<
>
Die ultimative Gretchenfrage für die CDU/CSU

Links-Ideologin als Verfassungsrichterin?

04.07.2025

| Lesedauer: 4 Minuten
Am 10. Juli werden drei Verfassungsrichter neu gewählt. Unter den Kandidaten: Frauke Brosius-Gersdorf. Eine Ideologin, deren Ansichten dem Grundgesetz teils klar widersprechen. Aus der Union regt sich Kritik, aber wird sie am Ende doch wieder einknicken?

„Links ist vorbei“, sagte der damalige Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) noch einen Tag vor der Bundestagswahl vom 23. Februar 2025. Laut Wahlergebnis wäre das auch der Fall gewesen, denn CDU/CSU und AfD errangen zusammen 49,4 Prozent, die anderen im Bundestag vertretenen Parteien (SPD, Grüne, Linke) 36,8 Prozent. 360 der insgesamt 630 Sitze hätte eine Unions-/AfD-Koalition im Bundestag – also 57,1 Prozent.

Links war aber schon am 6. Mai 2025 nicht mehr vorbei. An diesem Tag stellte sich nämlich heraus, dass die CDU/CSU-Brandmauer semi-permeabel ist: schier phobisch undurchlässig nach rechts, ziemlich offen nach links. Denn den zweiten Wahlgang zur Bundeskanzlerwahl gab es an jenem Tag nur, weil die SED-Nachfolgepartei bei der Änderung der Regeln mitmachte.

Es blieb nicht das erste und letzte Mal, dass sich Merz in der erst 60 Tage währenden Kanzlerschaft vor allem von der 16,4-Prozentpartei SPD am Nasenring durch die Manege ziehen ließ – wiewohl Merz nicht zu Unrecht im Zusammenhang mit der Frage nach der Regenbogenfahne auf dem Reichstag meinte, das Parlament sei kein Zirkuszelt.

Die ultralinke Bewerbungsmappe der SPD-Favoritin

Nun also steht – längst überfällig – am 10. Juli die Wahl von drei Verfassungsrichtern an. TE hat die drei Aspiranten bereits kurz beschrieben:

Auf Vorschlag von CDU/CSU steht für den Ersten Senat Günter Spinner (53) zur Wahl. Er ist Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht (BAG). SPD-Vorschlag Ann-Katrin Kaufhold (49) ist Rechtsprofessorin an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Schülerin von Andreas Voßkuhle, der bis 2020 Präsident des Bundesverfassungsgerichts war. Und dann ist da, ebenfalls auf Vorschlag der SPD, Frauke Brosius-Gersdorf (54): Sie ist Rechtsprofessorin in Potsdam und könnte eines Tages Vizepräsidentin und gar Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts werden. Die Wahl zur Vizepräsidentin erfolgt in einem weiteren Wahlakt, für den der Bundesrat zuständig ist. Die nächste Sitzung des Bundesrats ist bereits am 11. Juli.

Nachgereicht sei, dass Merz mit der Nominierung von Günter Spinner bereits ein erstes Mal eingeknickt ist. Denn ursprünglich sollte 2024 Robert Seegmüller vom Bundesverwaltungsgericht Verfassungsrichter werden. Doch Merz zog ihn zurück, weil Rote und Grüne gegen Seegmüllers migrationskritische Positionierung polterten und die für die Wahl notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit nicht erreicht worden wäre.

Nun also geht es um eine Mehrheit für die extrem umstrittene Professorin (eigentlich: Ideologie-Aktivistin) Frauke Brosius-Gersdorf, die auf SPD-Ticket antritt.

Ihre „Bewerbungsmappe“ ist eigentlich eher tauglich als Marschgepäck für die Bewerbung um einen Co-Vorsitz bei der SPD, den Grünen, den Linken oder dem BSW, aber nicht für Deutschlands oberstes Gericht. Als extrem links hat sich Brosius-Gersdorf nämlich mindestens viermal empfohlen:

Bereits vor Jahresfrist plädierte sie für ein Verbot der AfD. Pikanterweise wäre sie als (befangene!) Vorsitzende des Zweiten Senats in Karlsruhe für ein Verbotsverfahren zuständig. So durchsichtig hat sich die SPD das vorgestellt. Sie setzt sich zudem dafür ein, dass Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland künftig nicht mehr grundsätzlich strafbar sein sollten. Es gebe „gute Gründe“ dafür, dass die Menschenwürde „erst für den Menschen ab Geburt“ gelte. Im Klartext: Abtreibung bis unmittelbar vor der Geburt!

Während der Corona-Krise war Brosius-Gersdorf für eine allgemeine Pflicht zur Impfung gegen das Coronavirus. Sie argumentierte, dass eine Impfpflicht nicht gegen das Grundgesetz verstoße. „Man kann sogar darüber nachdenken, ob mittlerweile eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Einführung einer Impfpflicht besteht“, schrieb sie zusammen mit ihrem Mann Hubertus Gersdorf, der an der Universität Leipzig Staatsrecht lehrt, in einer Stellungnahme zu dem Thema.

Und selbst sprachlich will Brosius-Gersdorf das Grundgesetz umkrempeln. Das generische Maskulinum führe zu einer „gedanklichen Unterrepräsentation von Frauen“, behauptet sie. Ihre Lösung: Nicht nur das Grundgesetz, sondern gleich alle Gesetzestexte müssten „gendergerecht“ umgeschrieben werden. Dabei störe sie besonders, dass die Gesetze einem „binären Geschlechterschema verhaftet“ seien.

„Reinkarnation von Margot Honecker“?

Die „Tagespost“ schreibt zur Causa Brosius-Gersdorf am 02. Juli zu Recht: „Nach dem Selbstverständnis der Bundesrepublik Deutschland bildet die Menschenwürde aber den Dreh- und Angelpunkt der Verfassung. Wie jemand, der hier ein fundamental anderes Konzept vertritt, mit der Hütung dieser Verfassung beauftragt werden kann, erschließt sich niemandem. Darüber hinaus hat sich Brosius-Gersdorf als Zerstörerin des klassischen Familienbildes und damit des Artikels 6 des Grundgesetzes hervorgetan. Professorenkollegen sollen die 54-Jährige, so wird kolportiert, in diesem Zusammenhang bereits als „Reinkarnation von Margot Honecker“ bezeichnet haben. Fazit: Wer Frauke Brosius-Gersdorf zur Richterin am Bundesverfassungsgericht wählt, zeigt damit, dass er entweder völlig ahnungslos ist oder aber einen anderen Staat wünscht, als den, in dem wir leben.“

Was macht die Union?

Merz und Söder stehen unter Druck. Denn nicht wenige ihrer Abgeordneten halten Brosius-Gersdorf für nicht wählbar. So zu Beispiel die CDU-Bundestagsabgeordnete Saskia Ludwig.

Hier klicken, um den Inhalt von X anzuzeigen.
Erfahren Sie mehr in der Datenschutzerklärung von X.

Ihrer Kritik haben sich andere CDU/CSU-Leute namentlich oder ungenannt angeschlossen. Es wird jedenfalls spannend, denn die Wahl am 10. Juli ist geheim. Da könnten die CDU/CSU-Abgeordneten ohne Fraktionszwang wirklich ihr Gewissen – dem allein sie laut Grundgesetz verpflichtet sind – befragen.

Was also tut die Unions-Spitze? Wie immer grummeln und dann doch alles absegnen? Oder Brosius-Gersdorf ob der klammheimlichen Hoffnung auf ein AfD-Verbot in den Richtersessel nach Karlsruhe befördern?

Oder die Koalition platzen lassen, eine Minderheitsregierung installieren und Neuwahlen favorisieren? Nein, das werden Merz und Klingbeil nicht riskieren. Allerdings muss Klingbeil in seiner eigenen Partei Boden gut machen. Einknicken kann er nicht. Es sei denn, es gelingt ihm, die Kandidatin Brosius-Gersdorf zu einem Verzicht zu bewegen.

Wahrscheinlich wird es ein fauler Kompromiss: Alle „Guten“ wählen die Dame, aber sie geben zu Protokoll, dass sie damit nicht automatisch 2030 Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts wird.

Merz fährt damit einmal mehr einen Pyrrhus-Sieg ein. Die am 23. Februar erzielten 28,6 Prozent, die er als eigentlich desaströses Ergebnis einfuhr, kann er dann aber zukünftig in der Pfeife rauchen. Die AfD wird sich ins Fäustchen lachen. Sie wird sich als letzte Bastion gegen die Fortsetzung des Merkelschen und Merz’schen Linkstrends der Union und als Stimme des gesunden Menschenverstandes inszenieren können.


Unterstuetzen-Formular

WENN IHNEN DIESER ARTIKEL GEFALLEN HAT, UNTERSTÜTZEN SIE TICHYS EINBLICK. SO MACHEN SIE UNABHÄNGIGEN JOURNALISMUS MÖGLICH.

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken