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Stephans Spitzen:

Die Grünen und die gefühlte Klima-Wahrheit

22.06.2021

| Lesedauer: 3 Minuten
Weder aus dem vergangenen „Klimasommer", noch aus jenem viel zu kalten Frühjahr kann man belastbaren Schlussfolgerungen ziehen. Doch in unserer Zeit zählen persönliche Evidenzen mehr als alle Erkenntnisse, die über die Beobachtung von Einzelfällen hinausgehen.

Was war das für ein Klimasommer! Erinnern Sie sich? 2019 war das. Tagelang affenheiß – falls man sowas noch sagen darf. Selbst die Kanzlerin zitterte! Annalena Baerbock wusste sofort, woran das lag: „Auch bei der Bundeskanzlerin wird deutlich, dass dieser Klimasommer gesundheitliche Auswirkungen hat.“ Klar! Hitze macht selbst vor einer Bundeskanzlerin nicht halt. „Da würde jeder, wenn er eine Stunde in dieser prallen Sonne steht, zittrig werden.“ Im Irak, den Baerbock kurz zuvor besucht hatte, gab es wenigstens Klimaanlagen. Aber in Deutschland? Keine da, wenn man mal in der prallen Sonne stehen muss.

Doch mit den Grünen bekommen wir jede Menge klimafreundliche Gesetze, messen täglich unseren klimaschädlichen Fußabdruck und alles wird gut. Schließlich haben wir dank Corona gelernt, wie man das macht, eine ganze Gesellschaft in Panik zu versetzen, bis sie brav bei Fuß geht. Fahrrad statt Auto, Fliegen verboten, nach den Atomkraftwerken auch noch das letzte Kohle- oder Gaskraftwerk abschalten, frugal leben und nur heimlich schädliche Sachen machen – wie tief durchatmen oder Fleisch essen.

[inner_post 1] Mit den hilfreichen Lehren aus der Coronapandemiepanik hatte das Jahr für eine ordentliche Verbotspartei zwar gut angefangen, doch dann machte ein extrem kühler, also klimafreundlicher Frühling allen „Aktivist:innen“ einen Strich durch die Rechnung. Sollte das Klima etwa doch bloß eine Reihe von Wettern sein? Wird es nun womöglich bedrohlich kälter statt wärmer? Für ein paar Wochen hüpfte niemand mehr fürs Klima. Doch dann begann der Juni mit einem grandiosen hochsommerlichen Spätstart und nun ist die Welt wieder in Ordnung. It’s the Klima, stupid. Wetter vergeht. Klima bleibt. 

Nun ist Klima ja tatsächlich nichts als ein Durchschnittswert. „Unter Klima versteht man die statistische Beschreibung der Gesamtheit aller Wetterabläufe an einem bestimmten Ort über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten.“ Man kann also keine belastbaren Schlussfolgerungen aus diesem „Klimasommer“ oder jenem viel zu kalten Frühjahr ziehen. Doch wir leben in einer Zeit, in der persönlichen Evidenzen mehr Wahrheit zugemessen wird als allen Erkenntnissen, die über die Beobachtung von Einzelfällen hinausgehen. Ich bin der Mittelpunkt der Erde! Was ich sehe, ist die Wirklichkeit. Was ich fühle, ist die Wahrheit. 

„So heiß war es noch nie“ ist die gefühlte Wahrheit, die jede Statistik widerlegt.

Natürlich gibt es „Klimawandel“, den gab es schließlich immer, allerdings ging es der Menschheit im mittelalterlichen „Klimaoptimum“ weit besser als in der folgenden kleinen Eiszeit. Was spräche also dagegen, sich auf das eine (oder, das ist nicht ausgeschlossen, auch auf das andere) vorzubereiten? Nicht doch: insbesondere die deutsche moralische Hybris gebietet, sich Größeres vorzunehmen, sich nicht einfach der Natur zu unterwerfen, sondern „das Klima zu retten“ oder doch wenigstens „klimasensibel“ zu sein. 

Reden wir mal nicht darüber, ob CO2 sich als Klimakiller eignet, zumal man Statistiken nicht umbringen kann. Reden wir auch nicht darüber, dass das Mittel der deutschen „Energiewende“ dazu nicht taugt. Wenn es denn wirklich darum ginge, die Emission von CO2 wirkungsvoll zu bremsen, dann verböte sich ein Abschied von der Kernenergie, zumal von ihren modernen Varianten, die die Frage nach einer Endlagerung obsolet machen. Doch „Atomkraft nein danke“ ist das nun schon mehr als vierzig Jahre alte Bekenntnis derer, die heute unsere politische und moralische Agenda bestimmen, weshalb über die Flurschäden der „Energiewende“ beflissen hinweggesehen wird. Der ökologische Fußabdruck, den Windkraftanlagen in Wäldern und Naturschutzgebieten flächendeckend hinterlassen, übertrifft bei weitem den geringen Wert, den ihr „sauberer“ Strom zu bieten hat.

Technikfolgeabschätzung war einst ein sinnvolles Anliegen und wurde insbesondere, was die Kernkraft betrifft, völlig zu Recht gefordert. Würde sie endlich einmal für die hochsubventionierte Ökoindustrie angewandt, bliebe wohl nichts mehr übrig von der Illusion „sauberer“ Energie.

[inner_post 2] Doch was reden wir von Vernunft und Ratio? Von Pragmatismus? Davon, sich einzustellen auf das, was womöglich auf uns zukommt? Das wäre den Propheten der großen Umkehr nicht radikal genug. Das Schreckbild des überhitzten Globus vor Augen ist die Option, sich auf eine Erwärmung einzustellen, schon vom Tisch, bevor sie auch nur angedacht werden kann. Unsere Mahner und Warner wissen schließlich, dass in Abwesenheit des Glaubens ans Fegefeuer die Menschen dringend einer anderen Strafe für ihre Sünden bedürfen. 

Zum neuen Protestantismus gehört es, Buße zu tun. Zu verzichten. Sparen..  Seinen ökologischen Fußabdruck reduzieren. Sich reduzieren. Nicht die Weltbevölkerung, natürlich. Die Bußfertigen kehren am liebsten vor der eigenen Tür. 

Das alles passt nur zu gut zur zunehmenden Erkenntnisfeindlichkeit, zur Abkehr vom Erbe des Westens und der Aufklärung. Nicht auf den Hitzetod sollte sich der europäische Westen einstellen, sondern auf seinen Tod durch Selbstmord. 


 

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