahlrechts, die die Ampel in diesen Tagen verabschiedet, ist begründet, soweit es um die Verringerung des Bundestages geht. Die jetzige Zahl der 736 Abgeordneten, weit über der gesetzlich vorgesehenen 598, ist in der Tat absolut unvertretbar. Der Weg, den die Ampel allerdings einschlagen will, ist absolut unvertretbar, ja verfassungswidrig.

Das Wahlrecht des Bürgers gemäß Artikel 38 des Grundgesetzes basiert auf Freiheit, Gleichheit und Unmittelbarkeit. Alles dies wird verletzt. Entscheidend ist dabei die Erststimme. Nach dem geplanten neuen Modell soll diese Erststimme jedoch keine entscheidende Rolle mehr spielen. Nur diejenigen Erststimmen werden unmittelbar zu einem Bundestagsmandat führen, denen eine hinreichende Zahl von Zweitstimmen für ihre Partei entspricht. Mit anderen Worten: Das Erststimmenmandat gilt nicht mehr unmittelbar, es gilt nicht wie geboten absolut und es wahrt nicht mehr die Gleichheit der Wahl. Damit wird der Verfassungsgrundsatz des Artikel 38 GG elementar verletzt.

Prof. Dr. Rupert Scholz ist Bundesminister der Verteidigung a.d. und Staatsrechtler. Er ist Mitautor und Herrausgeber des Grundgesetzkommentars Dürig/Herzog/Scholz (ehem. bekannt als „Maunz/Dürig“), welches als juristisches Standartwerk gilt.

Anmerkung der Redaktion:

Die von der Ampelregierung geplante Reform des Wahlrechts sieht vor, dass Erststimmenmandate nur noch dann zur Geltung kommen, wenn die Partei des Gewinners auch mindestens 5 Prozent der bundesweit abgegebenen Zweitstimmen erhält. Somit wäre es möglich, dass die CSU in Bayern jeden Wahlkreis für sich entscheidet – aber an der Fünfprozenthürde scheitert und nicht in den Bundestag einziehen kann.

Das bisherige Wahlrecht sieht vor, dass der Gewinner eines Wahlkreises, gemessen an den Erststimmen, immer in den Bundestag einzieht. Können die Kandidaten einer Partei dann außerdem drei Wahlkreise für sich gewinnen, wird die Fünfprozenthürde nicht angewandt. Es werden trotzdem Mandate nach Zweitstimmen verteilt. Die für sie abgegebenen Zweitstimmen lösen dann Ausgleichs- und ind der Folge Überhangmandate aus.

Aufgrund der bestehenden Regelungen war es daher nach der letzten Bundestagswahl möglich, dass die Partei Die Linke in den Bundestag einzieht. Denn obwohl sie den Zweitstimmen nach mit 4,9 Prozent an der 5-Prozent-Hürde scheiterte, gewann die Partei drei Wahlkreise (zwei in Berlin und einen in Leipzig). Damit zogen insgesamt 39 Linken-Abgeordnete in den Bundestag ein.

 

 

In einer früheren Version dieses Artikels stand, dass drei Wahlkreismandate einer Partei Fraktionstatus geben und in der Folge Listenmandate außlösen. Der Fraktionsstatus ist aber von der Zahl der Abgeordneten abhängig.

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