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Mercedes und BMW

Die sehr große Ernüchterung beim E-Auto

15.05.2024

| Lesedauer: 3 Minuten
Mehr als die Hälfte aller Deutschen bereuen ihren E-Auto-Kauf. Mercedes schafft seine E-Auto-Plattform ab, und der BMW-Chef geißelt die Naivität des Verbrenner-Verbots. Dass sich etwas in Sachen Verkehrswende tut, zeigt der Alarmismus derjenigen, die an ihr verdienen wollen.

Die Agora Verkehrswende schlägt Alarm. Scheitert die Verkehrswende, dann könnte das Deutschland 9,7 Billionen Euro kosten. Daher müsse so schnell wie möglich gehandelt werden. Denn: Je länger sich der Umstieg verzögert, desto teurer wird es für die Deutschen. Nicht erst für 2035, sondern schon für 2025 postuliert sie ein Klimaschutz-Programm, damit noch einmal klar wird, dass jeder Aufschub eine Katastrophe ist. Denn die 9,7 Billionen enthalten auch theoretische Kosten für entstandene Klimaschäden. Sieht größer aus und wirkt damit effektiver.

[inner_post 1] Der Alarmismus kommt nicht von ungefähr. Selbst das magische Jahr 2035, ab dem der Verbrennungsmotor verschwinden soll, hat seinen Nimbus verloren. Denn die Zeichen mehren sich, dass derzeit auf den Eisenbahnschienen der grünen Transformation etwas schiefläuft. Dass in Brüssel die Zweifel größer werden, ob das Verbot in der Form wie angedacht kommt. Die USA haben ihre Verkehrswende vorerst verschoben – es bleibt abzuwarten, was davon nach dem Wahlkampf übrigbleibt.

Derweil schaffen Markt und Unternehmen Fakten. Das E-Auto-Geschäft ist eingebrochen. Laut einer YouGov-Umfrage bereut mehr als die Hälfte aller Deutschen, ihr Elektroauto gekauft oder geleast zu haben. Und während die PKW-Zulassungen im April gegenüber dem Vorjahr um rund 20 Prozent stiegen, gingen die E-Auto-Zulassungen um 0,2 Prozent zurück. Deutliche Anstiege verzeichneten Hybrid-Fahrzeuge.

Fast schicksalhaft mutet es da an, dass Mercedes in dieser Woche für Furore sorgte. Wegen zu hoher Kosten schafft der Konzern die E-Auto-Plattform „MB.EA-Large“ ab. Laut Handelsblatt seien zu hohe Kosten und eine zu geringe Nachfrage der Hauptgrund gewesen. Dieser Zug soll Milliardenbeträge im mittleren einstelligen Bereich einsparen. Medien bewerten das als Eingeständnis, dass die „Electric-only“-Strategie des Autoherstellers gefloppt sei. Die hatte Firmenchef Ola Källenius 2021 ausgegeben.

[inner_post 2] Källenius ruderte jüngst zurück: „In den kommenden Jahren wird es beides geben: Elektroautos und hochmoderne, elektrifizierte Verbrenner.“ Die „Transformation“ werde mehr Zeit in Anspruch nehmen. Mercedes hat die Krise der E-Auto-Branche am eigenen Leib gespürt: im ersten Quartal 2024 brachen die Verkäufe bei vollelektrischen Vehikeln um 8 Prozent ein.

BMW hat bekanntlich schon länger einen anderen Kurs eingeschlagen. Jetzt, da die Elektrofront bei einem Hauptmitbewerber bröckelt, legt BMW-Chef Oliver Zipse nach. In der Frankfurter Sonntagszeitung verurteilt er das Verbrenner-Verbot scharf: „Aus unserer Sicht war schon die Einführung dieses Verbots naiv.“ BMW habe den Schritt von Anfang an kritisiert und dafür heftigen Gegenwind bekommen. Nun aber würden sich bei vielen „die Augen öffnen“.

„Mit dem Aus im Jahr 2035 ist eine gesamte Industrie erpressbar geworden“, so Zipse weiter. „Jeder internationale Wettbewerber, jeder Lieferant weiß: Die sind abhängig von einer einzigen Technologie. Damit hebeln Sie Marktmechanismen aus und machen zum Beispiel die dafür benötigten Rohstoffe deutlich teurer.“ Während Verbrennungsmotoren komplett in Europa hergestellt werden könnten, seien die meisten Batterierohstoffe nur im Ausland verfügbar. Zipse geht von einer Halbierung der Wertschöpfung der Automobilindustrie aus, sollte die jetzige EU-Regelung bestehen bleiben.

[inner_post 3] Nicht, dass man all dies vor Jahren hätte wissen können. Doch zur Verkehrswende gehören eben nicht nur die EU-Kommission, sondern auch zahlreiche Hersteller selbst, die nicht gegen den E-Auto-Durchmarsch opponierten, sondern darauf hofften, selbst an Regulierungen und Förderungen verdienen zu können. Insbesondere Volkswagen hatte den absurden Traum, wie in der Vergangenheit Autos in China herzustellen, um diese den Chinesen zu verkaufen – nun eben auch E-Autos, mitsubventioniert von nationalen und supranationalen Mitteln.

Dass China aber nicht auf ewig ein billiger Standort für die eigene ausgelagerte Industrie bleiben würde, sondern Konkurrenzmarken entwickeln könnte, die dank der chinesischen Staatswirtschaft über de facto Kolonien ihre Rohstoffe auf direktem Weg erhalten – diese Erkenntnis hatte die Profitgier komplett vernebelt. Das dürfte nicht nur bei VW geschehen sein. Es blieb nur noch die Hoffnung auf den europäischen und heimischen Markt, um die nun überflüssigen E-Autos wenigstens dort abzusetzen. Im Zweifel auch mit Staates Hilfe. Bedenken innerhalb der VW-Leitung wurden abgebügelt oder ignoriert.

BMW und nun auch Mercedes scheinen diese Sackgasse erkannt zu haben. Das E-Auto wird nicht aus der Sparte verschwinden, aber es wird nur eine Kategorie im Autokatalog sein. So denn Konzerne und EU noch etwas mehr „die Augen öffnen“ und die realen Umstände erkennen. Andere können sich so lange noch an den Gruselgeschichten der Agora ergötzen.

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