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Demokratische "Lahmarschigkeit"

Bei Illner sinniert man: Was wenn „Diktaturen und Autokratien“ Klimaschutz besser können?

17.09.2021

| Lesedauer: 3 Minuten
Bei Illner läuft die parteipolitische Mitteljugend auf und redet den politischen Vorgesetzten nach dem Mund. Ein alter Knacker schießt den Vogel aber ab. Klimaschutz und Demokratie - werden wir uns entscheiden müssen?

Illner gibt ihr Studio für die Jugend frei. Allerdings wohl eher einer Jugend für Alte. Dass Mirko Drotschmann vom ZDF (stolze 35 Jahre alt) und Christoph Ploß, der Landesvorsitzende der CDU Hamburg (36 Jahre alt) noch mit zur Jugend gezählt werden, kann meiner Meinung nur daran liegen, dass sie vielleicht im Herzen jung geblieben sind.

Illner stellt Mirko ganz groß damit vor, dass er ja gerade sein Abi gemacht hat, als Merkel Kanzlerin geworden ist. Tja, das mag ja vielleicht für die Boomer-Generation eine irre Vorstellung sein, aber für mich hätte er da vielleicht doch nicht ganz so früh aufstehen sollen – ich bin damals nämlich noch mit rosa Tütü durch den Kindergarten gestiefelt. Außerdem mit dabei waren Sarah-Lee Heinrich, Mitglied des Bundesvorstands der Grünen Jugend, Jessica Rosenthal, Bundesvorsitzende der Jusos, Ria Schröder, ehemalige Vorsitzende der Jungen Liberalen und Hajo Schumacher, Journalist und Autor und schon sehr lange nicht mehr jung. Letzteren scheint Illner sich als Verstärkung dazu geholt zu haben, um die Rasselbande in den Griff zu kriegen.

[inner_post 1] Alle die kamen aber nicht vor dem Einspielvideo zu Wort. Das will ich auf keinen Fall unerwähnt lassen. Denn wenn ich Ihnen eine ganz heiße Geschäftsidee ans Herz legen darf: sollten Sie das Bedürfnis verspüren, einen Sprüchekalender zum Abschied von Angela Merkel herzustellen, dann brauchen Sie nur im Baerbock-Stil den Text des Einspielers zu transkribieren. Das war nämlich genau das – eine Ansammlung von poetischen Lebe-Wohl Sprüchen für Merkels Abgang. Da fielen so Sätze wie: „Sie hielt zusammen, was auseinander zu driften drohte“, „Irgendwie war alles in Guten Händen” und „Sie fuhr auf Sicht, weil man ihr fast blind vertraute“. Als wäre das nicht genug, wird das ganze noch mit dem Lied „Bridge Over Troubled Water“ untermalt, das ja eigentlich so schon dramatisch ist – aber die Illner-Redaktion hat sich nicht mit der Original-Version zufrieden gegeben, sondern die mit Riesenchor und Orchester genommen. Ich könnte schwören, dass die Kameramänner, Redakteure und Journalisten im Hintergrund dabei salutiert haben.

CumEx, Wirecard – wo willst du anfangen?

Sarah-Lee von den Grünen ist in der Frage auch ganz vorne mit dabei. Bei ihr braucht man eigentlich gar nicht erst hinhören, was sie zu sagen hat – der Blick, mit dem sie die anschaut, die nicht ganz ihrer Meinung sind, reicht schon völlig aus.

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Wenn man über ihren charmanten Augenaufschlag hinwegsieht und sich den Inhalten widmet, wird es dann aber auch nicht wirklich besser. So erklärt sie zum Beispiel, dass der CO2-Preis – wenn man ihn wirklich „ehrlich“ berechnen würde – wohl mehr als ein paar Hundert Euro betragen würde, die Grünen sich aber für eine soziale Bepreisung entschieden hätten. Also, äh – sollen wir jetzt dankbar sein?

Illner fragt sie, ob man zusätzlich zu dem Freitag, den man fürs Klima hüpft, nicht auch einen weiteren Tag für eine gerechte, sichere Rente streiken könnte. Da meint sie, sie hätte ja auch gerne Fridays gegen Kinderarmut. Ich denke, die Arme wusste in dem Moment gar nicht, was sie da sagt – schulstreiken gegen Kinderarmut … Als dann später der Zusammenhang zwischen Bildung und Armut zur Sprache kommt, regt sie sich darüber auf, dass viele ihr Abitur nicht schaffen würden.

[inner_post 2] Jessica Rosenthal, von den Jusos hat aber auch gut mitgehalten. „Die Innovation hätte man doch schon vor 15 Jahren machen können“, sagt sie, als Ploß von Innovationen für den Klimaschutz statt Verboten spricht – will ihr mal jemand erklären, dass Innovationen so genannt werden, weil sie innovativ sind?
Von Angstmache hält sie überhaupt gar nichts. Also dass die CDU beispielsweise davor warnt, dass wir bald Lastenfahrräder nutzen müssten und alles teurer wird – das streitet sie zwar nicht ab – aber sie will es lieber verdrängen und „positiv“ in die Zukunft schauen. Auch bei Scholz: „Wer Olaf Scholz kennt – und ich denke in den letzten Jahren konnte man ihn gut kennenlernen (…)“ – ja Jessica, etwas zu gut. CumEx, Wirecard – wo willst du anfangen? Bei einem muss ich ihr aber zustimmen: „Wir sprechen über Wählerinnen und Wähler immer so, als wenn sie selbst nicht abwägen könnten.“

Den Vogel schoss allerdings der Alte Knacker ab – Schusserfahrung eben. Ich hätte schon was ahnen sollen, als Illner zu ihm sagte: “Wir sind im Grunde genommen die Turbo-Umweltsünder”. Hat sie das vielleicht scherzhaft gemeint? Bei ihr weiß man nie. Was man allerdings wissen kann, ist, dass die folgende Aussage von Hajo Schumacher ganz und gar ernst gemeint war. Das Zitat ist etwas lang, aber ich will mir nicht vorwerfen lassen, da irgendetwas aus dem Kontext zu reißen, also Bitteschön: „In dem Moment, in dem wir sehen, dass Diktaturen oder Autokratien womöglich schnellere Entscheidungen treffen, was Klimaschutz angeht, werden wir uns irgendwann fragen müssen: kommen wir mit der liberalen Demokratie, so wie wir sie hier in so einer gewissen Lahmarschigkeit betreiben, kommen wir an unsere Grenzen. Das heißt wir müssen sehen, dass wir Tempo machen und zwar demokratisches Tempo machen. Und indem wir jetzt immer wieder die Innovationsplatte spielen, und sagen wir fliegen jetzt mit Sonnenstrom aus Bayern, ey selten so gelacht.“ Lassen Sie das einfach mal auf sich wirken. Ich weiß auch gar nicht mehr, was ich dazu noch sagen soll – klingt ein bisschen wie eine Drohung –  oder?

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