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Schuldenunion

EU-Gipfel: Deutschland steht als Verlierer schon so gut wie fest

10.03.2022

| Lesedauer: 2 Minuten
Beim EU-Gipfel wird Deutschland aufgrund seines Widerstands gegen ein Russland-Energieembargo unter Druck geraten, den Plänen für neue gemeinsame Schulden zuzustimmen. Macron und Draghi haben Deutschland nun in der Hand, um ihre Vorstellungen durchzusetzen.

Der EU-Gipfel in Versailles wird noch bis Freitag andauern, aber den Verlierer kann man eigentlich schon vor Beginn ohne allzu großes Prognoserisiko benennen: Es ist Deutschland, genauer gesagt die deutschen Steuerzahler und Sparer. Aus der Europäischen Kommission war schon im Voraus bekannt geworden, dass man aus Anlass des Krieges in der Ukraine und der erwartbaren Implikationen für die EU-Staaten ein zweites gemeinsames Schuldenprogramm zur Diskussion stellen wird. Das sickerte wohl nicht zufällig unmittelbar nach dem Besuch des italienischen Ministerpräsidenten und Ex-EZB-Präsidenten Mario Draghi bei Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen durch.

[inner_post 1] Dass ein solches Programm, mit dem der angebliche Ausnahmecharakter der gemeinsamen Schulden des EU-„Wiederaufbaufonds“ dann endgültig erledigt und die EU ganz offen zu einer Schuldenunion transformiert wäre, den schon lange gehegten Wünschen der Regierungen in Paris und Rom entspricht, ist bekannt. Und Ursula von der Leyen ist zwar Deutsche, aber wohl nicht zuletzt deswegen von Emmanuel Macron als Kommissionspräsidentin forciert worden, weil sie keine deutschen sondern nur Selbstdarstellungsinteressen kennt. Sie wird nichts gegen eine solche Radikalveränderung der EU zulasten der finanziellen Interessen der Bürger Deutschlands (und anderer Nettozahler- beziehungsweise traditioneller Hartwährungsländer in der EU) tun, das ist allgemein bekannt. Im Gegenteil wird von der Leyen jede Möglichkeit nutzen, die Macht der Brüsseler Behörde, also ihre eigene zu befördern.

Falls es in der neuen Bundesregierung überhaupt noch einen Hauch von Widerstand gegen diesen letzten Schritt zur Mithaftung deutscher Steuerzahler für Schulden anderer EU-Staaten gegeben haben sollte, dürfte er nun angesichts des russischen Angriffskrieges endgültig aufgegeben werden müssen. Denn Berlin steht nach seiner nun als gescheitert entlarvten Russland-Politik enorm unter Druck. Unter Gerhard Schröder und Angela Merkel hat sich Deutschland in Energieabhängigkeit von Russland begeben und kann deswegen kein Energie-Embargo gegen Russland mitmachen. Oder besser gesagt: nur unter dem Risiko der unmittelbaren und fundamentalen Schädigung der eigenen Wirtschaft.

Damit haben Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Italiens Regierungschef Mario Draghi ein Druckmittel in der Hand. Für sie ist jetzt die Gelegenheit günstig, die alten Bedingungen, unter denen Helmut Kohl einst der Währungsunion zustimmte, endgültig abzuschaffen. Vermutlich wird der argumentative Hebel – „wegen euch können wir Russland nicht strenger sanktionieren, also sperrt euch gefälligst nicht“ – auch noch auf anderen Ebenen funktionieren. Zumindest wird die Bundesregierung nun die für sie besonders peinliche Einstufung der Kernenergie als klimaschützend und damit EU-förderungswürdig erst recht nicht mehr verhindern können. Macron kann Scholz auf dessen Klagen über Deutschlands Bedarf an russischem Gas stets antworten: Was musstet ihr auch unbedingt aus der Atomkraft aussteigen!

Dass Deutschland durch diese Zustimmung zur Schuldenunion einem Gasembargo gegen Russland auf Dauer entgehen kann, sollte man dennoch nicht für sicher halten. Wenn die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine scheitern und Putin seinen Angriffskrieg noch lange fortsetzt, wird der Ruf nach noch härteren Sanktionen und dem totalen Embargo noch lauter werden. Berlin wird sich dem auf die Dauer dann nicht entziehen können – auch wenn man vorher bei den gemeinsamen Schulden zugestimmt hat.

Die Perspektive des Ukraine-Krieges für Deutschland ist also besonders düster: neue, zusätzliche Haftung und Zahlungsverpflichtungen in der EU bei einer ungesicherten beziehungsweise sehr stark verteuerten Energieversorgung. Dazu kommen noch die  Kosten für die Versorgung von ukrainischen Flüchtlingen und den künftigen Wiederaufbau der Kriegszerstörungen in der Ukraine, von denen gerade Frankreich und Italien voraussichtlich deutlich weniger betroffen sein werden. Deutschland wird also ökonomisch schwächer, muss aber mehr Lasten tragen.

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