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Freiheit-"Sprüher?"

Freiheit wird strafbar

15.08.2021

| Lesedauer: 2 Minuten
Wie lange muss sich Sachsen noch Freistaat nennen?

Den Abbau von Demokratie, die Aufhebung der Freiheit und die Rückkehr zu geordneten Zuständen erkennt man zuverlässig daran, dass das, was gestern noch satirischer Leichtsinn war, heute bereits bitterer Staatsernst ist. Daher stammt wahrscheinlich auch die Redewendung, dass einem das Lachen vergeht, so wie die Freiheit vergeht, denn Lachen und Freiheit gehören zusammen, ganz abgesehen vom befreienden Lachen. Möglich, dass das befreiende Lachen eines Tages sogar als schwere Straftat gilt, weil es diskriminierend, spalterisch, rechts, extrem klimaschädlich, da mit vermehrten Ausstoßen von CO-2 verbunden, egoistisch, und vielleicht sogar rassistisch ist. Aber das ist noch Zukunftsmusik, bleiben wir in der Gegenwart und halten wir uns an die Fakten. Vorgestern ereignete sich nämlich folgendes, was keine Provinzposse ist, sondern vorbildhaft, zumindest ein Schritt in die richtige Richtung.

Im Artikel der Sächsischen Zeitung vom 13. August 2021 – passend zum 60. Jahrestag des Mauerbaus – heißt es unter der Überschrift „Wer hat Hinweise zu „Freiheit“-Sprühern?“:

„In Zittau, Großschönau, Oderwitz und Seifhennersdorf ist am 18. April und den folgenden Tagen auf Parkplätzen und vor Einkaufszentren das Wort „Freiheit“ aufgetaucht. Die Graffiti haben eine Größe von circa 70 mal 35 Zentimeter, die ein bislang Unbekannter mithilfe einer Schablone aufbrachte.
Das Polizeirevier Zittau sucht nun nach Zeugen und fragt, wer die Täter dabei gesehen hat. Hinweise nimmt es unter 03583 620 entgegen.“ (SZ)

Man stelle sich den brutalen Anschlag auf die Demokratie vor: das Wort „Freiheit“ ist aufgetaucht, jemand hat gewagt, das Wort Freiheit in der Öffentlichkeit zu verwenden, dass doch rechts ist, wie auch Immanuel Kants Forderung nach dem mündigen Bürger, wie der Steinmeier-Biograph Thorben Lütjen bereits vor einigen Jahren in der FAZ feststellte und stattdessen den Menschen empfahl, sich der weisen Führung der „Interpretationseliten“ anzuvertrauen, die der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer liebevoll „unsere Wahrheitssysteme“ nannte.
Der freche Verbrecher wählte für seine ruchlose Tat auch noch den 18. April aus, den Tag, an dem vor 500 Jahren auf dem Reichstag von Worms, Martin Luther nicht widerrufen und seine Freiheit verteidigt hatte – unter Berufung auf sein Gewissen. Bleibt abzuwarten, ob bei der Jagd auf die Freiheit, wachsame Menschen der Polizei zu Hilfe kommen, damit die Täter endlich bestraft werden können, am besten exemplarisch, damit niemand mehr auf die rechte Idee verfällt, das Wort Freiheit zu benutzen.

Ich kann zwar nicht die Täter benennen, aber um der Polizei im Freistaat zu Hilfe zu eilen, möchte ich darauf hinweisen, dass sich Rudimente des Wortes Freiheit im Namen des Bundeslandes Sachsen hinterlistig versteckt haben, nämlich im Wort Freistaat. Eine Hausdurchsuchung in diesem Begriff wäre durchaus sinnvoll. Vielleicht weitet die Polizei ihre Fahndung soweit aus und versucht festzustellen, wie das Frei in den Namen des Bundeslandes kam, bevor sie aufklärt, wie es auf den Parkplatz gekommen ist.


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