<
>
Landflucht und Überalterung:

Deutschland wächst bis 2045 marginal – durch massive Zuwanderung

21.06.2024

| Lesedauer: 3 Minuten
Neuesten Zahlen zufolge wächst die deutsche Bevölkerung bis 2045 leicht an und verschiebt sich weiter in den städtischen Raum. Was der Bericht tendenziell verschweigt: Dieser Zuwachs ist nur durch massive Immigration und daraus resultierende Bevölkerungsverschiebung möglich.

Aufmerksamen TE-Lesern wird die weltweite demographische Krise nicht entgangen sein: Nur die ärmsten Länder der Welt verzeichnen noch Geburtenüberschüsse, der Rest der Welt schrumpft. Natürlich gilt das auch für Deutschland, auch wenn das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) diesbezüglich eine beschönigende Meldung veröffentlichte, derzufolge die Bevölkerungszahl in Deutschland bis 2045 auf 85,5 Millionen Menschen ansteigen würde. Das entspricht einem Zuwachs von knapp 800.000 Menschen im Vergleich zu 2023.

Was sich zunächst einmal positiv liest, verschleiert das dahinterliegende Prinzip. Naiv, wer heute noch „Bevölkerungswachstum“ mit natürlicher Reproduktion mittels Geburten assoziiert. Nein, steigende Bevölkerungszahlen entstehen nur durch massive Zuwanderung. Allerdings wäre es ebenso naiv zu glauben, in den 22 Jahren zwischen 2023 und 2045 würden lediglich 800.000 Menschen einwandern. Zur Erinnerung: Seit 2011 bereits liegt die Zahl der Zuwanderer nach Deutschland konstant über einer Million pro Jahr, 2015 lag sie bei 2,1 Millionen, 2022 waren es sogar 2,7 Millionen.

Wenn also netto nur 800.000 Menschen mehr übrig bleiben, dann müssten bei den – mehr als vorsichtig gerechneten – 23 Millionen Zuwanderern im Zeitraum bis 2045 ungefähr 22 Millionen andernorts verloren gehen, und zwar entweder durch Auswanderer oder Todesfälle. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Schlagzeile nicht so sehr darauf pochen sollte, dass die Gesamtbevölkerungszahl bis 2045 marginal ansteigt, sondern vielmehr betonen sollte, dass bis 2045 wohl mindestens ein Viertel der deutschen Bevölkerung durch Zuwanderer ersetzt wird. Das allerdings liest sich – außerhalb der Redaktionsstuben und Parteizentralen – als eine weitaus weniger euphorische Nachricht.

Strukturschwache Regionen sterben aus, Ballungszentren bekommen Kinder von Zuwanderern

Darüber hinaus bestätigen die Zahlen des BBSR eine Reihe von absehbaren Trends. Vor allem die massive Verschiebung der Bevölkerung aus sogenannten strukturschwachen Regionen in große Ballungszentren, wobei diese Verschiebung unter den Menschen im erwerbsfähigen Alter noch einmal deutlich drastischer ausfällt. Landkreise wie Mansfeld-Südharz (Sachsen-Anhalt), Greiz (Thüringen), Spree-Neiße (Brandenburg) und Stendal (Sachsen-Anhalt) verzeichnen bis 2045 einen Rücklauf um sage und schreibe 30 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung. Bei gleichzeitiger Überalterung in diesen Regionen sterben so ganze Landstriche – vor allem in Ostdeutschland – aus.

Die freudige Nachricht: In großen Ballungszentren nimmt die Zahl von Kindern und Jugendlichen bis 2045 zu, da sich dort die meisten Frauen im gebärfähigen Alter aufhalten werden. Ob es sich dabei aber um Kinder oder Jugendliche von Deutschen oder von Zuwanderern handelt, klärt die Mitteilung des BBSR nicht auf. Man kann es aber erraten, da die erste Generation von Migranten die einzige Bevölkerungsgruppe ist, die sich noch halbwegs über dem Reproduktionsniveau bewegt.

Diese drastischen Verschiebungen sind dem BBSR zwar deutlich bekannt, dennoch überwiegt in der medialen Berichterstattung das Gefühl der demographischen Entwarnung. Peter Jakubowski vom BBSR kommentierte die Prognose allerdings mit den Worten:

„Viele Menschen werden weiterhin aus verschiedensten Gründen aus vielen Teilen der Welt nach Deutschland kommen. Ohne Zuwanderung aus dem Ausland würde die Bevölkerungszahl Deutschlands im Jahr 2045 bereits deutlich niedriger liegen, weil die Zahl der Sterbefälle die Zahl der Geburten bei Weitem übersteigen wird.“

Das Ausmaß dieser Verschiebungen wird aber verschleiert. Die Tagesschau zitiert falsch, wenn sie schreibt: „Bis 2045 rechnet sein Institut mit einem Plus an 300.000 Menschen aus dem Ausland.“ Da fehlt der entscheidende Zusatz „pro Jahr“, der im Institutsbericht sehr wohl auftaucht. Darüber hinaus ist auch die Rechnung des Instituts sehr optimistisch, da das BBSR davon ausgeht, die Zuwanderung würde sich nach dem Höchststand 2022 auf ein Niveau von 250.000 bis 300.000 Zuwanderern pro Jahr einpendeln. Zum Vergleich: Der niedrigste Wert seit 1991 lag 2006 bei 660.000 Zuwanderern im Jahr. Nachdem die Zahlen also seit 2011 explodierten, erwartet das BBSR nun eine Reduktion der Zuwanderung auf ein Zehntel des jetzigen Niveaus und damit auf einen seit 1991 nie dagewesenen Tiefststand.

Vielleicht hätte die eigentliche Schlagzeile also lauten sollen: Das BBSR glaubt an die Remigration, denn anders sind diese Zahlen wohl nicht zu erklären. Das wäre zumindest mal eine Nachricht wert!

[advertisement-block provider=“Heft“ location=“posts“]

Unterstützen Sie unabhängigen Journalismus

Ihre Unterstützung hilft uns, weiterhin kritisch zu berichten.

Einmalig unterstützen

Monatlich unterstützen

Jährlich unterstützen

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken