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Änderungen der Stimmen

Analyse der Berlinwahl: Unsauber ausgezählt

02.03.2023

| Lesedauer: 4 Minuten
Am Montag verkündete der Landeswahlleiter das endgültige Ergebnis der Berlinwahl. Es zeigt sich vor allem: In Berlin ist auch der zweite Wahlversuch chaotisch.

Der Landeswahlleiter Berlins veröffentlichte am vergangenen Montag die endgültigen Ergebnisse der Wahlwiederholung der Landeswahlen in Berlin. Tichys Einblick analysierte die vorläufigen Ergebnisse und die endgültigen Ergebnisse auf Wahllokalebene, sowohl für Urnen-Wahllokale als auch für Briefwahllokale.

Im Nachgang der Wahl meldete die Taz, dass in verschiedenen Wahllokalen Berlins mehr als 1000 Stimmen mehr abgegeben wurden, als laut Wählerverzeichnissen Wähler zur Wahl erschienen sind. Diese Zahl kam zustande, weil in einigen Wahllokalen mehr Stimmen abgegeben wurden, als am Wahlabend Wähler an die Bezirke gemeldet wurden.

Der Landeswahlleiter sah das als nicht kritisch an: Derartige Meldefehler seien normal. Die Listen und Stimmen wurden noch einmal überprüft. Tatsächlich wurde im endgültigen Ergebnis die Zahl der Wähler um 2606 nach unten korrigiert. Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit: Weil in einigen Wahllokalen mehr Personen wählten, als ursprünglich gemeldet, und in anderen weniger, änderte sich die Zahl der Wähler um 6.666 Personen.

[inner_post 1] Berechnet man aber die Differenz der Wähler, die mehr kamen als gemeldet, und derer, die weniger da waren, findet man die vom Wahlleiter gemeldete Zahl. Als Beispiel: In einem Wahllokal in Friedrichshain-Kreuzberg (02W304) wurden ursprünglich 762 Wähler gemeldet. Zählt man aber alle abgegebenen Stimmen, die noch am selben Abend vorläufig gemeldet wurden, zusammen, wurden je 468 Erst- und Zweitstimmen abgegeben. Das endgültige Wahlergebnis korrigierte die Zahl der Wähler, die in dem Lokal wählten, auf 468 herunter. Diese Korrektur scheint schon deswegen plausibel, weil das betreffende Wahllokal damit eine Wahlbeteiligung von 42 Prozent erreicht (von knapp über 1000 Wahlberechtigten), womit es den umliegenden Wahllokalen ähnelt. Die Ergebnisse der einzelnen Parteien wurden durch die Korrektur nicht berührt.

Jedes dritte Wahllokal meldete falsche Wählerzahlen

Nach diesen Korrekturen gibt es keine Wahllokale mehr, die mehr abgegebene Stimmen melden als Wähler. Insgesamt wurde die Zahl der gemeldeten Wähler in 1347 von 3764 Wahllokalen angepasst. Damit war jedes dritte Wahllokal nicht im Stande, am Wahlabend die korrekten Zahlen zu melden – trotz monatelanger Vorlaufzeit und besonderer personeller Ausstattung.

Änderungen bei Erst- und Zweitstimmenergebnissen

Außerdem wurden auch die Stimmergebnisse als Ergebnis von Neuzählungen verändert. Dabei sollten die absoluten Veränderungen und die relativen Änderungen beachtet werden.

Absolute Änderungen: Wird im Wahllokal A der SPD eine weitere Stimme zugeschlagen und im Wahllokal B eine Stimme abgezogen, dann sind das zwei Änderungen.

Relative Änderungen: In obigem Beispiel bleibt das Stimmergebnis der SPD unverändert, da die zugeschlagene Stimme die abezogene Stimme ausgleicht.

Änderungen der Erststimmenergebnisse

Erläuterung: Das endgültige Ergebnis der Berlinwahl veränderte das Erststimmen-Ergebnis der SPD um 229 Stimmen. Zieht man aber Fälle, in denen die SPD Stimmen verlor, von Fällen, in der die SPD Stimmen gewann, ab, erhielt die SPD im endgültigen Ergebnis 115 Erststimmen mehr als im vorläufigen Ergebnis gemeldet.

Änderungen der Zweitstimmenergebnisse

[inner_post 2] Zu beachten sind dabei besonders die Änderungen der ungültigen Stimmen. Bei der vorherigen, für ungültig erklärten Wahl waren Stimmen, die ursprünglich als ungültig gezählt wurden, teilweise mit dem Rotstift nachträglich als gültig gewertet worden. Dies geschah auf Anweisung des damaligen Innensenators Andreas Geisel. Diese Stimmen kamen überproportional außerdem den Parteien SPD, Grüne und Linke zugute. Zumindest im Vergleich der gemeldeten Ergebnisse kann eine solche Manipulation dieses Mal nicht beobachtet werden. Bei 1,5 Millionen abgegebenen Stimmen reichen 209 Stimmen mehr oder weniger nicht aus, um mehr als einzelne Wahllokale kippen zu lassen.

Insgesamt wurden in 327 Wahllokalen (8,7 Prozent) die Zweitstimmenergebnisse relativ zum vorläufigen Ergebnis geändert. Im Durchschnitt der Wahllokale mit Änderung betrug diese Änderung 5,7 Stimmen. Das Erststimmenergebnis wurde dagegen nur in 130 Wahllokalen (3,4 Prozent) verändert, die durchschnittliche Änderung war aber 8,2 Stimmen.

Mangelnde Sorgfalt

Bisher sind noch keine Fälle von großflächigen Schummeleien, gar Betrug, bekannt, wie sie bei der letzten Wahl von Tichys Einblick aufgedeckt wurden. Auch von Tichys Einblick befragte Experten sehen in den Zahlen kein Problem: Dass Ergebnisse nach Prüfungen korrigiert werden, ist normal. Fragwürdig ist höchstens die Menge an Korrekturen. Die mehr als 3.700 Wahllokale mussten im Durchschnitt 406 Stimmen auszählen – und trotzdem schaffte dies eine beträchtliche Menge der Wahllokale nicht korrekt.

Keine großen Probleme am Wahltag

Am Wahltag hatten Redakteure von Tichys Einblick Wahllokale im ganzen Stadtgebiet besucht. Es wurden keine groben Probleme wie übermäßige Schlangenbildungen oder Wahlzettelmangel beobachtet. In sozialen Medien und Berichten des Wahlleiters wurde von vereinzelten Problemen berichtet. So konnte in einem Wahllokal ein Schlüssel für eine Urne nicht gefunden werden, die Wahl begann verspätet. Insgesamt verlief die Wahl aber ereignislos.

Wiederholung der Bundestagswahl steht noch aus

Die Wiederholung der Bundestagswahl steht noch aus. Wann diese stattfindet, ist noch nicht bekannt. Nach bisherigem Stand soll die Wahl aber nicht im gesamten Stadtgebiet, sondern nur in 407 Wahllokalen wiederholt werden. Tichys Einblick hat eine Wahlprüfungsbeschwerde eingereicht, um die Bundestagswahl in allen Berliner Bezirken einzuklagen:

In eigener Sache: Roland Tichy, Herausgeber von TE, hat eine Initiative gegründet, um die Wiederholung der Bundestagswahl in allen Berliner Bezirken einzuklagen. Die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht wird von Verfassungsrechtler Ulrich Vosgerau im Namen von zwei Tichys-Einblick-Lesern geführt. Die Finanzierung hat „Atlas – Initiative für Recht und Freiheit“ übernommen.

Die von TE eingereichte Wahlprüfungsbeschwerde ist dem Bundesverfassungsgericht am 5. Januar per Fax und am 7. Januar per Brief zugegangen. Am Donnerstag, dem 26. Januar, hat das Gericht den fristgerechten Eingang bestätigt und der Beschwerde ein Aktenzeichen (2 BvC 15/23) gegeben.

Unterstützen Sie bitte die Öffentlichkeitsarbeit dieses Vorhabens: Für Spenden haben wir bei der Commerzbank Köln das Konto mit der IBAN DE14 3704 0044 0543 2000 02 eingerichtet (Empfänger: TE Sonderkonto Rechtsstreitigkeiten). 

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