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Folgen der Rettungspolitik

Deutsche-Bank-Chef Sewing blickt in die Zombie-Zukunft der Wirtschaft

03.09.2020

| Lesedauer: 2 Minuten
Von Zombie-Unternehmen zu sprechen, galt bisher vielen als unfein. Nun tut es Christian Sewing, Vorstandschef der Deutschen Bank. Womöglich denkt er dabei nicht nur an seine Kreditnehmer, die durch Staatsgeld künstlich am Leben erhalten werden. Am Ende geht es auch um die Finanzwirtschaft.

Wer bis jetzt noch meinte, die Warnungen vor „Zombie-Unternehmen“ seien nur wenig ernst zu nehmendes Geraune von so genannten Crash-Propheten, kann sich jetzt auch auf einen der wichtigsten Bank-Manager Deutschlands und Europas berufen. Der Vorstandschef der Deutschen Bank, Christian Sewing, sagte zum Auftakt der „Handelsblatt“-Bankentagung in Frankfurt: „Wenn jedes sechste Unternehmen in Deutschland durch Rettungsgelder und faktisch ausgesetzte Insolvenzmeldungen ein Zombie wird, dann hat das gravierende Auswirkungen auf die Produktivität unserer Volkswirtschaft.“

Zombies sind bekanntlich in Horrorfilmen Untote, die aggressiv umherstreichen und andere Menschen durch Bisse ebenfalls zu Zombies machen. In der Ökonomie versteht man dementsprechend unter Zombiefirmen solche, die nur aufgrund staatlicher Subventionen und/oder extrem niedriger Zinsen ihre Schuldenlast noch tragen, also überleben können, obwohl ihre Rentabilität dafür eigentlich zu gering ist. Eigentlich müssten sie also unter Marktbedingungen Konkurs anmelden. Dadurch, dass sie dies nicht tun müssen und weiter existieren, verzehren sie nicht nur dauerhaft öffentliche Ressourcen, sondern verzerren auch den Wettbewerb zu Ungunsten gesunder, rentabler Anbieter. Jedes sechste Unternehmen droht nach jüngeren Daten der Wirtschaftsauskunftei Creditreform, ein solcher „Zombie“ zu werden.

[inner_post 1] Der Ökonom und Chef von Degussa Goldhandel, Markus Krall, ist einer der  prominentesten Warner vor der Zombifizierung der deutschen Wirtschaft durch die Nullzinspolitik der EZB. Dafür wurden er und andere vor wenigen Monaten aus der EZB schwer angegriffen. Nun hat er mit Sewing einen höchst prominenten Zeugen gewonnen – wenn sich der Deutsche-Bank-Chef auch nicht direkt auf die EZB, sondern auf die Rettungsmaßnahmen der Bundesbank im Rahmen der Pandemie-Politik fokussiert. Die Auswirkung allerdings, also die Zombifizierung, ist mehr oder weniger dieselbe.

Sewing warnt, wie das Handelsblatt berichtet, dass die staatlichen Hilfen zwar gut und richtig gewesen seien, aber auf die Dauer die notwendige Anpassung an die Folgen der Coronakrise verschleppen könnten: „Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Wirtschaft in einigen Bereichen nur mit 90, 80 oder gar 70 Prozent ihrer Kapazität läuft“, sagte Sewing. Einige Firmen würden es in ihrer aktuellen Aufstellung schwer haben, auf diesem Niveau gewinnbringend zu arbeiten.

Die Banken, so Sewing, könnten nicht allen Unternehmen helfen, die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu überstehen, sondern müssten sehr wachsam sein und ihr Kapital sorgfältig einsetzen. Was da durchklingt, dürfte auch ein noch etwas vernebeltes Eingeständnis sein, dass die Banken selbst in großer Gefahr sind, zum Zombie zu werden. Oder es vielleicht sogar schon sind. Der Kreditgeber eines Unternehmens, das seine Kreditzinsen nicht mehr aus eigener Ertragskraft bedienen kann, ist schließlich – je nach Umfang dieser Kredite – möglicherweise genauso abhängig vom Zombie-Nährstoff (also staatliche Subventionen oder billiges Zentralbankgeld) wie das bei ihm verschuldete Unternehmen. Längst nicht nur Pessimisten und Crash-Propheten rechnen für den kommenden Winter und das Frühjahr 2021 – wenn die staatliche Hilfe ausläuft – mit einem deutlichen Anstieg der Unternehmenspleiten. Und wenn die Konkurse zunehmen, steigen die Kreditausfälle in den Bankbilanzen.

Wie jeder Zombie-Film-Fan weiß, gibt es eine gewisse Inkubationszeit zwischen dem Biss des Zombies und der sichtbaren Mutation des Gebissenen zum neuen Zombie.

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