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Recherche von NDR, WDR und SZ

Anschlag auf Nord Stream: Die Spur führt in die Ukraine

22.05.2023

| Lesedauer: 2 Minuten
Vor acht Monaten gab es einen Anschlag auf die Pipeline Nord Stream. Nun soll der Generalbundesanwalt eine Spur verfolgen, die in die Ukraine führt. Doch offiziell hüllen sich die staatlichen Stellen in Schweigen.

Justizminister Marco Buschmann (FDP) kündigte in der Bild an: „So jagen wir die Pipeline-Saboteure.“ Das war vor acht Monaten. Seitdem sind „wir“ – also Bundesregierung und Generalbundesanwalt – keinen Schritt weiter. Zumindest offiziell. Und Buschmann scheint unmittelbar nach der Poser-Schlagzeile und dem Poser-Foto das Interesse an dem Thema verloren zu haben. Der Angriff auf deutsche Infrastruktur bleibt somit eine offene Wunde der deutschen Justiz. Der deutschen Verteidigungspolitik. Der deutschen Außenpolitik. Der deutschen Wirtschaftspolitik. Der deutschen Energiepolitik. Der deutschen Souveränität.

[inner_post 1] Nun gibt es offenbar eine Spur. Zumindest berichten darüber die Medienpartner NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung. Demnach stehe die Segelyacht „Andromeda“ im Mittelpunkt der Ermittlungen des Generalbundesanwalts. „Mehrere Personen sollen mit ihr im September 2022 in Rostock gestartet sein und könnten an den Explosionen am Boden der Ostsee beteiligt sein“, heißt es in einer Pressemitteilung des NDR. Einer der Passagiere sei ukrainischer Staatsbürger.

In der Beschreibung des Ukrainers gibt es sehr viel Soll. Er soll in der Infanterie der ukrainischen Armee gedient haben, Mitte 20 sein, aus dem Großraum Kiew stammen und „auffällige Tätowierungen“ tragen. Auch polnische Hintermänner – beziehungsweise Hinterfrauen – sollen in die Geschichte verwickelt sein. Nur: Nichts genaues weiß man nicht. Seit Buschmanns Poser-Schlagzeile schweigen die öffentlichen Stellen beharrlich zu dem Vorfall. Die Recherchegemeinschaft habe sogar den betreffenden Ukrainer angefragt, teilt der NDR mit – aber auch der will nichts sagen.

[inner_post 2] Der amerikanische Pulitzerpreisträger Seymour Hersh hat berichtet, dass amerikanische Geheimdienste die Sprengung initiiert hätten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) soll davon sogar vorab gewusst haben. Als gesichert gilt, dass Terroristen oder andere Verbrecher kaum das Knowhow für eine Tat solchen Ausmaßes hätten. Dafür brauche es die Apparate, die nur Staaten bieten könnten. Damit läuft es auf die Frage raus: die USA oder Russland?

Hershs These, die USA seien es, und die nun veröffentlichte Recherche, die Spur führe in die Ukraine und nach Polen, müssen kein Widerspruch sein. Der Historiker Tim Weiner hat in seinem Standardwerk „CIA / Die ganze Geschichte“ verfügbare Unterlagen des amerikanischen Geheimdienstes ausgewertet. Demnach senden die Amerikaner für solche Operationen selten eigene Leute, sondern setzen auf verbündete Kräfte vor Ort.

Solange es keine offizielle Aufklärung gibt, bleibt Nord Stream aber eine Glaubensfrage: Russland oder die USA? Unmittelbar nach Hershs ersten Veröffentlichungen entdeckten geneigte Journalisten – Tischlein deck dich – Spuren, die nach Russland führen. Doch die Recherchen dazu blieben so folgenlos wie Buschmanns Gepose für die Bild. Waren es aber die Amerikaner, die Polen oder die Ukrainer, dann stellt sich zwangsläufig die Frage: Wie gingen wir mit diesem völkerrechtswidrigen Angriff auf deutsche Infrastruktur durch Verbündete um? Die Frage wäre äußerst unbequem. Vielleicht jagen wir deshalb auch die Nord-Stream-Saboteure. Jagen. Nicht fangen.

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