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Meloni im Thatcher-Modus

Italien will das Bürgergeld abschaffen: Was wirklich dahinter steckt

02.08.2023

| Lesedauer: 2 Minuten
Plötzlich ist die Abschaffung des italienischen Bürgergeldes auch in Deutschland ein Thema. Doch die eigentlichen Absichten Roms bleiben dabei im Dunkeln. Was Giorgia Meloni wirklich vorhat, geht deutlich tiefer.

Plötzlich ist das italienische Bürgergeld auch in deutschen Zeitungen ein Thema. Nicht so sehr, weil die Thematik Anlass wäre, über gescheiterte Experimente zu sprechen. Das könnte schlechte Werbung für das deutsche Bürgergeld sein. Bekanntlich wird man ja auch bei der Umstellung auf die Wärmepumpe nördlich der Alpen alles anders und besser machen als südlich der Alpen. Anlass für die Berichterstattung sind eher die Unruhen.

In Neapel wurden 160.000 Haushalte über die Kürzung informiert. In der Folge kam es zu Protesten. Gewerkschaften haben zu Demonstrationen aufgerufen. In Induno Olona (Provinz Varese) drückte ein Graffito den Groll aus: „Meloni, du wirst für das Bürgergeld sterben!“ In Sizilien soll ein arbeitsloser Mann in das Rathaus eingedrungen sein und Benzin vergossen haben, unter der Drohung, alles anzuzünden.

Dabei war das Ende des Bürgergeldes schon lange absehbar. TE berichtete schon im letzten Jahr darüber und hat die Thematik mehrfach aufgegriffen. Zwar hat die Benachrichtigung per SMS Unmut geschürt, aber die Entwicklung war alles andere als überraschend. Das Belpaese spricht seit Monaten über die Zukunft des Sozialstaates, und die gedemütigte Linke versucht in diesem Prozess nach den letzten Strohhalmen zu greifen. Man will Meloni das Etikett der italienischen Maggie Thatcher anheften und hält es für eine Diffamierung.

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Auffällig ist die ideologische Auseinandersetzung, obwohl das italienische Bürgergeld mehr ein Experiment denn eine Institution war. Der reddito di cittadinanza ist erst seit vier Jahren in Kraft, aber die Bezieher verteidigen es bereits wie ein verbürgtes Grundrecht. Diese Gefahr hat Rom erkannt. Das Mitte-Rechts-Bündnis hat deshalb schon im Wahlkampf seine Absichten deutlich gemacht. Denn je länger das Bürgergeld bleibt, umso schwerer wird es, dieses wieder einzukassieren.

Drei strategische Ziele liegen der derzeitigen Kürzung und anschließenden Abschaffung zugrunde. Am stärksten zeigt sich derzeit, dass der von 2018 bis 2022 regierende Movimento 5 stelle (Fünf-Sterne-Bewgeung) sich mit dem Grundeinkommen eine Wählerschicht erschließen wollte, die ihm als Stammklientel in der Zukunft Stimmen sichern würde. Der Konflikt um das Bürgergeld zeigt, wie sehr diese Rechnung aufgeht. Ex-Premier Giuseppe Conte, der für die Einführung verantwortlich war, zelebriert sich logischerweise als weißer Ritter und Verteidiger der Armen und Bedrängten. Dabei ist der Teufelskreis absehbar: je mehr Empfänger, umso mehr Wähler für die Sterne.

Der nächste Punkt betrifft den Rückbau des Sozialstaates angesichts der italienischen Haushaltsprobleme. Die Überschuldung des Landes muss hier nicht ausgebreitet werden. Die Vorgängerregierungen begnügten sich damit, durch die Einführungen von Steuern und Sonderzahlungen das Staatssäckel zu füllen, was jedoch nur den Unmut und die notorische Steuerunterschlagung verschärfte. Melonis Regierung setzt nun eher darauf, die Staatsausgaben zu senken. Das ist nicht ideologischen Überlegungen, sondern der Notwendigkeit geschuldet.

Das Ende des Bürgergeldes ist aber vermutlich nur ein Auftakt, um den italienischen Sozialstaat weiter zu beschneiden. Denn das eigentliche Ziel dürfte sein, das süße Nichtstun nicht nur für einheimische „lazzaroni“ (Faulenzer) unattraktiv zu machen. Die unausgesprochene Devise lautet, dass Italien auch für Migranten keine attraktive Adresse mehr sein sollte. Statt großangelegter „Remigrationsprojekte“ setzt man darauf, dass Migranten wegen geringer Aussichten auf staatliche Gelder fernbleiben – oder gar nicht erst ins Land kommen.

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