<
>
Marco wer?

Der Bundesjustizminister blamiert sich in Israel

22.02.2023

| Lesedauer: 2 Minuten
Grüßt mich schon keiner Unter den Linden, dann versuch ich’s mal in Israel. Dachte sich wohl Marco Buschmann, Bundesjustizminister. Dem bis heute offenbar niemand gesagt hat, dass man sich auf diesem Stuhl eine durchaus menschliche Schwäche nicht leisten darf: das Streben nach hohem Bekanntheitsgrad.

In Israel tobt gerade eine politische Auseinandersetzung, wem im Staat die Macht zusteht: der demokratisch gewählten Regierung, also der Mehrheit im Parlament? Oder der in einer Demokratie unabhängigen Rechtsprechung? Diesen Streit kennen viele Länder, aber in Israel ist alles extremer als anderswo. Hunderttausende gehen seit Wochen auf die Straße, im Parlament fliegen die Fetzen, die Presse hat Hochsaison, Juristen und auch jene, die von nichts eine Ahnung haben, fahren verbal schwere Geschütze auf. Es geht also zu wie in einer gesunden Demokratie.

Auf dieses Spielfeld ist „Marco wer?“ aufgelaufen, geschoben von dem Drang, auch mal ein bisschen im Rampenlicht zu stehen, ohne zu merken, dass ihm Trikot und Hose zu kurz geraten sind. Und niemand hat ihm gesagt: Sich von der Tribüne aus einzumischen, ist gerade hier alles andere als ratsam. Als Deutscher gar Ratschläge zu erteilen, ist eine Dummheit.

[inner_post] Marco Buschmann wird in Israel tatsächlich mit den Worten zitiert: „Aus der Geschichte zu lernen, bedeutet zu erkennen, dass man breite Mehrheiten suchen sollte, wenn man die Spielregeln des demokratischen Wettbewerbs und das Zusammenspiel der Verfassungsorgane verändern möchte.“

Es stockt einem der Atem. Ein deutscher Politiker versucht sich in Israel in Geschichtsunterricht. Das sagt ein Bundesminister, dessen Regierung gerade im Begriff ist, Otto von Bismarck und die Preußische Kulturstiftung zu tilgen, sowie Kreuze abnehmen zu lassen. Das sagt ein FDP-Repräsentant, dessen Partei kürzlich bei Wahlen zu drei Landesparlamenten die Fünf-Prozent-Hürde nicht schaffte, bei der Bundestagswahl 2021 von 88,5 Prozent der Wähler nicht gewählt wurde und den Grünen, denen 85,2 Prozent die Stimme verweigerten, zur Macht verholfen hat. Dieser Mann versprüht seine Gedanken zum Thema „breite Mehrheiten“ ausgerechnet in Israel, das auf Schritt und Tritt seine Geschichte lebt und sie täglich verteidigen muss.

Im Hebräischen gibt es mehrere zynische, sarkastische, auch jüdisch-humorvolle Ausdrücke, die mit „der hat uns gerade noch gefehlt“ übersetzt werden könnten.

Ob einer dieser Sätze bei dem kurzen Treffen mit dem Amtskollegen in Jerusalem – wenn auch nur hinter vorgehaltener Hand – gefallen ist, ist nicht überliefert. Schon deshalb nicht, weil für die Pressemappe, die dem Minister morgen vorgelegt wird, eine Klarsichtfolie völlig ausreicht.

Seine Kollegin im Auswärtigen Amt, deren politische Ratschläge sonst eher zu meiden sind, soll ihm geraten haben, in dieser angespannten Lage in Israel lieber zu Hause zu bleiben. D’accord!

[advertisement-block provider=“Newsletter“ location=“posts“]

Unterstützen Sie unabhängigen Journalismus

Ihre Unterstützung hilft uns, weiterhin kritisch zu berichten.

Einmalig unterstützen

Monatlich unterstützen

Jährlich unterstützen

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken