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Atomausstieg sei richtig gewesen

Merkel stellt sich der Realität: Atomkraft gilt in der EU bald als nachhaltig

17.11.2021

| Lesedauer: 2 Minuten
In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters muss die Noch-Kanzlerin eingestehen, dass die Subvention der Kernenergie durch die EU und ihre Einstufung als „nachhaltig“ kaum abzuwenden sei. Ihre Entscheidung, aus der Kernenergie auszusteigen, verteidigt die Physikerin weiterhin.

Die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel hat eingeräumt, dass eine Subvention von Atomenergie durch die Europäische Union nicht mehr aufzuhalten sei. Der Vorschlag, die Kernenergie offiziell als nachhaltig anzuerkennen, könne nur abgelehnt werden, wenn 20 EU-Mitgliedsstaaten dagegen stimmten. „Das ist eine sehr hohe Hürde und ist voraussichtlich nicht der Fall“, sagte die Kanzlerin. „Das Verfahren an sich kann nur schwer wieder aufgehalten werden, wenn die EU-Kommission etwas vorlegt.“

Merkel betonte, dass Deutschland seinen Widerstand gegen die Regelung „nicht aufgegeben“ habe. „Der deutsche Ausstieg aus der Atomenergie war richtig“, so die Kanzlerin. Ein weltweites Revival sehe sie skeptisch. Die privaten Investitionen in Kernkraftwerke seien weltweit begrenzt. „Bei den im Bau befindlichen Reaktoren gibt es häufig deutliche Kostensteigerungen und starke zeitliche Verzögerungen“, fügte sie hinzu. Die Frage nach dem Verbleib radioaktiver Abfälle sei nicht geklärt. „Und die Kilowattstunden-Preise für die Kernenergie werden bestimmt nicht geringer sein als die Kilowattstunde-Preise für Offshore-Windenergie.“

Neuerlich betonte die scheidende Regierungschefin die zentrale Rolle von Erdgas für die deutsche Energiezukunft. „Wir sagen, dass für uns Erdgas als Brückentechnologie klassifiziert werden muss“, sagte sie im Hinblick auf die französische Ansicht, dass die Kernkraft eine Brückentechnologie sei. Deutschland betrachte Atomenergie nicht als „gleichrangig sauber“ wie die Energiegewinnung aus Sonne und Wind. „Es stimmt natürlich, dass wir jetzt die sehr ambitionierte und herausfordernde Aufgabe haben, mit dem Ausstieg aus Kohle und Kernenergie die Energiewende zu schaffen“, sagte Merkel. „Aber es stimmt auch, dass es sich für unser Land auch auszahlen wird, wenn wir es richtig machen.“

Merkel hatte den Ausstieg 2011 unter dem Eindruck der Landtagswahlen in Baden-Württemberg forciert. Nach dem Tōhoku-Erdbeben in Japan war es zu einer Havarie im Kernkraftwerk von Fukushima gekommen, die Grünen drohten das schwarze Stammland zu gewinnen. Merkel verkündete daher den Ausstieg Deutschlands aus der Kernenergie, auch angesichts internationaler Tendenzen, den eigenen Kraftwerksbetrieb zu prüfen. Bis Ende 2022 soll das letzte deutsche Kernkraftwerk vom Netz gehen.

Während Deutschland sich für den Ausstieg entschieden hat, haben andere Länder – allen voran Japan – die Überlegungen wieder begraben. Auch Schweden, das einen Ausstieg aus der Kernkraft plante, hat diesen mittlerweile auf unbestimmte Zeit verschoben. International gibt es in mehreren Ländern Überlegungen, die Kernkraft wieder auszubauen oder in diese einzusteigen, so etwa in Italien. Die Trendwende hatte auch auf EU-Ebene Konsequenzen. Paris gilt als konsequenter Antreiber einer atomenergiefreundlichen EU. Frankreich unterhält 56 Reaktoren, die 70 Prozent des französischen Stroms produzieren. Präsident Emmanuel Macron hat kürzlich weitere Großinvestitionen in neue Reaktortypen angekündigt.

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