<
>
Corona-Petzen

Am deutschen Meldewesen wird das Land nicht genesen

31.03.2020

| Lesedauer: 2 Minuten
Herrliche Zeiten, diese Coronakrise, für den deutschen Untertanengeist. Die Deutschen haben einen Grund mehr zum Denunzieren.

Die Mitteldeutsche Zeitung berichtet über einen Aufruf aus Magdeburg, die Behörden nicht durch überflüssige Anrufe zu überlasten. Menschen sollten nicht jedes Mal melden, wenn drei Leute auf einer Parkbank sitzen.“ Auch Halles Oberbürgermeister Wiegand sprach sich gegen das „Herumpetzen“ aus. 

Denunzieren, Anschwärzen, ja sogar Petzen wie im Kindergarten: Der deutsche Blockwart ist offenbar aus der Gruft entstiegen und wittert Morgenluft. Er war dorthin wohl sowieso nie verschwunden. Herrliche Zeiten sind für diese Spezies angesagt, Corona sei Dank! Der deutsche Untertanengeist ist ohnehin weltberühmt.  

Wer hat sie dazu erzogen?

Auch im politischen Biotop von Potsdam wurde zum Beispiel der Polizei (Mitglied im politischen Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“) von besorgten Bürgern ein ungeheuerlicher Vorgang gemeldet: Eine ominöse Truppe, sogar in militärischen Uniformen und mit einer Deutschlandfahne, marschiert singend aber unbewaffnet, durch die rot-rot-grüne Landeshauptstadt. Die Polizei rückte zur Kontrolle aus.TE hatte davon berichtet. Es war die Bundeswehr.

[inner_post 1] Damit der eifrige Meldegänger auch etwas zum Melden hat, wurde in der Brandenburger Hauptstadt eine Meldestelle eingerichtet. Gestern ging es noch um „sexistische Werbung“ und die marschierende Bundeswehr. Heute haben wir Corona und da liegt der Casus knacksus anders: Wenn zwei Personen, die man persönlich nicht kennt, Hand in Hand durch die Straßen gehen, ist ein dringender Tatverdacht gegeben und der ist …sofort, unverzüglich… zu melden. Für den Fernaufklärer mit Fernglas am Fensterrahmen, gilt ab sofort jeder als zwielichtig, außer er selbst. 

Sollten Polizei und Ordnungsämter überlastet sein, könnte man alternativ die antifaschistischen Kampfsportler des Potsdamers „soziokulturellen Freizeitzentrums Freiland“ als schnelle Eingreiftruppe abordnen. Diese wurden zwar vom Brandenburger Verfassungsschutz erwähnt, aber wen stört das. Jedenfalls nicht das Potsdamer Rathaus, das die jungen Kampfgenossen mit jährlich 190.000 € an Steuergeldern und freier Miete alimentiert. Bei dem dort ausliegenden Werbematerial von Linksextremisten (Antifa und Rote Hilfe) und dem damaligen Blockadetraining gegen die Polizei drücken wir dagegen großzügig alle Augen, einschließlich der Hühneraugen, zu. 

Auch in Bayern wird fleißig gemeldet! Der Meldedeutsche greift schnell zum Hörer und wählt den Notruf, auch wenn keine Gefahr für Leib und Leben gegeben ist. Hierzu gab die Landespolizei folgendes Statement ab: „(…) sollten bei Hinweisen, in denen es lediglich um Verstöße gegen die Abstandsregeln geht, auf keinen Fall die Notrufnummern 110 oder 112 gewählt werden.“ Offensichtlich hat man es dortzulande versäumt, eine explizite Meldestelle einzurichten, um die eintreffenden Benachrichtigungen aus der Bevölkerung zu sammeln und auszuwerten.

Ob der selbsternannte Blockwart bald wieder mit seinem deutschen Schäferhund um den Wohnblock marschiert? Wird der Pluto von der Leine gelassen, wenn ein junges Pärchen (nicht verwandt!) eng umschlungen dahinschlendert? 

Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister
werd ich nun nicht los

Der Gesetzgeber könnte natürlich auch darüber nachdenken, ob man nicht ein klein wenig übers Ziel hinausgeschossen ist. Fünf Minuten auf einer Parkbank zu sitzen, müsste dann nicht von Amtswegen kriminalisiert werden. Dann hat die Polizei die Möglichkeit, mit mehr Fingerspitzengefühl einzugreifen, ohne Strafvereitelung im Amt zu begehen. Und die ohnehin abgebaute und überlastete Justiz hat einige Aktenberge weniger abzuarbeiten.  


Unterstützen Sie unabhängigen Journalismus

Ihre Unterstützung hilft uns, weiterhin kritisch zu berichten.

Einmalig unterstützen

Monatlich unterstützen

Jährlich unterstützen

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken