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Porträt Bodo Ramelow

Der Untote der deutschen Politik

31.08.2024

| Lesedauer: 3 Minuten
Bodo Ramelow gehörte lange zu denen, die eine seriöse Politik der Linken möglich scheinen ließen. Nun steht er vor seiner Abwahl als Ministerpräsident Thüringens – doch er könnte noch lange als Untoter erhalten bleiben.

Sohn eines Kaufmanns, Hauptschüler, eine Lese- und Schreibstörung, trotzdem eine Kaufmannslehre geschafft. Über den zweiten Bildungsweg die Mittlere Reife nachgeholt. Über die Arbeit für Gewerkschaften den Weg in die Politik gefunden. Bodo Ramelow (68) steht für einen Lebensweg, der für die Linken mal als mustergültig galt – und den die Generation Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal heute kaum noch kennt.

Darüber hinaus galt der 1956 geborene Ramelow 1989 als etwas, was zuerst der SED und dann der PDS fehlte: als vernünftiger Westdeutscher. Die Partei litt lange und leidet eigentlich immer noch an ihren unterschiedlichen Wesenszügen. Im Osten wurde sie nach dem Zusammenbruch des Kommunismus von dessen ehemaligen Kadern geprägt. Inhaltlich sicherlich zweifelhafte Funktionäre, aber zweifellos mit Organisationstalent und einem gewissen Sinn für Realitäten ausgestattet. Im Westen prägten Sektierer das Bild: Radikale, Spalter und mitunter auch Spinner. Ein politisches Prekariat, das zuvor nicht selten schon aus anderen Parteien ausgetreten oder rausgeworfen worden war.

Bodo Ramelow war anders. Schon durch seinen Lebensweg. Die Zeit als Arbeitnehmer bei Karstadt hat ihm einen Sinn für Realitäten verliehen. Über Gewerkschaftsfunktionäre ließe sich viel Schlechtes sagen. Aber dort hat Ramelow organisieren gelernt – das können sie. Mit diesen Pfunden ausgestattet gehörte Ramelow zu den Männern, die für eine Aufgabe in Frage kamen, die der SED-PDS-Linken letztlich nie so recht gelungen ist: der Aufbau von tragenden Strukturen im Westen.

Der geduldige Aufbauhelfer war Ramelow nicht. Aber er ging selber in den Osten, um dort Karriere zu machen: 2004 als Spitzenkandidat der Linken in Thüringen. Das wagte sich die PDS damals zum ersten Mal. Es war ein neues Selbstbewusstsein, das kurze Zeit später seinen Ausdruck im Zusammenschluss mit der WASG und der Gründung der Partei „Die Linke“ fand.

2014 klappte es dann: Ramelow wurde Chef einer Koalition aus Linke, SPD und Grünen und er wurde Ministerpräsident Thüringens. Der erste und bisher einzige linke Ministerpräsident bundesweit. Vermutlich auch weiterhin. Denn die erste Wahl zum Ministerpräsidenten war der Höhepunkt in Ramelows politischem Leben – und auch der Höhepunkt in der Geschichte der Partei „Die Linke“. Danach ging’s bergab.

2020 verlor Ramelow seine Mehrheit. Im thüringischen Landtag kam es zur Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) mit Stimmen der AfD. Die Medien liefen Sturm, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) befahl aus der Ferne eine Neuwahl. Ein glatter Bruch der Verfassung, wie ihr später das Verfassungsgericht bestätigte. Doch dieser Verfassungsbruch ist seitdem gelebte Realität in Thüringen.

Mit der Wiederwahl Ramelows begann ein Festival der Lügen in Thüringen. Durch die CDU, die den Linken mitträgt, deren Abgeordnete aber wichtigen Abstimmungen fernbleiben, sodass sie den Ministerpräsidenten irgendwie doch nicht verantworten. Und durch Ramelow, der nach der Kemmerich-Farce rasche Neuwahlen versprach, aber dieses Versprechen brach. Erst kam es wegen der Pandemie nicht zur Neuwahl, dann verpassten sich die beteiligten Parteien und ihre Medien selbst ein Schweigegelübde zu dem Thema und letztlich braucht Ramelow ja auch Zeit, um Candy Crush zu spielen.

Candy Crush spielte Ramelow – nach eigenen Angaben – während die „Ministerpräsidentenkonferenzen“ liefen. Diese beschlossen Regelungen, die Arbeitnehmern Kontaktverbote auferlegten, Familientreffen verboten, Ausgangssperren verhängten, das Demonstrationsrecht aushebelten und Kinder von der Bildung ausschlossen. Arbeitnehmer durften nur noch arbeiten und sonst nichts. Der Vertreter der Arbeiterpartei saß mit am Tisch, ließ das alles geschehen und spielte währenddessen Candy Crush. Ramelow hatte alles, um einen würdigen Vertreter linker Positionen abzugeben – doch im entscheidenden Moment versagte er. Dass unter der Regierung eines Linken die Wirtschaftsdaten schlecht sind und die Bürger seiner Wirtschaftskompetenz misstrauen, muss nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden – überrascht aber nur wenig.

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Die Linke ist erledigt. Die alten SED-Kader steuern ihrem biologisch bedingten Ende entgegen – oder haben es schon hinter sich. Die Sektierer haben gewonnen. Die Partei ist zu einem bizarren Abziehbild der Grünen geworden. Sahra Wagenknecht hat der Partei mit der Spaltung den Rest gegeben. Auch Ramelows Ende steht bevor. In den Umfragen steht seine Partei nur noch auf Platz vier in Thüringen. Seine Tage als Ministerpräsident sind gezählt.

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So scheint es. Doch Thüringen steuert auf eine Sperrmajorität von AfD und Bündnis Sahra Wagenknecht zu. Das könnte zu einer Unregierbarkeit Thüringens führen, zu wirren Szenen wie vor, während und nach der Wahl Thomas Kemmerichs zum Ministerpräsidenten. Dann bliebe Ramelow geschäftsführend im Amt. Ein Amt, das er schon vor vier Jahren zur Neuwahl stellen wollte. Als Kandidat der viertstärksten Partei im thüringischen Landtag wäre Ramelow endgültig der Untote der deutschen Politik. Aber das wäre ja nur für den Übergang. Versprochen.


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