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Nur eine Atempause für die PD

Italien vor nächsten sechs Regionalwahlen

von Gastautor

31.01.2020

| Lesedauer: 3 Minuten
Die „Sardinen“ sind in der Emilia-Romagna stark, weil die Linken dort stark sind – nicht andersherum.

Die Emilia-Romagna hat ihrem Ruf alle Ehre gemacht. In der Stammburg der Sozialisten und Kommunisten – es ist die Heimat von Giovannino Guareschi, dem Autor von „Don Camillo und Peppone“ – hat das linke Bündnis unter ihrem Spitzenkandidaten Stefano Bonaccini mit 51,42 Prozent gewonnen. Seine Herausforderin aus dem bürgerlichen Lager, Lucia Borgonzoni, kam auf 43,63 Prozent. Sie gehört Matteo Salvinis Lega an.

„Ich bin trotzdem zufrieden. Ich werde in Zukunft doppelt soviel arbeiten.“ Klingt so ein großer Verlierer? Folgt man dem Medienrummel, dann hat Salvini am Wochenende eine Schlappe erlitten. Von einem „Dämpfer“ gar einer „bitteren Niederlage“ las man in den deutschen Zeitungen. Es ist einer der seltenen Fälle, in denen der Verlierer seinen Stimmenanteil um 13 Prozentpunkte steigern konnte, während der vermeintliche Sieger 10 Prozentpunkte verliert. In der Hinsicht unterscheidet sich die Berichterstattung nicht sonderlich von der Interpretation hiesiger Wahlen.

Der Projektion liegt die Annahme zugrunde, dass Salvinis Sieg sicher gewesen wäre. Tatsächlich ist die Emilia-Romagna eine der beiden Herzkammern des roten Italiens – die andere ist die Toskana. Die Universitätsstadt Bologna trägt stolz den Namen „la Rossa“. Seit der Einrichtung der Region im Jahr 1970 haben durchweg Ministerpräsidenten der kommunistischen Partei und ihre Nachfolger das Heft in der Hand gehalten, deren letzte Inkarnation der Partito Democratico (PD) ist. Ein böser Spruch sagt, dass seit Mussolini kein rechter Politiker mehr hier regiert hat.

Legt man diesen Maßstab an, dann hat sich in der Po-Ebene einiges getan – und zwar zugunsten von Salvini. 2014 betrug der Abstand zwischen dem rechten und dem linken Block noch 20 Prozent – jetzt sind es etwas mehr als 6 Prozent. Im direkten Parteienvergleich liegt die Lega (31,95 Prozent) nur noch drei Punkte hinter dem PD (34,69 Prozent). In absoluten Zahlen konnte die Lega ihr Ergebnis verdreifachen: von 230.000 auf 690.000 Stimmen. Dass die gestiegene Wahlbeteiligung Salvinis Sieg verhindert habe, ist daher ein Mythos. Im Gegenteil hat dies der Lega einen Achtungserfolg ermöglicht. Auch die nationalkonservativen Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni haben ihr Wahlergebnis von 2 Prozent auf 8,5 Prozent verbessert. Die Emilia-Romagna wandelt sich von einer festen Hochburg der Linken zu einem möglichen Swing-State.

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Der eigentliche Wahlverlierer ist die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S). Sie ist über Nacht pulverisiert worden. Die größte Partei des italienischen Nationalparlaments hat in der Region zehn Prozent verloren – und rangiert bei nur noch mageren 3 Prozent. Bereits im Vorhinein war Parteichef Luigi Di Maio letzte Woche zurückgetreten. Wie lange er sich noch als Außenminister halten kann, ist fraglich. Seine Partei ist moralisch auf einem Tiefpunkt ihrer Geschichte. „Der M5S ist nicht am Ende“, sagt der kommissarische Parteichef Vito Crimi. Es soll kämpferisch wirken, erscheint aber angesichts der Daten wie ein hilfloses Aufbäumen. Ein Parteikongress, der für den 13. bis 15. März geplant ist, soll über die Zukunft des Projektes entscheiden.

Es sind Entwicklungen, die auch einen Premier Giuseppe Conte nicht kaltlassen können: denn viele Sterne sehnen sich nach einem Ende der Koalition, weil sie die ewigen Wahlniederlagen leid sind. Die Opposition könnte eine Phase der Neuorientierung und Regeneration bieten. In Rom haben bereits viele Parlamentarier ihre Fraktion verlassen. Conte bezeichnete das Ergebnis des M5S als wenig „brillant“. Eine freundliche Untertreibung.

Der PD hat demnach mit großen Verlusten seine Herrschaft verteidigt. Die Wahl kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um eine bloße Atempause handelt. Auch eine Erscheinung wie die Sardinen-Bewegung, für deren Hilfe sich PD-Parteichef Nicola Zingaretti bedankte, hat wenig daran geändert. Die „Sardinen“ sind in der Emilia-Romagna stark, weil die Linken dort stark sind – nicht andersherum.

Den Beleg dafür bietet die süditalienische Region Kalabrien, in der ebenfalls am Sonntag gewählt wurde, was aber kaum Beachtung fand. Die Stiefelspitze ist demographisch und wirtschaftlich weitaus weniger bedeutend als die Emilia-Romagna. Hier gewann das rechte Bündnis von Jole Santelli mit 55 Prozent, Filippo Callipo von der linken Liste erreichte knapp 30 Prozent. Die Wahl stand im Schatten eines Korruptionsskandals um Regionalpräsident Mario Olivari, der dem PD angehört. Das war eine Hypothek. Dass sich aber die Verhältnisse in der Region komplett umkehrten, und das linke Bündnis 30 Prozent seiner Stimmen verlor, übertraf die Erwartungen. Hier gab es keine Sardinen, die Italien vor dem Untergang retteten. Sie bekommen bei den nächsten sechs Regionalwahlen noch genügend Gelegenheit dazu.

Marco Gallina schreibt auf www.marcogallina.de

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