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Rede zur EU-Ratspräsidentschaft

Macron führt vor dem EU-Parlament seinen linksgestrickten Wahlkampf

19.01.2022

| Lesedauer: 3 Minuten
Mit einer ganzen Reihe linker Projekte für die französische EU-Ratspräsidentschaft – von Frauenquoten und Abtreibungsrecht bis zu lockeren Schuldenregeln – hat Präsident Macron vor dem Europäischen Parlament die Trommel zu seiner Wiederwahl gerührt.

Am 1. Januar 2022 hat Frankreich turnusgemäß für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. In diese sechs Monate fällt auch die Wahl des Präsidenten der Französischen Republik am 10. April oder spätestens bei einer Stichwahl am 24. April. So war offensichtlich die Rede des Amtsinhabers Emmanuel Macron am heutigen Mittwoch vor dem Europaparlament in Straßburg auch nicht nur als Präsentation seiner europäischen Vorhaben, sondern auch als Rede für den innerfranzösischen Wahlkampf zu begreifen.

Eher innenpolitisch mit Blick auf französische Wählerinnen gedacht hat Macron vermutlich, als er sich in seiner Rede für eine Frauenquote in Unternehmensvorständen einsetzte. Frankreich, so Macron, werde im Rahmen seines EU-Ratsvorsitzes starke Schritte unternehmen, um die Einkommens-Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen zu reduzieren und um gegen jede Form der Diskriminierung vorzugehen. 

Außerdem will sich Macron für einen europäischen Mindestlohn und mehr Rechte für Angestellte von digitalen Plattformen einsetzen.

[inner_post 1] Ferner schlug Macron vor, den Umweltschutz und das Recht auf Abtreibung als EU-Grundrechte zu definieren. Die Charta müsse aktualisiert werden. Wörtlich: „um ausdrücklich auf den Schutz der Umwelt und das Recht auf Abtreibung einzugehen“. Schon ein eigenartiges Junktim! Abtreibung etwa als Umweltschutz? Ja, es gibt Leute, die so ticken! Bei den Linken und Liberalen im Parlament wird Macron damit Zustimmung gefunden haben, ebenso bei der deutschen „Ampel“, die ja das Verbot von Werbung für Abtreibung (§ 219a Strafgesetzbuch StGB) lockern will. Keine Freude dürfte Macron mit diesen Vorstellungen ausgelöst haben unter anderem bei der polnischen und ungarischen Regierung. Und auch nicht bei der soeben neu gewählten Parlamentspräsidentin Roberta Metsola aus Malta. Diese gilt dezidiert als Gegnerin von Schwangerschaftsabbrüchen.

Gefallen wird Macron bei den Linken Europas auch gefunden haben mit seiner vorab bereits lancierten Idee einer Reform der Schuldenregeln. Die Reform der strengen Schuldenregeln solle ein Kernprojekt seiner Ratspräsidentschaft sein. Reform, damit ist gemeint: Lockerung der Grenzen für die Neuverschuldung. Frankreichs Präsident will, dass Investitionen in Digitales und in den grünen Umbau der Wirtschaft nicht mehr auf die Drei-Prozent-Grenze beim Defizit angerechnet werden. Da bricht bei Macron wieder der vormalige Sozialist durch, der im Staat den besten Wirtschaftslenker sieht.

Ansonsten „ritt“ Macron sein sicherheitspolitisches Steckenpferd: Er ist für eine „strategische Wiederaufrüstung des Kontinents“. Macron wünscht sich eine neue Sicherheitsordnung in Europa. Dazu zähle insbesondere der Dialog mit Russland. Zum Beispiel im Zusammenhang mit der Ukraine eine Neubelebung des sogenannten Normandie-Formats.

[inner_post 2] Macron will „strategische Autonomie“. Im Zentrum soll eine schnell einsetzbare Eingreiftruppe von 5000 Soldaten aus den unterschiedlichen EU-Mitgliedsländern stehen. Auf dem Papier gibt es die Truppe zwar schon, aber eben nur auf dem Papier. Dass Macron der NATO nicht traut, hat er nicht gesagt, zumindest aktuell nicht. Vor Kurzem erst hatte er freilich die NATO für scheintot erklärt und eine Europa-Armee gefordert. Wie das alles laufen soll ohne Großbritannien und vor allem ohne die USA, ließ Macron immer schon offen. Hier sollte Macron auf dem Teppich bleiben und statt einer Europa-Armee eine Armee der Europäer als engeren Zusammenschluss der Streitkräfte souveräner Staaten anstreben. Das Mantra einer europäischen Armee sollte er unterlassen. Auch um der deutschen Verfassungslage willen. Denn: Mit einer Europaarmee stünde der deutsche Parlamentsvorbehalt auf dem Spiel.

Wenig hat Macron zu einem der brisantesten Themen Europas gesagt: der ungeregelten Zuwanderung. Mit Blick auf die „Herausforderung der Sicherheit“ strebt er danach, „die Kontrolle über die Grenzen und unseren Raum zurückzugewinnen“. Und zwar durch die Reform des Schengen-Raums als „Bedingung eines ursprünglichen Raums der Freizügigkeit“. Er möchte auch „auf eine gemeinsame Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten hinwirken“ und „Partnerschaften mit den Herkunfts- und Transitländern aufbauen“. Und dann sagt Macron noch den halbwegs markanten Satz: Es gehe um den „Aufbau einer effektiveren Politik, die unsere Grundsätze zur Bekämpfung der irregulären Einwanderung respektiert“.

Das war’s dann schon.


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