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Der Rückzug beginnt

Die EU ist kein Staat und hat kein Recht

15.05.2020

| Lesedauer: 2 Minuten
Das Voßkuhle-Urteil markiert den Wendepunkt der EU, die in der Politikkrise namens Corona wie schon in den Politikkrisen namens Euro und illegale Einwanderung, die ja andauern, wieder zeigt, dass sie außer kleinteiligen und wirklichkeitsfremden Bürokratismen von immer neuen Gängelungen der Bürger und Unternehmen nichts zustande bringt.

Mit der schon Jahrzehnte währenden politischen Semantik der Classe Politique hat sich in den Köpfen der Leute ein sachlich falsches und politisch-kulturell unredliches Bild verfestigt.

Sie sagen und schreiben europäisch und Europa und meinen nur die EU. Europa ist aber geografisch wesentlich größer und kulturell viel mehr. Aktuell geht es um das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegen den Gerichtshof der EU. Einen „europäischen Gerichtshof“ gibt es nicht einmal in der Terminologie der EU, nach der dieses Instrument „Gerichtshof der EU“ heißt. Aber die deutschen Musterschüler der EU nennen auch diesen „europäisch“ und verfestigen das durch die Abkürzung „EuGH”.

[inner_post 1] In Otto Normalverbrauchers – mit und ohne akademischen Grad – Kopf hat der polit-mediale Komplex das Bild gepflanzt: Landesrecht geht über kommunales Recht, Bundesrecht bricht Landesrecht, EU-Recht bricht Bundesrecht. Fehlt nur noch, UN-Recht bricht EU-Recht. (Wobei es ein unechter Kalauer ist zu sagen, dass UN, EU und die Regierungen etlicher EU-Länder permanent und gewohnheitsmäßig Recht brechen.) Dass das Wort Recht im demokratisch legitimierten und verfassungsrechtlich konstituierten Staat etwas anderes bedeutet als in der EU, ist kein verbreitetes Wissen.

EU-Recht ist kein staatliches Recht, sondern ähnlich den Verträgen zwischen natürlichen und juristischen Personen nur Vertragsrecht: Was Leute wie die Präsidentin der SGO EU, Ursula von der Leyen, korrekt zum Ausdruck bringen, wenn sie von Vertragsverletzungsverfahren sprechen und nicht von einer Klage.

Eine Vertragsverletzung durch die Bundesrepublik Deutschland wäre es nur, wenn sich diese vertraglich verpflichtet hätte, eine Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts gegen den Gerichtshof der EU zu unterbinden. Eine solche Vertragspflicht kann keine Regierung vor Merkel eingegangen sein, weil das  höchste deutsche Gericht so einen Verstoß gegen das Grundgesetz nicht geduldet hätte.

[inner_post 2] Wie also werden Merkel und Co. dieses Urteil rückgängig machen? Gar nicht, sie werden es umschiffen. Welchen Winkelzug sie auch machen werden, für jeden lassen sich jede Menge Winkeladvokaten finden.

Dass die EU kein Recht hat, das dem Recht eines Staates entspräche oder gar dem Recht von Staaten übergeordnet wäre, ergibt sich auch daraus, dass Großbritannien wieder ohne EU-Vorschriften auskommen wird. Dass sich London über neue Vertragswerke ähnlich von der EU bestimmen lassen wird, wie sich Bern das von Brüssel abpressen hat lassen, ist höchst unwahrscheinlich.

Das Urteil des BverfG ist eine Bestätigung und Ermunterung für die Obersten Gerichte in anderen Mitgliedsländern der EU, nicht nur wie bisher schon in Polen und Ungarn. Das Voßkuhle-Urteil markiert den Wendepunkt der EU, die in der Politikkrise namens Corona wie schon in den Politikkrisen namens Euro und illegale Einwanderung, die ja andauern, wieder zeigt, dass sie außer kleinteiligen und wirklichkeitsfremden Bürokratismen von immer neuen Gängelungen der Bürger und Unternehmen nichts zustande bringt.

Der Marsch in die Ever Closer Union ist gestoppt. Der Rückzug beginnt.

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