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Hauptsache, Deutschland wird islamfreundlich

„Demokratie leben!“: Gegen Extremisten, aber nicht gegen Islamisten

03.05.2024

| Lesedauer: 4 Minuten
Lisa Paus kämpft mit ihrem Programm „Demokratie leben!“ gegen „jede Form von Extremismus“. Aber der Islamismus wird – wenn überhaupt – erst bekämpft, wenn es schon zu spät ist. Denn der Islam bringt ein anderes Problem mit sich.

Eigentlich müsste Lisa Paus (Grüne) mit den 182 Millionen Euro aus ihrem Förderprogramm „Demokratie leben!“ den Islamismus bekämpfen. Immerhin fördert ihr Programm „zivilgesellschaftliches Engagement für Demokratie, Vielfalt und gegen jede Form von Extremismus“ – also auch gegen den Islamismus. Trotzdem versammelten sich am vergangenen Sonntag rund tausend Islamisten der Gruppe „Muslim Interaktiv“ in Hamburg, zeigten den islamistischen Gruß und forderten ein Kalifat, also die Herrschaft eines „Nachfolgers“ oder „Stellvertreters des Gesandten Gottes“. Das ist eine Forderung, die alles andere als demokratisch ist. Die Anhängerschaft der Gruppe hat sich seit 2018 verdoppelt, wie Nius berichtet. Das hat „Demokratie leben!“ nicht verhindert. Und versucht es offenbar auch nicht.

Das Familienministerium von Paus bekämpft mit den Fördergeldern aus dem Steuertopf vor allem einen Extremismus: den Rechten. Gibt man auf der Website des Förderprogramms den Suchbegriff „Rechtsextremismus“ ein, werden direkt 48 Projekte angezeigt – und das sind bei Weitem nicht alle. Von den insgesamt 700 Modellprojekten hat im engeren oder weiteren Sinne der Großteil etwas mit Rechtsextremismus zu tun, wie TE zeigte.

https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/demokratie-leben-ngo-liste/

Sucht man wiederum nach „Islamismus“, dann tauchen bloß zehn Ergebnisse auf. Zur Hälfte handelt es sich dabei um „Landes-Demokratiezentren“ verschiedener Bundesländer. Die werden, wie es scheint, bloß angezeigt, weil sie in ihrer Beschreibung das Wort „Islamismus“ nutzen, wie beispielsweise das Zentrum aus Brandenburg: „Die Koordinierungsstelle ‚Tolerantes Brandenburg‘ bündelt als Landes-Demokratiezentrum staatliche und zivilgesellschaftliche Aktivitäten. Sie (…) arbeitet daran, Rechtsextremismus, Antisemitismus und Islamismus durch Aufklärung vorzubeugen sowie die Bevölkerung zu sensibilisieren.“ Diese „Koordinierungsstelle“ bekommt in diesem Jahr rund 1,8 Millionen Euro aus Paus’ Fördertopf. Hier ein Einblick, was von diesem Geld finanziert wird:

  • ein mobiles Beratungsteam für Demokratie und Integration, das zu Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewaltprävention berät und informiert;
  • Beratung von Opfern rechter Gewalt;
  • die Distanzierungs- und Ausstiegsberatung Bundesarbeitsgemeinschaft „Ausstieg zum Einstieg“, bei der sich Angehörige von Menschen, die in der „rechten Szene“ aktiv sind, melden können.

Zumindest ein Angebot der Koordinierungsstelle bezieht sich konkret auf den Islam: „Die Fachstelle Islam“. Die bietet Beratungen und Fortbildungen zum „Themenbereich Islam“ an. Man muss allerdings recht lange suchen, um eine Fortbildung zum „Themenkomplex Islamismus“ zu finden. Ansonsten handeln die Angebote davon, Deutschland islamfreundlicher zu machen: „Die Vielfalt des Islam“, „Islamfeindlichkeit“, „Umgang mit religiösen Bedarfen an Schulen“, „Wie islamisch ist Europa“ und „Religiöse Vielfalt im ländlichen Raum“ heißen diese Fortbildungen zum Beispiel.

[inner_post 1] Abgesehen von den „Landeszentren für Demokratie“ lassen sich drei Modellprojekte gegen Islamismus finden, die von „Demokratie leben!“ gefördert werden: „Yallah Justiz“ zum Beispiel. Das ist eine „Radikalisierungsprävention im Strafvollzug Saar“, heißt es auf der zugehörigen Website. „Yallah Justiz“ unterstützt den saarländischen Strafvollzug demnach „durch Präventionsmaßnahmen, Schulungen und Strukturentwicklung“, um „Kompetenzen und Strategien zum Umgang mit religiös begründetem Extremismus“ zu verankern. Welche Maßnahmen und Strukturen das konkret sind, wie häufig die Schulungen angeboten werden und wie viele Personen daran teilnehmen, beantwortet weder die Projektleiterin Karin Meissner noch das Familienministerium auf Anfrage von TE.

Stattdessen beschreibt ein „Sprecher“ aus Paus’ Ministerium die Arbeit von „Yallah Justiz“ ähnlich unkonkret, wie es auf der Website der Fall ist: „Die Projekte bestehen vielfach aus einem Verbund an zivilgesellschaftlichen Trägern, die Einzel- und Gruppenangebote mit Inhaftierten sowie Schulungen für Bedienstete der Justizvollzugsanstalten und/oder der Sozialen Dienste der Bewährungshilfe im gesamten Bundesland umsetzen.“

Die Fördersumme von „Demokratie leben!“ liegt eigentlich bei maximal 200.000 Euro, wie es in den Grundsätzen des Programms heißt. „Yallah Justiz“ erhält aber 294.000 Euro aus Paus’ Fördertopf. Laut den Grundsätzen von „Demokratie leben!“ vergibt das Bundesministerium nur in „begründeten Ausnahmefällen“ mehr Geld. Aber wirklich begründet wirkt die Vergabe der fast 300.000 Euro an „Yallah Justiz“ nicht. Sollte es überhaupt eine Begründung geben, macht das Familienministerium diese nicht transparent. Aber, wie der „Sprecher“ des Familienministeriums auf TE-Anfrage schreibt, richtet sich die Höhe der Förderrungen ohnehin nur „vorrangig“ nach den Vorgaben der öffentlich einsehbaren Förderrichtlinie von „Demokratie leben!“. Aha.

[inner_post 2] Ein ähnliches Modellprojekt wie „Yallah Justiz“ gibt es in Hamburg und nennt sich „Legato – Islamismusprävention im justiziellen Feld (PräJus)“. Dieses Projekt bekommt sogar 700.000 Euro aus Paus’ Fördertopf. Auf der zugehörigen Website heißt es, die Mitarbeiter von „Legato PräJus“ seien wöchentlich vor Ort in den Haftanstalten Hahnöfersand, Billwerder und Fuhlsbüttel sowie in der Untersuchungshaftanstalt, um „religiös begründete Radikalisierung bei straffällig gewordenen Menschen zu verhindern und bereits Radikalisierten einen Ausweg anzubieten“. Sie beraten demnach das Personal, bieten Fortbildungen für Mitarbeiter im Strafvollzug an und führen Einzelgespräche mit Inhaftierten sowie soziale Gruppenarbeit im Jugendstrafvollzug durch. Auf der Website von Paus’ Förderprogramm werden außerdem „pädagogische Methoden der Kulturarbeit“ angekündigt: Beispielsweise wolle „Legato Präjus“ einen „Lehrfilm“ und „Planspiele“ entwickeln. Davon findet man auf der Projekt-eigenen Website wiederum nichts. Und eine Besonderheit, wegen der dieses Projekt noch 400.000 Euro mehr als „Yallah Justiz“ erhält, findet man auf der Website auch nicht.

Unter dem Suchbegriff „Islamismus“ findet man dann noch das Modellprojekt „Kick-off“ der „Türkischen Gemeinde Schleswig-Holstein“. Das wirkt ebenfalls im Strafvollzug und der Bewährungshilfe. Und bietet eigentlich das gleiche wie die anderen beiden Modellprojekte an: Fortbildungen, Gesprächsangebote und „demokratiepädagogischen Unterricht“. Der einzige offensichtliche Unterschied zu den anderen beiden Projekten ist, dass die Website unübersichtlich und falsch formatiert ist. Aber darum geht es hier nicht.

Es geht vielmehr darum, dass Paus mit ihrem Förderprogramm unzählige Modellprojekte gegen Rechtsextremismus und für die Beratung von Opfern rechter Gewalt unterstützt, aber nur wenige Projekte, die den Islamismus bekämpfen. Und die Projekte, die sich finden lassen, haben entweder nicht wirklich etwas mit Islamismus zu tun, oder kümmern sich – mehr oder weniger – um Islamisten im Gefängnis. Also um die Menschen, bei denen es eigentlich schon zu spät ist, um eine Straftat zu verhindern. So wirkt es, als wäre das Problem des Islams in Deutschland aus Sicht der Ampel nicht der zunehmende Islamismus, sondern ein antimuslimischer Rassismus – vonseiten der Rechten versteht sich.

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