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Aus 2017 gelernt

Nach der ersten Sondierung: Eine „historische“ grün-gelbe Pressekonferenz – ohne Inhalte

01.10.2021

| Lesedauer: 2 Minuten
Nach ihrem Sondierungstreffen treten Annalena Baerbock, Robert Habeck und Christian Lindner vor die aufgeregte Journalistenschar und verkünden so gut wie nichts außer Phrasen. Also beste Voraussetzungen für eine gemeinsame Regierung.

Wenn die Grünen in diesem Jahr eines besonders gut gemeistert haben, dann ist es die Platzierung ihrer führenden Köpfe vor den entscheidenden Kameras. Zwei Parteivorsitzende zu haben und eine davon als „Kanzlerkandidatin“ auszugeben, hat sich schon im Triell ausgezahlt, wo Annalena Baerbock stets im Zentrum stand und sich die beiden anderen buchstäblich um sie drehen mussten.

Und mit derselben schlauen Masche machen die Grünen auch jetzt weiter: Nach dem heutigen Sondierungstreffen traten mit Robert Habeck und Annalena Baerbock zwei Grüne vor die aufgeregt wartende Journalisten- und Fotografenschar, aber mit Christian Lindner nur ein FDPler. So hatten die Grünen wieder rund zwei Drittel der Bildschirmzeit für sich, die FDP nur ein Drittel.

[inner_post 1] Was alle drei zu sagen hatten, war ein schönes Aufgebot an Phrasen. Aber um sachliche Informationen geht es bei solch einer Gelegenheit auch gar nicht, sondern um die Bilder, beziehungsweise die Emotionen, die sie auslösen sollen. Also waren politische Sprechblasen fällig wie: „Neu“ in allen möglichen Spielarten und „Aufbruch“. Klar, nach 16 Jahren mit derselben Kanzlerin liegt das nahe. Auch wenn sich die Deutschen in jenen Jahren wahrlich nicht über einen Mangel an Neuem beschweren konnten.

Schnellsprecherin Baerbock, die den Anfang machte, behauptete einen „Auftrag“, den die Wahlen „uns allen“ gegeben hätten. Das sei „ein historischer Moment für unsere Gesellschaft, für unser Land, weil es eine Politik voraussetzt, die sich nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner ausrichtet, sondern für einen wirklichen Aufbruch, für eine wirkliche Erneuerung in dieser Gesellschaft sorgt, bei den großen Zukunftsaufgaben in diesem Land, wo es über Jahre Stillstand gegeben hat, jetzt einen Aufbruch gemeinsam…“ Und so weiter. Habeck sprach auch von einem „geschichtlichen Bewusstsein“.

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Ähnlich phrasenhaft dann Lindner, der behauptete, die Wahl sei eine Zäsur, die Menschen hätten sich „gegen den Status Quo entschieden“. Was nicht so ganz stimmt, die Große Koalition hätte schließlich weiter eine Mehrheit im Bundestag. Er sprach von einer „neuen Situation, in der vieles in unserem Land neu begründet und gegründet werden kann“. Und auch er behauptet – so hölzern formulierte er lange nicht – man fühle sich „gemeinsam beauftragt, einen neuen Aufbruch zu organisieren“. Und: „Die Art und Weise, wie wir sprechen, könnte auch schon eine Botschaft, ein Erneuerungsversprechen sein.“ Und Habeck lobte dann auch noch den Aufbau einer „Gesprächskultur“.

Die eigentliche Botschaft der Drei: Wir verstehen uns gut. Habeck sagte bildlich: „Wenn man die Schraube schräg ansetzt, wird sie nie wieder gerade. Diese Schraube ist jedenfalls in den ersten Tagen sehr gerade eingesetzt worden.“

[inner_post 2] Und die ebenso deutliche zweite Botschaft war ein demonstratives Schweigen. Baerbock: „Wir haben ja gerade deutlich gemacht, dass sich 2017 nicht wiederholen soll, das heißt, dass per Liveticker aus vertraulichen Gesprächen berichtet wird.“ Natürlich fragten die Journalisten trotzdem weiter. Und wieder sagte ausgerechnet die Viel- und Schnellsprecherin Baerbock: „Wir sind heute schmalllippig.“

Die öffentliche Inszenierung der vertrauten Verschwiegenheit, die schon in dem gemeinsam veröffentlichten Selfie vom Dienstag zum Ausdruck kam, scheint bei Grünen und Gelben als Voraussetzung des Erfolgs und der Dominanz gegenüber dem Dritten im Bunde (der den Kanzler stellen soll) ausgemacht worden zu sein. Ob sie das durchhalten, wenn es um sach-, aber vor allem, wenn es um personalpolitische Fragen geht, über die auch Politiker mitreden, die weniger schmalllippig sind, ist nicht ausgemacht.

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