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Corona-Gipfel

Die Konferenz der Kontroll-Illusionisten

02.12.2021

| Lesedauer: 2 Minuten
Deutschlands Corona-Politiker kommen zusammen, um die vierte Welle zu brechen. Doch offenbar ist die bereits dabei, zu brechen. Die Kontrollfantasien der Politik entpuppen sich mal wieder als eine Illusion.

Nun tagen sie also wieder, Deutschlands oberste Corona-Bekämpfer in Bund und Ländern. Der vorgezogene Gipfel der Noch-Kanzlerin Merkel (am Tag ihrer Verabschiedung mit Zapfenstreich), des Bald-Kanzlers Scholz und der Ministerpräsidenten. Ihr Ziel ist in der Beschlussvorlage des Kanzleramts so formuliert: „Deshalb werden wir in einem Akt der nationalen Solidarität gemeinsam dafür sorgen, dass die Infektionszahlen wieder sinken und unser Gesundheitssystem entlastet wird.“

Dafür ist allerdings schon gesorgt, wie ein Blick auf ebenjene aktuellen Zahlen offenbart. Die Infektionszahlen haben den Höchstwert von 76.414 am 27. November seither deutlich unterschritten, die Zahl von heute lautet 67.186. Die vierte Welle hat also ihren Höhepunkt womöglich schon überschritten. Sie ist hoffentlich gebrochen, jedenfalls hat sie ihre exponentielle Dynamik verloren. Woran das liegt? Das weiß wohl noch niemand so recht – wie so oft in dieser Pandemie. Womöglich, vermutlich auch an den bisherigen Maßnahmen, womöglich aber auch an Faktoren, die unbekannt sind und mit politischem Handeln nichts zu tun haben.

Eins jedenfalls ist sicher: Das Brechen der vergangenen Tage hängt ganz sicher nicht mit dem heutigen Corona-Gipfel und den dort zu fassenden Beschlüssen zusammen, die Impfungen zu forcieren und weitere Kontaktbeschränkungen einzuführen.

Die naheliegende Erkenntnis, dass Bundesnotbremsen, Lockdowns und andere Maßnahmen ganz offensichtlich nicht oder zumindest nicht so unmittelbar kausal wie beabsichtigt auf das Infektionsgeschehen wirken, dass es also keine politische Kontrolle über die Pandemie gibt, ist ganz offensichtlich weder bei Regierungspolitikern noch bei der dominanten Medienöffentlichkeit wirklich angekommen.

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Ein schönes Beispiel für die kognitive Dissonanz zwischen dem ungeklärten Rückgang der Zahlen und dem Beharren auf dem Glauben an das eigene politische Handeln bietet heute SPD-Coronapolitiker Karl Lauterbach, der gegenüber Bild sagt: „Die Welle bricht.“ Doch dann gleich anfügt: „Aber viel zu langsam!“ Und in unergründlicher Scheinlogik fortfährt: „Die Wirkung der bisherigen Maßnahmen ist zu schwach. Wir müssen nachlegen mit harten Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte, Maskenpflicht für Schüler, 2G mit strengen Kontrollen und geschlossenen Clubs und Bars.“

Nichts scheint in der (Corona-)Politik so hartnäckig verankert wie das, was Psychologen als „Kontrollillusion“ bezeichnen, also der Glaube, Vorgänge kontrollieren zu können, die objektiv nicht kontrollierbar sind. „Es handelt sich dabei“, so wird auf einer Website der Neurologen-Vereinigung Neurology first verständlich erklärt, „um einen psychologischen Mechanismus, der insbesondere dann zum Einsatz kommt, wenn der Mensch in Situationen kommt, in denen er eigentlich wenig oder keine Kontrolle über die Entwicklung der Ereignisse hat. In Folge der Kontrollillusion entsteht dann der subjektive Eindruck eines selbstbestimmten Handelns und das eigene ‚Ich‘ wird stabilisiert. Kurz zusammengefasst könnte man sagen: Selbst wenn die Kontrolle nur auf einer Illusion beruht, vermittelt sie doch das Gefühl von Sicherheit.“

Stabilisiert wird im Falle der coronapolitischen Kontrollillusion nicht nur das „Ich“ der Politiker, sondern auch das Vertrauen der Bürger in die Politiker. Weswegen sich die Entzauberung der Illusion für regierende Politiker in jedem Fall verbietet.

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