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Papst schasst Benedikts Vertrauten

Franziskus jagt Gänswein vom Hof

04.06.2023

| Lesedauer: 2 Minuten
Benedikts einstiger Privatsekretär, der Kurienerzbischof Georg Gänswein, muss bis zum 1. Juli die Vatikanstadt verlassen. So hat es Papst Franziskus beschlossen. Zurück geht es als Privatmann nach Freiburg. Das ist eine Demütigung – und ein Signal.

Bereits am 19. Mai berief Papst Franziskus Erzbischof Georg Gänswein in einer Audienz zu sich. Dabei eröffnete ihm der argentinische Pontifex: Gänswein, der bis zum Tode Benedikts XVI. als dessen Privatsekretär diente, müsse die Vatikanstadt bis zum 1. Juli verlassen. Dies gehe aus „hochrangigen Kirchenquellen“ hervor, so die Welt.

Im Erzbistum Freiburg, aus dem der 66 Jahre alte Gänswein stammt, weiß man nichts Näheres zur Zukunft des einst engen Vertrauten von Joseph Ratzinger. Es stimmt, dass es zu den Ritualen des Vatikans gehört, dass die Privatsekretäre einstiger Päpste Rom üblicherweise verlassen. Es stimmt allerdings auch, dass dies unter anderen Vorzeichen geschieht. Stanislaw Dziwisz, Privatsekretär von Papst Johannes Paul II., stieg zum Erzbischof von Krakau auf. Loris Capovilla, Assistent Johannes XXIII., wurde Erzbischof von Chieti.

Gänswein wird lediglich als Privatmann in die Heimat zurückgesandt. Dabei existieren offene Stellen für einen Mann im Range eines Kurienerzbischofs. Seit Monaten verbreiten sich Gerüchte, Gänswein könne einen der vakanten deutschen Bischofsstühle besetzen. Derzeit unbesetzt sind Bamberg, Osnabrück und Paderborn. Aber auch eine Stelle an einem Wallfahrtsort wäre besser gewesen als die aktuelle Situation. Die Spekulation, Gänswein könnte als Botschafter nach Costa Rica gehen, entpuppte sich als heiße Luft.

Man kommt daher nicht umhin festzustellen, dass der Papst den in Ungnade gefallenen Gänswein vom Hof jagt. Der Vorgang macht auf die Öffentlichkeit den unangenehmen Eindruck einer unehrenhaften Entlassung. Schon in der Vergangenheit hat der Argentinier Benedikts Vertrauten gedemütigt. Offenbar möchte er ein Exempel statuieren. Nicht Barmherzigkeit, sondern Autorität prägt dieses Pontifikat.

Das mag mittelfristig die unsicher werdenden Reihen schließen. Langfristig könnte es aber zu einem Phänomen kommen, wie es schon in den Fällen Burke, Müller oder Viganò zuschlug. Der Geschasste erscheint als Märtyrer. Die Frage danach, ob der Barmherzigkeitsanspruch Bergoglios nur eine Patina bildet, unter dem eine peronistisch gefärbte Wesensart ruht, stellt sich erneut. Bereits jetzt erhält Gänswein Mitleid von Seiten, die ihm zuvor skeptisch gegenüberstanden.

Zugleich sendet Franziskus ein Signal. Hätte Gänswein eine Stelle in Deutschland bekommen, wäre er augenblicklich Teil der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) geworden. Deren Verhältnis zu Rom ist seit dem Beginn des „Synodalen Weges“ angespannt. Gänswein hätte als Teil der DBK eine Gegenposition aufbauen können. Er wäre ein vatikanischer Störenfried beim deutsch-katholischen Sonderweg gewesen.

Franziskus hat eine solche Situation bewusst vermieden. Vielleicht, weil er Gänswein keine Macht und Popularität zuschanzen wollte; oder weil er den Synodalen Weg doch nicht aktiv eingrenzen will, wie es die Kurie sonst zu behaupten pflegt. Vielleicht – und so ist zu befürchten – trifft jedoch auch beides zu.


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