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Melonis neuer PR-Mann

Papst Franziskus verurteilt Menschenhandel im Mittelmeer

06.03.2023

| Lesedauer: 2 Minuten
In Italien brechen die Dämme: Franziskus klagt nach einem Bootsunglück nicht die Regierung an, sondern nimmt die Schlepper ins Visier. Für Meloni und Salvini ein gefundenes Fressen; für die Linken der Verlust ihrer wichtigsten moralischen Stütze.

Es ist ein ungewohnter Moment: Matteo Salvini teilt auf Twitter eine Kachel mit Papst Franziskus. „Ich teile die Worte des Heiligen Vaters“, schreibt der Infrastrukturminister. Man setze sich jeden Tag dafür ein, diese Ziele zu erreichen. Und die Ministerpräsidentin Giorgia Meloni unterstreicht: „Machen wir uns die Worte des Heiligen Vaters zu eigen.“

Das sind in Italien Worte von bedeutender Tragweite. Denn jahrelang lagen die Kurie und die italienischen Rechtsparteien – mal offen, mal subtil – im Clinch. Man darf dabei nicht die Kurie mit der Kirche verwechseln. Im italienischen Klerus gab es in der Vergangenheit durchaus Sympathien für Salvini und Berlusocni. Doch Papst Franziskus hatte insbesondere in den Jahren, als eine Regierung aus dem Movimento 5 stelle (M5S) und Salvinis Lega regierte, eine Migrationspolitik forciert, die im starken Kontrast zu den „geschlossenen Häfen“ des damaligen Innenministers stand.

Doch seit Sonntag ist vielleicht nicht alles, jedoch einiges anders. Franziskus hatte sich auf ein Bootsunglück bezogen, bei dem 69 Menschen ertrunken waren. „Reisen der Hoffnung“ dürften nicht zu „Reisen des Todes“ werden. Die klaren Wasser des Mittelmeeres dürften sich nicht blutig verfärben. Ähnliche Tragödien dürften sich nicht wiederholen. Doch dann kam ein Satz, der hellhörig machte. „Die Menschenschlepper müssen aufgehalten werden“, erklärte Franziskus.

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Das kam unerwartet. Denn in Italien herrscht derzeit eine Debatte darüber, ob die strengen Regeln der Regierung Meloni nicht zu dem Unglück geführt haben. Zwar steigen die Ankunftszahlen an; das Kabinett hat jedoch nicht nur ein Dekret gegen NGOs verschärft, sondern setzt sich derzeit gezielt in Libyen dafür ein, dass Abfahrten erst gar nicht stattfinden. So hat Rom durchgesetzt, dass rund 20.000 Migranten in der ehemaligen nordafrikanischen Kolonie an einer Überfahrt gehindert werden. Bezeichnenderweise kam das Boot nicht aus Nordafrika, sondern legte aus dem türkischen Izmir ab.

Dass nun der Heilige Stuhl der italienischen Regierung moralisch unter die Arme greift, statt die rigoroseren Maßnahmen zu kritisieren und eine Öffnungspolitik zu verordnen, hat gleich mehrere Konsequenzen. Die regierenden Parteien haben den Rückenwind dankbar angenommen und ihre Politik damit legitimiert. Was aber noch schwerer wiegt: Die moralische Stütze der Linken fällt weg. Nachdem sie zuerst die öffentliche Meinung, und nun auch die politische Macht verloren haben, bricht sogar das moralische Standbein weg.

Womöglich steht die Äußerung damit in einem Zusammenhang. Denn nach den desaströsen Wahlen – sowohl bei den Parlamentswahlen im September als auch bei den Regionalwahlen im Februar – sowie der Aufstellung einer aussichtslosen Parteichefin wie Elly Schlein, dürfte man auch im Vatikan verstanden haben, dass die italienische Linke für die nächsten Jahre erledigt ist. Das Innenministerium, das für die Verbindungen zum Heiligen Stuhl zuständig ist, befindet sich wieder in der Hand der Lega.

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Neben dem langfristigen Arrangement mit der Realität – anders als man glaubt ist der Vatikan deutlich pragmatischer als manch politisch-ideologischer Vertreter – und der stetigen Unberechenbarkeit des Pontifikats steht diese Wende aber noch in einem Kontext. Papst Franziskus will bald zu einer Reise nach Ungarn aufbrechen – und sich mit Viktor Orbán treffen. Aufgrund der Migrationspolitik des ostmitteleuropäischen Landes galten die Beziehungen in der Vergangenheit angespannt.

Nicht nur in Italien würde einigen politischen Kräften der Wind aus den Segeln genommen, könnte man sich nicht mehr unumwunden auf den Pontifex berufen. Öffentliche Messen mit Flüchtlingsbooten und die Finanzierung von NGOs wären dann plötzlich „out“. Wenn nicht die vermeintlich hartherzigen europäischen Staaten, sondern die Menschenhändler das Problem sind, dürfte es allerdings bald wieder zur üblichen Papstschelte kommen, wie sie aus Ratzinger-Jahren bekannt ist.

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