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Bonjour Tristesse

Düstere Aussichten aus dem Ifo-Institut

30.11.2020

| Lesedauer: 3 Minuten
Während der Kanzleramtsminister neue Staatseingriffe in Aussicht stellt, offenbaren aktuelle Befragungsdaten: In den Unternehmensführungen herrscht Pessimismus, die Kurzarbeit steigt wieder. Eine ganze Branche hängt am Staatstropf und die Marktwirtschaft verendet.

Es sind trübe November-Nachrichten, die die Konjunkturforscher vom ifo-Institut versenden. Dessen wohl prominentestes Produkt, der ifo-Geschäftsklimaindex ist im November deutlich gesunken auf 90,7 Punkte (100 Punkte entsprechen dem Basiswert von 2015). Das heißt, die Stimmung in den Chefbüros der deutschen Unternehmen, die ifo seit 1972 allmonatlich abfragt, hat sich verschlechtert. „Der Rückgang war vor allem auf deutlich pessimistischere Erwartungen der Unternehmen zurückzuführen“, heißt es aus dem Münchner Institut. „Auch ihre aktuelle Lage bewerteten sie etwas weniger gut. Die Geschäftsunsicherheit ist gestiegen. Die zweite Corona-Welle hat die Erholung der deutschen Wirtschaft unterbrochen.“

Währenddessen beginnt Angela Merkels Kanzleramtsminister Helge Braun die Deutschen zunächst ganz sanft auf etwas hinzuweisen, dessen banale Selbstverständlichkeit mittlerweile schon als kommunikative Härte erscheint: „Der Staat ist nicht unbegrenzt handlungsfähig“, sagte Braun dem Handelsblatt. Aber der Gürtel wird eben erst ganz allmählich ein klein wenig enger geschnallt. „Der Umsatz kann auf Dauer nicht das zentrale Kriterium sein“, sagt er weiter und stellt der Bundesregierung die Aufgabe: „Bis Januar müssen wir zielgenauere Hilfen ausarbeiten.“ 

[inner_post 1] Da Braun derjenige ist, auf dessen Schreibtisch die Fäden der Merkel-Regierung zusammenlaufen, kann man wohl davon ausgehen, dass dies bereits geschieht. Die Motivation dabei scheint allerdings nicht in erster Linie das Sparen zu sein. Im Gegenteil scheint die Bundesregierung Geschmack gefunden zu haben am Reinregieren in die Wirtschaft. Ab Januar will die Bundesregierung vor allem auf die sogenannte Überbrückungshilfe setzen, die sich am Umsatzrückgang und den Fixkosten orientiert: „Schon jetzt haben wir die Regeln für die Überbrückungshilfen überarbeitet, damit sie deutlich mehr Unternehmen und deutlich flexibler zur Verfügung stehen“, sagt Braun.

Und auch das soll nicht unbedingt der letzte Streich bleiben. Ein weiteres Konjunkturprogramm? „Das müssen wir im Sommer sehen“, sagte er. „Bei Bedarf müssen wir neue Impulse setzen.“ 

Zu den Opfern der Corona-Pandemie in Deutschland zählt jedenfalls nun endgültig auch die auf direkte Eingriffe möglichst verzichtende Ordnungspolitik. Und es sind eine Kanzlerin und ihre Minister aus der Ludwig-Erhard-Partei CDU, die dem ohnehin schon sterbenskranken Ordoliberalismus endgültig den Saft abdrehen, während die keynesianische Vorstellung, mit „Impulsen“ die Wirtschaft steuern zu können (und zu müssen) keiner weiteren Rechtfertigung mehr bedarf. 

Das, was Braun „Bedarf“ nennt, ist ganz offensichtlich unter dem Eindruck der Corona-Maßnahmen im Wachsen begriffen, wenn man die weiteren Nachrichten von ifo betrachtet. Die Industrie macht dabei im November noch die geringsten Sorgen. Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes beurteilten ihre aktuelle Lage sogar etwas besser als im Oktober. Die Auftragseingänge stiegen, wenn auch langsamer als im Vormonat. „Der Ausblick auf die kommenden Monate fiel jedoch merklich weniger optimistisch aus“. Und nun kommt auch dem Dienstleistungssektor unter dem Eindruck des zweiten Lockdowns die gute Laune abhanden. Dessen Geschäftsklimaindikator liegt erstmals seit dem Juni wieder im negativen Bereich. Und die Indikatoren im Bereich Hotels und Gastgewerbe sind – wen sollte es überraschen – „regelrecht abgestürzt“. Auch im Handel hat sich das Geschäftsklima verschlechtert, sowohl was die aktuelle Lage als auch was die Erwartungen angeht. „Insbesondere die Einzelhändler berichteten von deutlich weniger gut laufenden Geschäften.“

Die zeitgleich von ifo eingehende Meldung zum Beschäftigungsbarometer macht beim ersten Blick auf die Überschrift etwas bessere Laune: „ifo Beschäftigungsbarometer steigt minimal“ – auf 96,7 Punkte gestiegen, von 96,4 Punkten im Oktober. Der zweite Lockdown hat immerhin vorerst keine größeren negativen Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt. Schließlich gehen die staatlichen Stützungsmaßnahmen und Ausgleichszahlungen für Selbständige weiter. „In der Industrie ist das ifo-Barometer leicht gestiegen. Jedoch ist die Zahl der Unternehmen mit Entlassungsplänen weiterhin größer als die jener, die mit steigenden Mitarbeiterzahlen rechnen.“ Die Dienstleister planen eher Mitarbeiter einzustellen – klar Pakete von Online-Händlern werden nicht weniger, wenn der Einkaufsbummel in der Innenstadt unter Lockdown-Bedingungen unattraktiv bleibt. Und IT-Dienstleister brauchen umso mehr Personal, je mehr Angestellte im Home-Office arbeiten und nur noch digital mit ihren Kollegen konferieren.  

Der eigentliche Indikator der Arbeitsmarktlage in Deutschland ist bekanntlich die staatlich finanzierte Kurzarbeit. Und die nimmt wieder zu, wie neue Umfrageergebnisse des ifo-Instituts zeigen. Der Anteil der Firmen mit Kurzarbeit stieg im November auf 28,0 Prozent, nach 24,8 Prozent im Oktober. Insbesondere bei Hotels stieg der Anteil von 62,9 auf 91 Prozent der Unternehmen, in der Gastronomie von 53,4 auf 71,7 Prozent, bei Reisebüros und Reiseveranstaltern von 88,0 auf 91,1 Prozent.

Ein ganzer Wirtschaftssektor hängt also derzeit größtenteils am Tropf des Staates, das heißt letztlich der Steuerzahler. Es ist ein Sektor, der bislang eher wenig von staatlichen Eingriffen geprägt war, da er vor allem aus kleinen bis mittelständischen Familienbetrieben besteht, die im Gegensatz zu Großunternehmen weder von staatlichen Aufträgen abhängig, noch Gegenstand staatlicher Rettungsbemühungen waren. Auch hier geht in der Corona-Krise ein wichtiger Teil der sozialen Marktwirtschaft verloren, wenn selbstverantwortliche Unternehmer monatelang zu staatlichen Hilfsempfängern werden.

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