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Partner einer "Mini-Kenia-Koalition"?

Es grünt so grün, wenn Merzens Blütenträume blüh’n

12.03.2025

| Lesedauer: 4 Minuten
Nun also sitzen die Grünen mit am Verhandlungstisch von drei Verlierern – und treiben den Preis hoch. Merz macht den Grünen Avancen, selbst das stellt er alles andere als clever an. Er ist nicht mehr der Gastgeber bei den Verhandlungen, sondern selber Gast. Genosse Günther gibt derweil den Verkuppler in Richtung Grün und Links-Partei.

Alle Welt kennt den Ohrwurm aus dem Musical „My Fair Lady“: „Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blüh’n.“ Umgedichtet auf „Merzens Blütenträume“ wird diese Liedzeile allerdings kein Ohrwurm, sondern allenfalls ein ephemerer Abgesang eines Kanzlerkandidaten werden.

Viele der 28,5-Prozent-Unionswählerschaft müssen sich die Augen reiben. Andere, die früher Union gewählt hatten, blieben zu Hause oder machten als konservative Wähler ihr Kreuzchen bei der AfD: bei einer Partei, die Merz halbieren wollte, aber am Ende „dank“ Brandmauer von 10,4 Prozent (2021) auf 20,8 Prozent (2025) exakt verdoppelte. Und dabei eben selbst nur 28,5 Prozent für die Union einheimste – ein desaströses Ergebnis angesichts von drei desaströsen „Ampel“-Jahren.

[inner_post 1] Nun also braucht Merz für seine Pläne und für das gebrochene Versprechen, dass die Schuldenbremse unangetastet bleibe, die von 14,7 auf 11,6 Prozent gestutzten „Grünen“. Die ja wahrscheinlich – frei nach Habeck – gar nicht verloren haben, sondern einfach nicht mehr so häufig gewählt wurden. Und nun trotzdem mitmischen können. Merz nämlich braucht für den Bruch seiner vollmundigen Versprechen also die „Grünen“, um der SPD für die schwarz-rote Zweckehe sozialpolitische Morgengaben vor die Haustür legen zu können. Jedenfalls scheint da ein 28,0-Prozent-Schwanz (SPD 16,4 + Grün 11,6) mit dem 28,5-CDU/CSU-Hündchen zu wackeln. Auf Augenhöhe zuzusagen.

„Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“ Das soll Konrad Adenauer gesagt haben. Aber das war ein anderes Kaliber als Merz. Ja, es war offenbar Wahlkampf-Geschwätz des Friedrich Merz – mit deftigen Etiketten gegen die „Grünen“ vorgetragen. Noch zum Wahlkampfabschluss sagte Merz in München: Er werde wieder Politik für die Mehrheit der Bevölkerung machen, die gerade denke und „alle Tassen im Schrank“ habe – und nicht „für irgendwelche grünen und linken Spinner auf dieser Welt“. Söder assistierte: „Mit der CSU wird es Schwarz-Grün nicht geben … Mit mir geht Schwarz-Grün nicht, da kann sich auch jeder darauf verlassen … Schwarz-Grün? Ein ‚No-Go.‘“

Winkt da informell ein Kenia-Klüngel?

Nun also sitzen die „grünen“ 11,6-Prozent-Verlierer de facto mit am Verhandlungstisch von drei Verlierern. Klar, die „Grünen“ sind beleidigt, zieren sich und lassen sich betteln. Sie lassen es Merz spüren, treiben den Preis hoch und sind schier Koalitionspartner einer Art Mini-Kenia-Koalition. Merz macht den „Grünen“ Avancen. Und selbst das stellt er alles andere als clever an. Er ist nicht mehr der Gastgeber bei den Verhandlungen, sondern nun selber Gast bei den „Grünen“.

Beim Treffen am Montagabend, 11. März, in den Fraktionsräumen der Grünen zwischen Friedrich Merz, Alexander Dobrindt, Lars Klingbeil, Saskia Esken, Britta Haßelmann und Katharina Dröge soll es recht „konstruktiv“ zugegangen sein. Die Atmosphäre soll gut gewesen sein, insbesondere Dobrindt, der die Grünen stets hart attackiert hatte, soll verträglich gewesen sein. Er blieb noch auf eine Plauderei mit Dröge und Haßelmann. Die Treffen würden fortgesetzt, so hieß es, allerdings wurde über Ort und Zeit Stillschweigen vereinbart. Bereits am 10. März hatte Merz in die Mikrophone gesagt: „Vieles von dem, was wir vorschlagen, um nicht zu sagen fast alles, wurde von den Grünen schon einmal vorgetragen.“ Mehr Kotau geht nicht.

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Und dann führt Merz einen Teil der Verhandlungen mit den „Grünen“ auch noch über Anrufbeantworter (AB). Es wirkt fast wie ein Akt von Torschlusspanik. Eigentlich gehört es zum kleinen Einmaleins bei brisanten Verhandlungen, dass man erst einmal nichts Vertrauliches oder Trickreiches hinterlässt, was sich so einfach durchstechen, also multiplizieren lässt: zum Beispiel eine E-Mail oder eine AB-Nachricht. Merz aber bequatscht die „grüne“ Fraktions-Co-Vorsitzende Haßelmann auf dem AB. Während diese einen Waldspaziergang macht, bietet Merz den „Grünen“ auf AB an, doch noch ein bisschen was von „Klimaschutz“ in die schwarz-roten Verhandlungen einzubringen.

Die „grüne“ Spitze amüsiert sich öffentlich über dieses AB-Angebot und fordert gleich noch mehr: zum Beispiel, dass die staatliche Förderung der NGOs ins Grundgesetz aufgenommen werde. Linke Kumpanei soll also Verfassungsrang erhalten. Auch hier ist dem CDU-Vorsitzenden nicht über den Weg zu trauen. Immerhin fällt auf, dass von den 551 Fragen, die die CDU/CSU-Fraktion an die noch amtierende Rest-„Ampel“ gestellt hat, kaum noch die Rede ist. Damit wollte die CDU/CSU-Fraktion aufgeklärt haben, welche linken Vorfeldorganisationen Staatsknete bekommen.

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Merz will nun jedenfalls die linken und grünen „Spinner“ kaufen, damit er Kanzler wird.

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Und dann kommt Genosse Günther um die Ecke

Schleswig-Holsteins CDU-Ministerpräsident Daniel Günther hält einen Kompromiss mit den Grünen bei Schuldenbremse und Sondervermögen nicht nur für möglich, sondern auch deren Forderungen für richtig. In „Berlin.Table“ sagte er am Morgen des 12. März: „Ich halte alle Forderungen, die jetzt von den Grünen gekommen sind, für absolut nachvollziehbar und auch nicht im Widerspruch zur Positionierung der Union.“ Der Klimaschutz komme bisher in dem Sondierungspapier von Union und SPD bei dem geplanten 500 Milliarden Euro umfassenden Sondervermögen für die Infrastruktur nicht vor. „Klimaschutz und Klimafolgenanpassung sind Themen, wo ich es absolut richtig finde, jetzt darüber zu sprechen, ob das nicht auch in diesen Katalog mit aufgenommen werden muss.“

[inner_post 2] Günther weiter: „In der Tat hätte man manches kommunikativ in den letzten Tagen und Wochen besser machen können, um schneller zueinander zu kommen.“ Günther meinte auch, dass die CDU für die grundlegende Reform der Schuldenbremse bald auch Gespräche mit der Linkspartei führen müsse. Hintergrund: Im neuen Bundestag ist eine Zweidrittel-Mehrheit nur entweder mit der Linkspartei oder mit der AfD möglich. Zwar sei es richtig, deutlich zu machen, dass die Linkspartei für die Union „nicht ein normaler Ansprechpartner für Regierungsbildung ist“, aber für eine Grundgesetzänderung müsse man nun mit den Linken reden, so „Genosse Günther“, der sich diesen Namen eingehandelt hatte, als er bereits vor Jahren ostdeutsche CDU-Verbände aufgefordert hatte, doch auch mit der „Links“-Partei Koalitionen einzugehen.

Am Donnerstag, 13. März, nun sind die Gesetzentwürfe für die Reform der Schuldenbremse und das Sondervermögen im „alten, abgewählten Bundestag“ für die erste Lesung angesetzt. Da kommt es noch nicht auf die Stimmen der Grünen an, die Gesetzentwürfe können mit einfacher Mehrheit aus Union und SPD in den Ausschuss überwiesen werden. Die Zweidrittelmehrheit müsste erst in der kommenden Woche stehen. Vorausgesetzt, das von der AfD qua Eilantrag bemühte Bundesverfassungsgericht spielt – was allerdings zu erwarten ist – mit.


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